Bei der Wahlarena zur Landtagswahl in Brandenburg gerieten AfD-Spitzenkandidat Andreas Kalbitz und Kathrin Dannenberg (Linke) wegen der Flüchtlingspolitik aneinander. Ministerpräsident Dietmar Woidke lieferte einen blassen Auftritt ab. Und CDU-Herausforderer Ingo Senftleben schloss eine Koalition mit der AfD kategorisch aus.

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Am 1. September wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. In Potsdam regiert seit 2009 eine rot-rote Koalition, Ministerpräsident Dietmar Woidke steht seit 2013 an der Spitze des Bundeslandes.

Bei der Wahlarena des Rundfunks Berlin Brandenburg trafen die Spitzenkandidaten der Parteien aufeinander, die bei der Wahl voraussichtlich die Fünf-Prozent-Marke übertreffen werden. Das Format war vor allem auf Fragen des Studiopublikums und Reaktionen in den sozialen Netzwerken zugeschnitten.

Was ist die Ausgangslage?

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey liegt aktuell die AfD mit 21 Prozent in Front. Dahinter folgen CDU (18), SPD (17), die Grünen (16) sowie die Linke mit 14 Prozent. Die FDP kann sich mit derzeit fünf Prozent Hoffnung auf den Wiedereinzug in den Potsdamer Landtag machen.

Für eine Fortsetzung von Rot-Rot würde es aktuell nicht reichen, denkbar wäre aber eine rot-rot-grüne Koalition. Mit Spannung erwartet wurden vor allem Aussagen zu möglichen Koalitionen und wie sich die übrigen Spitzenkandidaten zu Brandenburgs AfD-Chef Kalbitz positionieren. Der hatte tags zuvor bei einer Diskussion mit Schülern im Landtag für einen Eklat gesorgt, weil er Greta Thunberg als "mondgesichtiges Mädchen" beschimpfte.

Was sagen die Kandidaten?

Der einzige bundesweit bekannte Politiker in der Wahlarena war neben Kalbitz Ministerpräsident Dietmar Woidke. Woidke blieb insgesamt aber eher blass und bemühte sich elf Tage vor der Wahl offenbar nur darum, keine Angriffsfläche zu bieten und keine Fehler zu machen. In seinen Antworten verlor er sich zu oft in Politikerfloskeln.

Als er von einem Geflüchteten gefragt wurde, was er konkret tun könne, um den Zugang in den Arbeitsmarkt zu erleichtern, lobte Woidke die Leistungen Brandenburgs auf diesem Gebiet – ging auf die Frage aber überhaupt nicht ein.

AfD-Rechtsaußen Andreas Kalbitz sorgte diesmal für keinen großen Eklat. Er erklärte Fridays for Future könne "keine Dauerveranstaltung" sein und sprach sich für Sonderwirtschaftszonen in der Lausitz ein, um den Strukturwandel nach dem geplanten Kohleausstieg zu bewältigen. Die Forderung nach der konsequenten Abschiebung von kriminellen Migranten durfte natürlich nicht fehlen.

Die erhob auch Hans-Peter Goetz. Der FDP-Spitzenkandidat forderte von der Bundesregierung zudem vehement die Einführung eines Einwanderungsgesetzes. CDU-Herausforderer Ingo Senftleben (CDU) schloss eine Regierung mit der AfD nach der Wahl kategorisch aus – wie alle anderen Parteien im Vorfeld übrigens auch.

Ursula Nonnemacher (Grüne) wünschte sich ein modernes weltoffenes Land, in dem Rassismus und Angstschüren keinen Platz haben – ein Seitenhieb auf Kalbitz. Und Kathrin Dannenberg (Linke) sprach sich für die Beitragsfreiheit für alle Kinder in Hort und Kita aus.

Was war das Rededuell des Abends?

Als sich Kalbitz, der als einer der Strippenzieher des rechten "Flügels" in der AfD gilt, zum Grundrecht auf Asyl, dem subsidiären Schutz von Kriegsflüchtlingen und der Fachkräftezuwanderung bekannte, verlor Kathrin Dannenberg die Fassung. "Er verkauft sich hier als Saubermann. Das ist unerhört. Das ist so eine doppelzüngige Politik", schimpfte die Linken-Spitzenkandidatin.

Sie warf Kalbitz vor, in einer Rede von "messerstechenden Flüchtlingen" gesprochen und damit pauschal alle Geflüchteten in einen Topf geworfen zu haben. Kalbitz entgegnete: "Das können sie doch nicht leugnen, das Problem."

Als er dann behauptete, die AfD schüre "überhaupt keine Ängste und Sorgen", brach im Studio höhnisches Gelächter aus. Dannenberg ermahnte Kalbitz schließlich genervt: "Sie reden sich um Kopf und Kragen. Hören Sie auf!" Etwas mehr Pfeffer wie in diesem Dialog hätte der Sendung gut getan.

Was ist das Ergebnis?

Die Wahlarena des RBB war vielleicht gut gedacht, an der Umsetzung haperte es jedoch. Diskussionen wurden vom Moderatoren-Duo mit Verweis auf weitere Themenkomplexe immer wieder abgewürgt. So machen politische Sendungen keinen Spaß!

Wenig professionell wirkten Kameraführung und Regie: Mehrfach huschte jemand durchs Bild und viel zu oft sah man Politiker in der Rückansicht. Das Format hatte aber auch seine Stärken. Gleich zu Beginn stellte eine 17-jährige Schülerin eloquent eine Frage an den Ministerpräsidenten, später fragte ein Flüchtling in sehr gutem Deutsch, warum es an der Integration auf dem Arbeitsmarkt immer noch hapere. Und ganz zum Schluss beschwerte sich eine Schülerin, warum das Thema Bildung in der Sendung fast völlig außen vor gelassen wurde, obwohl Brandenburg im Bildungsmonitor 2019 den vorletzten Platz belegt.

Wer von den Kandidaten am Ende der 90 Minuten den besten Eindruck hinterließ, lässt sich kaum bestimmen. Direkte Dispute waren die Ausnahme. Emotional wurde es nur einmal: Als Kalbitz und Dannenberg über die Flüchtlingsfrage stritten. Weiterer Beleg für die geringe Begeisterungsfähigkeit der Politiker? Am Ende hoben nur eine Handvoll Zuschauer den Arm, die sich durch die Sendung für eine andere Partei entschieden hatten. Das war eine Übertragung, die wenig Lust auf Politik gemacht hat.

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