Beim ersten TV-Duell im diesjährigen US-Wahlkampf trug Hillary Clinton am Rücken ein Mikrofon. So weit, so harmlos. Für das Lager ihres Kontrahenten Donald Trump war es aber etwas ganz anderes – nämlich ein Einflüsterer. Es ist nicht die erste Verschwörungstheorie um Clinton.

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"There's something going on!" - "Irgendwas stimmt da nicht!", sagt Donald Trump gerne, wenn er über seine Konkurrentin spricht. Der republikanische Präsidentschaftskandidat greift gerne Gerüchte über Hillary Clinton auf, die von seinen Anhängern bereitwillig weiterverbreitet werden.

Es sind Vermutungen und Anschuldigungen, die von einer inhaltlichen Auseinandersetzung weit entfernt sind - und fast immer ohne belastbare Beweise auskommen. Wir zeigen drei Beispiele.

1. Gibt es eine Doppelgängerin?

Wer bei Twitter die Wörter "Clinton" und "Double" eingibt, der findet schnell Tweets mit angeblichen Beweisen. Hillary Clinton hatte vor einigen Wochen die Gedenkfeier zum 11. September in New York wegen eines Schwächeanfalls früher verlassen und sich in die Wohnung ihrer Tochter Chelsea zurückgezogen.

Die Frau, die kurz darauf das Appartement verließ, sei aber gar nicht die Präsidentschaftskandidatin gewesen, sondern eine Doppelgängerin, hieß es daraufhin in einigen Blogs. Eine Gegenüberstellung von Bildern soll die These belegen: Die Haut der Frau, die aus dem Haus kam, soll etwas glatter erscheinen. Das blaue Sakko soll zu groß am Körper hängen.

Auch eine Theorie, wer Clinton angeblich gedoubelt habe, geistert durch das Netz. Es soll sich um die Schauspielerin und Clinton-Imitatorin Teresa Lilly Barnwell handeln.

Wer sich die vermeintlichen Beweise anschaut, dem kommen allerdings schnell Zweifel. Die Bilder sind aus unterschiedlichen Perspektiven an verschiedenen Orten aufgenommen. Die vermeintlichen Unterschiede erscheinen marginal. Falten treten bei wechselnden Lichtverhältnissen unterschiedlich stark zu Tage. Der Sitz der Kleidung hängt auch von der Körperhaltung ab.

Und auch die vermeintliche Doppelgängerin hat inzwischen dementiert. Sie sei den ganzen Tag in Los Angeles gewesen, schrieb die Schauspielerin auf Twitter.

2. Wird Clinton ständig von einem Arzt begleitet?

Er hypnotisiere die Präsidentschaftskandidatin und halte ständig eine Spritze gegen Panik-Attacken bereit - das Gerücht vom mysteriösen Begleiter fußt auf Bildern eines Mannes in Clintons Gefolgschaft.

Ein korpulenter dunkelhäutiger Mann ist auf Fotos im Netz zu sehen, der angeblich anders gekleidet ist, als es für einen Personenschützer üblich ist. Doch nicht nur die legere Kleidung werten einige Blogger als Beweis für den heimlichen Leibarzt.

Auf einem Foto, das im Netz kursiert, steht der Mann neben Clinton und hält einen kleinen stabförmigen Gegenstand in der Hand, der in der extremen Vergrößerung nur unscharf zu erkennen ist. Es handle sich um eine Diazepam-Spritze gegen Panik-Attacken, behaupten selbsternannte Experten.

Warum der vermeintliche Arzt diese sichtbar mit sich herumtragen sollte, erklären sie nicht. Zu sehen sei eine kleine Taschenlampe, erklärt das Clinton-Umfeld.

3. Ist Hillary Clinton schwer krank?

Ein weiteres Foto zeigt eine Kandidatin, die gesundheitlich so angeschlagen erscheint, dass sie von mehreren Begleitern gestützt werden muss, um die Treppe zu einer Veranda hinaufzugehen. Auf Trump-freundlichen Websites gilt es bis heute als Beweis für die gesundheitliche Schwäche der Kandidatin.

Doch der Eindruck täuscht mit großer Wahrscheinlichkeit. Das Bild, das unter anderem die Agentur Reuters verbreitet, zeigt offenbar nur eine Momentaufnahme: Clinton wird von ihren Begleitern gestützt, nachdem sie kurz ausgerutscht ist.

Um Clintons Gesundheitszustand ranken sich schon seit Jahren viele Spekulationen. Mal ist es Epilepsie, mal ein Hirntumor: Zu diversen schweren Krankheiten finden sich im Internet Ferndiagnosen, die oft auf einzelnen Aufnahmen beruhen.

Aus einem Fleck auf Clintons Zunge kann so Zungenkrebs werden. In einem überdrehten Kopfschütteln in einem Muffin-Laden werden Symptome eines epileptischen Anfalls gesehen.

Clinton habe lediglich auf die Lautstärke in dem Laden reagiert, heißt es dazu aus ihrem Team. Wer sich das sehr kurze Video einmal genau ansieht, findet wenig Gründe, an dieser Erklärung zu zweifeln. Aufschlussreich sind auch die Reaktionen der Begleiter Clintons: Niemand scheint in irgendeiner Form besorgt über den Vorfall zu sein.

Was bewirken die Gerüchte?

Viele Gerüchte um Hillary Clinton haben eines gemeinsam: Sie kommen nicht aus seriösen Quellen. Die vermeintlichen Beweise sind oft gewagte Interpretationen von verschwommenen Bildern, die auch etwas ganz anderes zeigen könnten oder deren Bildunterschriften später als unwahr entlarvt werden. Die Frage ist, warum sich diese Gerüchte immer weiter verbreiten.

Eine Antwort könnte sein, dass sich die USA in einem "postfaktischen Wahlkampf" befinden. Diesen Begriff hat der Publizist und Ökonom Paul Krugman bereits für die Auseinandersetzung im Wahljahr 2012 verwendet und damit eine Debatte beschrieben, in der die Kandidaten behaupten dürfen, was sie wollen.

Für die Wähler sei laut Krugman der tatsächliche Wahrheitsgehalt zunehmend egal. Entscheidend sei nur, welcher Kandidat sich verbal als der Stärkere von beiden erweist - und wem es gelingt, sich in den Medien als der Überlegenere zu inszenieren.

Hinzu kommt, dass auch das offensichtlichste Gerücht Spuren hinterlässt. Seit 2011 hat Trump mehrmals behauptet, Präsident Obama sei ein Muslim, der nicht in den USA geboren sei. Obwohl der Präsident inzwischen seine Geburtsurkunde (Geburtsort: Honolulu, Hawaii) und seine Religionszugehörigkeit (christlich) veröffentlichte, geistert das Gerücht bis heute umher.

Mit den Gerüchten über Hillary Clinton könnte es sich ähnlich verhalten: Irgendetwas bleibt immer hängen. Das könnte Donald Trump nur recht sein.


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