Die Republikaner haben bei den Kongresswahlen in den USA die Mehrheit im Repräsentantenhaus verloren - ein Erfolg für die Demokraten und ein Denkzettel für Donald Trump. Doch zwei USA-Experten sind sich einig: Grundlegend verändern wird das Ergebnis die US-Politik nicht. Vielmehr wird der Präsident die neue Situation geschickt für sich zu nutzen wissen.

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Nancy Pelosi von den Demokraten, die designierte Vorsitzende des Repräsentantenhauses, hat in einer ersten Stellungnahme zur Kongresswahl für Einigkeit geworben und gesagt, sie habe genug von der Spaltung des Landes. Ist tatsächlich mit einer besseren Zusammenarbeit zwischen Demokraten und Republikanern zu rechnen oder wird es nicht vielmehr darauf hinauslaufen, dass die Demokraten Trump jetzt, wo sie die Möglichkeit dazu haben, piesacken, wo es geht?

Christian Lammert: Die Demokraten haben sich im Wahlkampf lange darauf konzentriert, gegen Trump zu sein. Sie haben angekündigt, einen Untersuchungsausschuss nach dem anderen einzusetzen. Das Wahlergebnis ist aus Sicht der Demokraten aber nicht so gut wie erhofft. Sie realisieren, dass sie mit ihrer Strategie danebenlagen. Pelosis Aussage ist für mich ein Versuch, auf einen kooperativeren Kurs umzuschwenken. Das ist auch deshalb nötig, weil sehr viel moderate, fast schon konservative Demokraten ins Repräsentantenhaus gewählt worden sind. Die Fraktion ist etwas in die Mitte gerückt. Das macht es schwieriger, strikt progressive Politik durchzusetzen.

Josef Braml: Nancy Pelosi muss erst einmal zusehen, dass sie ihre eigene Partei zusammenhält und nicht den innerparteilichen Machtkampf verliert.

Die Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus ist dünn - und die Partei nicht geschlossen.

Lammert: Die Spaltung in zwei Flügel, wie wir sie im Präsidentschaftswahlkampf 2016 gesehen haben, ist noch nicht überwunden. Die Anhänger von Bernie Sanders und Elisabeth Warren auf der einen Seite, die von Hillary Clinton auf der anderen Seite - das ist ein großes Problem für die Partei. Um bei der Präsidentschaftswahl 2020 Erfolg haben zu können, muss sich die Partei hinter einem Kandidaten versammeln.

Braml: Sie haben auf der einen Seite die Freihandelsorientierten und auf der anderen Seite die Befürworter des Protektionismus. Auf den Wunderknaben oder die Wunderdame, die diese Flügel vereint, warten wir noch.

Die Demokraten können jetzt Gesetzesinitiativen der Republikaner blockieren. Aber haben sie auch die Macht, eine eigene Agenda voranzutreiben?

Braml: Mit einem Strick kann man zwar etwas zurückhalten – aber nichts anschieben: Zwar können die Demokraten das eine oder andere Projekt Trumps, etwa den Mauerbau an der Grenze zu Mexiko, verhindern. Jedoch haben sie keine Mittel, ihrerseits Gesetzesvorlagen durch den Kongress zu bringen, weil diese vom Senat blockiert würden.

Lammert: Wenn die Demokraten etwas umsetzen wollen, sind sie also auf die Kooperation der Republikaner angewiesen. Die Frage ist, ob es den Demokraten gelingen wird, Politikbereiche zu finden, in denen überparteilicher Konsens möglich ist.

Welche könnten das sein?

Lammert: Trump hat zum Beispiel schon laut über eine Zusammenarbeit in der Infrastrukturpolitik nachgedacht. Straßen sind marode, Brücken stürzen ein, Flughäfen sind veraltet - da muss viel gemacht werden. Schwieriger wird es sicher bei der längst überfälligen Reform der Einwanderungsgesetze oder der Umweltpolitik. Auch außenpolitisch wird sich nicht viel ändern.

Trump hat also nicht allzu viel zu befürchten?

Lammert: Zumindest werden die Demokraten wohl mehrere Untersuchungsausschüsse einsetzen, zu Trumps Rolle in der Russland-Affäre etwa und zu den Wirtschaftsbeziehungen seines Privatimperiums ins Ausland und der Frage, ob es da Befangenheiten gibt. Und sie sagen: "Wir wollen endlich Trumps Steuererklärung sehen."

Ist ein Amtsenthebungsverfahren Thema?

Braml: Trump und die Republikaner haben aus gutem Grund das für sie wichtigere Bollwerk der Senatsmehrheit verteidigt: Falls die Sonderermittlungen Robert Muellers in der Russland-Causa auch den Präsidenten persönlich belasten sollten, könnte die neue demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus zwar ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump einläuten. Aber mangels einer Zwei-Drittel-Mehrheit im dafür entscheidenden Senat würde das Impeachment abgewendet werden können.

Lammert: Man muss auch immer im Kopf haben: Noch nie war ein Impeachment erfolgreich. Bill Clinton wurde durch das Verfahren sogar populärer. Trump stärken wollen die Demokraten natürlich auf keinen Fall.

Was erwarten Sie, wie Trump mit der neuen Situation umgeht?

Lammert: Das Problem bei Trump ist: Er ist unberechenbar. Prognosen sind deshalb wirklich schwierig. Ich gehe aber davon aus, dass er mit Blick auf die Wahlen 2020 eine Mischstrategie fahren wird: Er wird weiter herumholzen, um seine Basis zu mobilisieren. Er wird aber auch versuchen, in einigen Bereichen mit den Demokraten zu kooperieren, um Dinge umzusetzen, die er dann im Wahlkampf für sich beanspruchen kann, Stichwort Infrastruktur.

Braml: Ja, er wird die neue Lage für sich zu nutzen wissen: Ein kreditfinanziertes Infrastrukturprogramm ist nach der Steuerreform sein zweites großes wirtschaftspolitisches Ziel. Mit der Unterstützung staatskritischer Republikaner kann er da nicht rechnen. Gewerkschaftsnahe Demokraten hingegen sind durchaus bereit, mit dem Präsidenten zu stimmen, wenn es um Ausgaben geht, die den Wählern ihrer Wahlkreise und Einzelstaaten zugutekommen.

Der Politikwissenschaftler Professor Christian Lammert lehrt und forscht am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin. Schwerpunkt seiner Arbeit sind die politischen Systeme Nordamerikas.
Der Politologe Dr. Josef Braml ist Senior Fellow des Programms USA/Transatlantische Beziehungen der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und Autor des Buches "Trumps Amerika - Auf Kosten der Freiheit". Er bloggt unter usaexperte.com.

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Christian Lammert
  • Interview mit Josef Braml
  • dpa
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