Für die deutsche Politik stellt sich die Frage, welche Auswirkungen ein Wahlsieg Donald Trumps haben könnte. Auch in der Bevölkerung hat sich Sorge breit gemacht.
Es ist ein Schreckensszenario, mit dem sich das politische Berlin derzeit beschäftigt: Ein entfesselter US-Präsident
"Sollte Donald Trump noch einmal zum Präsidenten gewählt werden, würden sich schräge und gefährliche Alleingänge und unnötige Konflikte, wie wir sie in seiner ersten Amtszeit erlebt haben, vermutlich noch verschärfen", warnt die Grünen-Sicherheitsexpertin Agnieszka Brugger gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.
Einem möglichen Wahlsieg Trumps sieht die Grünen-Fraktionsvizechefin mit Bangen entgegen: "Die unverantwortlichen Aussagen rund um Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine und auch insbesondere sein unterwürfiges Verhalten Putin gegenüber lösen zu Recht große Sorgen aus", sagt Brugger.
Trumps Drohungen stellen Gewissheiten infrage
In der Tat sind die USA viel zu wichtig, als dass Deutschland den Ausgang der Wahl zwischen Donald Trump und Kamala Harris ignorieren könnte. Schließlich sind die USA als Führungsmacht der Nato der Garant für die Sicherheit Deutschlands und Europas. Die USA und Europa machen gemeinsam einen Großteil des Westens aus, einer Wertegemeinschaft, die auf gemeinsamen Vorstellungen von Demokratie und regelbasierten Weltordnung beruht. Zudem sind die USA der größte Abnehmer deutscher Exporte.
Trumps Drohungen mit einem Rückzug aus der Nato und Strafzöllen auf alle Importe stellen diese Gewissheiten infrage. Ein Wahlsieg Trumps könnte also deutsche Kerninteressen – Wohlstand und Sicherheit – beeinträchtigen.
Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt, ein versierter USA-Kenner, empfiehlt dennoch, einen kühlen Kopf zu bewahren. Auf die Frage, ob Deutschland Angst vor einem Sieg Trumps haben müsse, sagt der Abgeordnete zu AFP: "Vor den USA müssen unter egal welchem Präsidenten nur Feinde der Freiheit Angst haben." Aber auch Hardt erwartet unter einem Präsidenten Trump eine "disruptivere Außen- und Sicherheitspolitik".
Der Begriff "disruptiv" beschreibt diplomatisch zurückhaltend die Zerstörung von Althergebrachtem. Außenexperte Hardt erinnert daran, dass Trump in seiner ersten Amtszeit mit dem Abzug der US-Soldaten aus Deutschland drohte – eine solche Drohung könnte wieder auf den Tisch kommen. Momentan hat die US-Armee 35.000 Leute in Deutschland stationiert. Viele Europäer schätzen die Sicherheit, die von dieser Präsenz ausgeht.
CDU-Außenpolitiker: Deutschland bietet Trump-Lager unnötige Angriffsfläche
Hardt kritisiert auch, dass Deutschland dem Trump-Lager in den USA unnötige Angriffsfläche biete, weil es bei der gemeinsamen Verteidigung zu wenig Lasten übernehme: "Trumps Rhetorik gegen die Bundesregierung teile ich nicht – sie macht sich aber an Fakten fest", räumt der CDU-Politiker ein.
Sorge vor Trump hat sich auch in der deutschen Bevölkerung breit gemacht. Im jüngsten ZDF-"Politbarometer" äußerten 83 Prozent der Befragten die Befürchtung, ein Sieg von Trump wäre eher schlecht für Deutschland. Nur sieben Prozent sähen darin einen Vorteil.
Auch einer erklärten Nato-Kritikerin wie der Abgeordneten Sevim Dagdelen von der Wagenknecht-Partei BSW bereitet das Phänomen Trump Sorge. "Trump schürt auf üble Weise Ressentiments und ist politisch im Grunde nicht berechenbar", sagt Dagdelen AFP. "Die zunehmende Tendenz, den politischen Gegner vernichten zu wollen, muss uns insgesamt besorgen."
Hardt rät: Positiv denken – auch im Falle eines Wahlsieges von Trump
Viele Parteigänger Trumps gibt es in Deutschland also nicht. Im Bundestag sind sie nur in der Fraktion der AfD zu finden. Ein Sieg Trumps wäre "absolut begrüßenswert", sagt deren außenpolitischer Sprecher, Matthias Moosdorf, zur AFP. "Der Wahlsieg von Trump wird viele Verwirrungen richtigstellen und nichts weniger als die Welt wieder ein wenig vom Kopf auf die Füße stellen."
Moosdorf bedient sich uneingeschränkt des Vokabulars des Trumpismus: Er spricht von "Gender-Irrsinn", "wokem Unsinn" und einer "Pervertierung" der Werte des Westens. Trump würde mit alledem Schluss machen, hofft der AfD-Abgeordnete.
Was tun, wenn Trump am Dienstag gewinnt? CDU-Experte Hardt rät dazu, in einem solchen Fall "positiv" zu reagieren und gemeinsame Interessen auszuloten anhand der Frage: "Wo geht mehr für beide Seiten?" Die USA würden letztlich "unabhängig vom Wahlausgang wichtigster Verbündeter bleiben", glaubt Hardt. (AFP/bearbeitet von tas)
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