Nach dem Rückzug von Joe Biden wird wohl Kamala Harris als neue Spitzenkandidatin der Demokraten ins Rennen um die US-Präsidentschaft gehen. Aber mit welchem Vize – dem sogenannten "Running Mate"?
Nach vier Jahren im Schatten von
Harris ist im Grunde das genaue Gegenteil des republikanischen Kandidaten Donald Trump. Sie ist eine schwarze Frau, deren Eltern eine Einwanderungsgeschichte haben. Sie setzt sich für Frauenrechte und für eine Verschärfung der Waffenrechte ein und bekennt sich zum Klimaschutz.
Harris muss um weiße Arbeiterschicht kämpfen
Sollte sie tatsächlich die neue Kandidatin der Demokraten werden, braucht sie einen Vize an ihrer Seite. Den sogenannten "Running Mate". Generell hängt die Auswahl eines Vize-Präsidentschaftskandidaten aus Sicht von Politikwissenschaftlerin
Ein mögliches Ziel von Harris dabei: "Die Mobilisierung und teils auch Rückgewinnung von weißen Wählern, insbesondere auch Arbeitern, Menschen ohne höhere Bildungsabschlüsse, in Staaten wie Michigan, Pennsylvania oder Wisconsin", meint die USA-Expertin, die an der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz forscht.
Ein Generalstaatsanwalt und ein Astronaut: Das sind mögliche Kandidaten
Für Harris könnte der Herkunftsstaat ihres oder ihrer Vize relevant sein. Wagner erklärt: "Als sehr aussichtsreich gelten Josh Shapiro, Gouverneur von Pennsylvania, und Mark Kelly, Senator aus Arizona." Beide kämen aus eng umkämpften "Swing States" und seien erfolgreich darin, auch mittige Wähler und Wählerinnen anzusprechen.
Was ist ein "Swing State"?
- Unter einem "Swing State" versteht man im Zusammenhang mit der US-Wahl einen Bundesstaat, in dem sowohl die Republikaner als auch die Demokraten Chancen auf den Wahlsieg haben. Es gibt also keine wirkliche Stammwählerschaft für eine der beiden großen Parteien.
Josh Shapiro ist seit 2023 Gouverneur von Pennsylvania, zuvor war er Generalstaatsanwalt des Bundesstaates. Der 51-Jährige ist also recht neu auf der nationalen politischen Bühne – aber nah an Harris' eigenem Karriereweg. Sie war Bezirksstaatsanwältin von San Francisco und Attorney General – also so etwas wie die Generalstaatsanwältin und Justizministerin von Kalifornien.
Anders sieht das bei Mark Kelly aus. Der 60-jährige Senator aus Arizona war früher einmal Astronaut und hat bereits zweimal den Senatssitz in seinem Bundesstaat gewonnen – ein Erfolg für die Demokraten, denn wie Pennsylvania ist auch Arizona einer der umkämpften und wahlentscheidenden "Swing States". Und Arizona ist ein Grenzstaat: "Das heißt, Kelly kann auch mit Autorität über die Grenzsituation und Einwanderungsthematik sprechen und hier möglicherweise Kritik an Kamala Harris entkräften", führt Wagner aus.
Auch der Name der Gouverneurin von Michigan fällt in der öffentlichen Debatte immer wieder. Wagner sieht Gretchen Whitmer aber eher in der Zukunft im Weißen Haus – noch nicht jetzt.
Gehandelt wird auch Andy Beshear, der Gouverneur von Kentucky. Der 46-Jährige war ebenfalls Generalstaatsanwalt. 2023 wurde er in dem konservativ geprägten Bundesstaat als Gouverneur wiedergewählt und soll eine überparteiliche Anziehungskraft haben.
Der Gouverneur von North Carolina, Roy Cooper, wird laut der Expertin ebenfalls immer wieder ins Spiel gebracht. Nach einer möglichen Ernennung könnte aber Kritik laut werden, weil er bereits 67 Jahre alt ist: "Das Thema Alter hat ja eine enorm große Rolle bisher gespielt", sagt Wagner.
Shapiro, Cooper, Beshear und Kelly werden laut Wagner von Wählerinnen und Wählern ideologisch weitaus moderater verortet als ihre Demokratische Partei – und ihre Zustimmungswerte lägen deutlich über denen von Joe Biden. "Laut Umfragen haben Beshear, Cooper und Shapiro das größte Potenzial, moderate und Wechselwähler zu erreichen", sagt sie.
Persönliche Faktoren können entscheidend sein
Letztlich dürfte entscheidend sein, welche Vorstellungen Kamala Harris von der Zusammenarbeit und Arbeitsteilung mit ihrem möglichen Vize hat. Auch darf laut Wagner der persönliche Faktor, wie gut sich Harris mit den potenziellen "Running Mates" versteht, nicht unterschätzt werden.
Machtpolitik dürfte zudem eine Rolle spielen – etwa die Frage, was passieren würde, wenn einer der Kandidaten einen ansonsten eher konservativen Bundesstaat verlassen würde. Die inhaltliche Ausrichtung der Kandidaten dürfte aus Sicht der Expertin ebenfalls durchleuchtet werden. Gerade jüngere Demokraten und Gewerkschaften würden hier einen speziellen Fokus auf die Nahost-Politik legen.
Kamala Harris hätte also einige Kandidaten zur Auswahl, sollte sie nominiert werden. Der Politikwissenschaftler Thomas Greven von der Freien Universität Berlin geht davon aus, dass Harris ihrem Gegner Donald Trump den Wahlkampf erschweren könnte, wenn sie die Reihen hinter sich schnell schließt. In einem früheren Gespräch mit unserer Redaktion erklärte er, dass sich Harris für einen jüngeren weißen Mann aus dem Süden oder dem Mittleren Westen mit Regierungserfahrung entscheiden könnte.
Über die Gesprächspartnerin
- Sarah Wagner ist Politikwissenschaftlerin an der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz. Ihre Forschungsschwerpunkte sind amerikanische Innenpolitik, vor allem die Demokratische Partei, zivil-militärische Beziehungen und die transatlantischen Beziehungen.
Verwendete Quellen
- Anfrage bei Sarah Wagner
- Material der dpa
Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels wurde in einer Bildunterschrift fälschlicherweise behauptet, Mark Kelly sei Gouverneur von Arizona. Das ist nicht korrekt, er ist Senator aus dem Bundesstaat.
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