In der Schweiz sind ab dem 1. September 2024 einige beliebte Gartenpflanzen verboten. Der Ausbreitung invasiver Arten wie Kirschlorbeer und Sommerflieder will der Bundesrat damit entgegensteuern. Ein deutscher Vegetationsökologe sieht das Vorhaben kritisch und "auf verlorenem Posten".

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Die Liste der Pflanzen, die in der Schweiz nicht mehr auf dem Markt landen dürfen, wird länger. Ab dem 1. September stehen weitere invasive gebietsfremde Arten darauf. Zuvor hatte der Schweizer Bundesrat eine Anpassung der sogenannten Freisetzungsverordnung beschlossen.

Blauglockenbaum
Sieht schön aus, breitet sich allerdings sehr schnell aus: der Blauglockenbaum. © IMAGO/Zoonar/Peter Himmelhuber

Neu auf dieser Liste stehen beliebte Gartenpflanzen wie Kirschlorbeer, Sommerflieder oder der Blauglockenbaum. Diese und andere aufgezählte Arten könnten "ökologische, ökonomische und gesundheitliche Schäden verursachen", heißt es in einer Mitteilung des Bundesrats. Deshalb dürfen sie nicht mehr verkauft, verschenkt oder importiert werden. Stehen betroffene Pflanzen bereits im Garten, sind sie vom Verbot nicht betroffen.

Regelungen in der Schweiz schärfer als in der EU

Kirschlorbeer
Kirschlorbeer, auch Lorbeerkirsche genannt, dient Gärten als Sichtschutz in Form einer Heckenpflanze. © IMAGO/Gottfried Czepluch

Anders als in der Schweiz sieht es unter anderem in Deutschland und anderen EU-Ländern aus, die sich nach einer Unionsliste richten. Gewächse, die dort aufgeführt sind, dürfen weder in die EU gebracht, noch dort gezüchtet, gehandelt oder in die Umwelt freigesetzt werden. Auf der Unionsliste stehen zwar invasive Pflanzen wie der Götterbaum oder der Riesenbärenklau, Kirschlorbeer und andere – wie es in der Schweiz bald der Fall ist – allerdings bislang nicht.

"Zusammenfassend kann man sagen, dass die Schweiz das einen Tick schärfer regelt als die EU", erklärt der Landschaftsarchitekt und Vegetationsökologe Norbert Kühn im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Schweizer seien "immer schon Vorreiter" gewesen. "Wie mit fremdländischen Arten im Klimawandel umgegangen wird, wird in der Schweiz sehr kritisch hinterfragt."

Vegetationsökologe sieht strengeres Verbot in der Schweiz kritisch

Die Anpassungen der Verordnung sollen verhindern, "dass zusätzliche invasive gebietsfremde Pflanzen in die Umwelt gelangen und sich dort weiter ausbreiten", begründet der Schweizer Bundesrat seine Entscheidung. Kühn sieht das jedoch kritisch, wie er im Gespräch mit unserer Redaktion deutlich macht. Zwar sei es sinnvoll, Invasionsvorgänge zu verlangsamen – dort, wo sich noch gut eingreifen lasse. Aber es werde sich nicht vermeiden lassen, dass diese Invasionen passieren. "Nehmen wir als Beispiel den Kirschlorbeer: Ich war in der Schweiz wandern und habe auf etwa 1.200 Meter Höhe Kirschlorbeer gesehen, mitten im Wald. Die Pflanze hat sich bereits verbreitet", berichtet er.

"Wir haben das Problem selbst verursacht und werden es auch nicht mehr loswerden. Wenn wir dagegen kämpfen wollen, sind wir auf einem verlorenen Posten."

Norbert Kühn, Landschaftsarchitekt und Vegetationsökologe

Kühn, der Leiter des Fachgebietes Vegetationstechnik und Pflanzenverwendung an der Technischen Universität Berlin ist, sagt: "Ein Verbot nutzt meiner Meinung nach nichts mehr. Es ist auch fragwürdig." Ein Argument für solche Verbote ist laut Kuhn immer, dass invasive Pflanzen die Biodiversität verändern. "Tatsächlich ist es aber so, dass die größten Treiber des Biodiversitätsverlustes nicht die invasiven Arten sind, sondern die Zerstörung der Landschaft", gibt der Vegetationsökologe zu bedenken. Intensivierung von Forst- und Landwirtschaft sowie Versiegelung und Bau von Infrastruktur führe zu massiven Habitat-Verlusten.

