Beim Sommerinterview mit Linken-Chef Bernd Riexinger präsentierte Interviewer Thomas Walde zum Teil doch recht grob gehauene Frage. Riexinger gab sich gelassen, korrigierte Walde hin und wieder. Aber was ist von seinen Antworten zu halten? Die Aussagen Riexingers im Faktencheck.
Thomas Walde kramte bei seinem Sommerinterview mit Linken-Chef Bernd Riexinger tief in der Klischee-Kiste. So ein Kniff kann manchmal helfen, um bei einem Interview eine Reaktion beim Gegenüber zu provozieren.
Am auffälligsten waren Waldes Klischees, als es um die vermeintliche Voreingenommenheit der Linken gegenüber Russland und um die richtige Wirtschaftsform für Deutschland ging.
Wie ist die Lage von Gefangenen in Russland?
Walde versuchte, der Linken eine einseitige Parteinahme zugunsten Russlands zu unterstellen, zum Beispiel, weil Abgeordnete der Partei gegen einen Entschließungsantrag im europäischen Parlament zur Freilassung von politischen Gefangenen gestimmt haben. In einem Einspieler zeigt das ZDF die Grünen-Abgeordnete Rebecca Harms, die in einer Rede hierzu sagt "Es sind Hunderte, die in russischen Gefängnissen in Straf- und Arbeitslagern im Archipel Gulag von heute verbrannt sind."
Bernd Riexinger erklärt, dass er und seine Partei durchaus auch Kritik an Russland äußern: "Wir akzeptieren nicht, wenn Menschen, die eine andere Position haben als Putin, ins Gefängnis gesteckt werden, wenn Demonstrationen verboten werden oder wenn gegen Homosexuelle vorgegangen wird."
Zuvor sagte Riexinger aber auch: "Was ich jetzt gehört habe - mit Gulag - ist eine Übertreibung." Ist der Vergleich der Situation politischer Gefangener mit dem Gulag wirklich eine Übertreibung? Wie sieht die Lage in Russland aus?
Einer, der Harms Vergleich zum sowjetischen System aus Straf- und Arbeitslagern, in dem Millionen Menschen inhaftiert waren, teilt, ist Pjotr Kurjanow von der russischen Stiftung Verteidigung der Rechte von Gefangenen. In einem Beitrag der "Deutschen Welle" über das Gefängnissystem in Russland sagt Kurjanow: "Russland hat sich nicht weit vom Gulag entfernt."
Über die Gefängnisse in Russland heißt es in dem "DW"-Beitrag, dass jeder Vierte der rund 143 Millionen russischen Bürger – vor allem Männer – schon einmal vor Gericht, im Gefängnis oder in einem Straflager war oder anderweitig für Verbrechen bestraft wurde. In der Liste der Länder mit den meisten Gefangenen (Stand Februar 2017) belegt laut dem Bericht Russland mit etwa 630.000 Gefangenen hinter den USA und China Rang drei.
In Bezug auf die Situation in den Gefängnissen selbst stellt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in ihrem "Report 2016/17 zur weltweiten Lage der Menschenrechte" zahlreiche Menschenrechtsverletzungen in Russland fest.
So ist in dem Report bezüglich Folter und anderen Misshandlungen in russischen Gefängnissen zu lesen: "Auch 2016 waren systematische Folter und andere Misshandlungen in den ersten Tagen der Haft und in Gefängniskolonien weit verbreitet."
Gleichzeitig berichtet der Report, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2016 in zwölf Fällen zu dem Schluss kam, "dass die Verweigerung einer angemessenen medizinischen Versorgung für Gefangene in russischen Gefängnissen und Untersuchungshaftzentren Folter und anderweitiger Misshandlung gleichkam."
Schreibt das Grundgesetz eine Wirtschaftsordnung vor?
Die Bundesrepublik Deutschland und die Soziale Marktwirtschaft – das scheint schon immer zusammengehört zu haben. Thomas Walde konfrontiert Linken-Chef Riexinger mit dem Wunsch der Partei nach Verstaatlichung von Schlüsselindustrien wie der Telekommunikation, den Banken oder von Grund- und Boden.
Dazu fragt Walde: "Wenn sie die freiheitliche Grundordnung in Deutschland verteidigen wollen, müssten sie dann nicht erst recht die soziale Marktwirtschaft verteidigen?" Die Antwort von Bernd Riexinger auf diese Frage ist eindeutig: "Das Grundgesetz schreibt ja keine Eigentumsformen oder Wirtschaftsformen vor, sondern lässt offen, wie die Wirtschaftsform aussieht."
Ist das wirklich so? Schreibt das Grundgesetz wirklich keine Wirtschaftsform vor? In der Tat gibt es im Grundgesetz keine Passage, die sich zugunsten eines bestimmten Wirtschaftssystems äußert. Dennoch trifft auch das Grundgesetz einige für die Wirtschaftsform relevanten Aussagen, wie auch der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts in einem Beitrag für die Zeitschrift "Aus Politik und Zeitgeschichte" der Bundeszentrale für politische Bildung erklärt.
Dort heißt es: "Das Grundgesetz zeichnet sich einerseits durch seine grundsätzliche wirtschaftspolitische Neutralität, andererseits jedoch auch durch eine Reihe relevanter wirtschaftsverfassungsrechtlicher Grundaussagen aus, die - insbesondere im Bereich grundrechtlicher Bindungen - den gesetzgeberischen Spielraum durchaus nicht unerheblich einschränken. Gleichzeitig verzichtet das Grundgesetz aber auf jede ausdrückliche wirtschaftspolitische Programmatik."
Diese "wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundaussagen", die Papier meint, sind ihm zufolge zum Beispiel die Garantie des Privateigentums nach Artikel 14, die Berufs- und damit auch die Gewerbe- und Unternehmerfreiheit nach Artikel 12 oder das Recht der Gründung von Handelsgesellschaften.
Zusammenfassend stellt Papier fest, dass das Grundgesetz sich zwar nicht auf ein Wirtschaftssystem festlegt, "implizit hat sich das Grundgesetz aber zugunsten von Delegation und Dezentralisation der Wirtschaftsplanung, also für die verkehrswirtschaftliche Koordinierung der Volkswirtschaft entschieden."
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.