"Das sind die Bereiche, die zu über 80 Prozent am Biodiversitätsverlust beteiligt sind. Die invasiven Arten machen fünf Prozent", sagt Kühn. "Man lenkt hier den Blick auf etwas, das im Vergleich zu den anderen Ursachen ein relativ geringes Problem darstellt."

Außerdem weist Kühn darauf hin, dass die Verbreitung invasiver Pflanzen eine Folge davon ist, wie der Mensch mit der Umwelt umgeht. Durch die Globalisierung und den Klimawandel sowie den Umgang mit der Natur hätten sich invasive Pflanzen erst ausbreiten können. "Wir haben das Problem selbst verursacht und werden es auch nicht mehr loswerden. Wenn wir dagegen kämpfen wollen, sind wir auf einem verlorenen Posten", resümiert Kühn. Auch würden die strikteren Verbote in der Schweiz einen größeren finanziellen und administrativen Aufwand mit sich bringen, bemängelt er.

Invasive Arten und ihr schlechter Ruf

Während die Schweiz schärfer gegen gebietsfremde Arten vorgehen möchte, haben sich manche Neophyten schon längst in Europa ausgebreitet. Und das nicht erst seit ein paar Jahren. In Europa seien Menschen und Tiere immer schon durchgezogen, erzählt Norbert Kühn. "Deshalb ist unsere Flora viel resistenter. Ich kenne kein einziges Beispiel, wo eine heimische Pflanzenart durch einen Neophyten ausgerottet worden wäre."

Neophyten

  • Pflanzen, die in Gebiete eingeführt wurden, in denen sie ursprünglich nicht vorkommen, gibt es schon lange. Wurden sie nach 1492 eingeführt – dem Jahr, in dem Christopher Kolumbus Amerika entdeckte -, nennt man sie Neophyten. Ein Teil von ihnen wurde beabsichtigt eingeschleppt, etwa als Zierpflanzen, ein anderer Teil unbeabsichtigt, etwa unbemerkt als Samen im Saatgut.

Wird den Neophyten also Unrecht getan und sie sind gar nicht schädlich für unsere Umwelt, wie oft behauptet? Da muss man unterscheiden. "Zehn Prozent aller Pflanzen, die hierher gebracht werden, können Fuß fassen. Das sind die Neophyten. Von den Neophyten sind es wieder zehn Prozent, die man als invasiv bezeichnen kann, das heißt, sie dringen aggressiv in andere Bereiche vor", erklärt der Vegetationsökologe. Die Probleme, die sie verursachen, sind verschieden. "Manche treten als neues Unkraut auf, andere haben ein erhöhtes Allergiepotential", so Kühn.

"Aber solche Eigenschaften haben manche heimischen Pflanzen auch", meint er und macht auf ein Problem aufmerksam: Populismus in der Biologie und in der Wissenschaft. "Eine Studie hat kürzlich erst gezeigt, dass Wissenschaftler dazu tendieren, fremdländischen Pflanzen eher schlechte Eigenschaften beizumessen als heimischen Pflanzen", sagt Kühn.

Koexistenz von heimischen und gebietsfremden Arten als Lösung?

Kühn selbst sieht gebietsfremde Arten sowohl negativ als auch positiv. Auf der einen Seite gibt es zwar das Problem, dass sie invasiv werden könnten. "Auf der anderen Seite steht die Frage: Wenn unsere heimischen Arten nicht mehr funktionieren, welche Pflanzen können uns dann die Ökosystemleistungen erbringen, die wir im Klimawandel benötigen, etwa für Schatten und Verdunstung?" Er empfiehlt deshalb: "Wir sollten im Zusammenhang mit dem Klimawandel auch an neue Arten denken, und dürfen dennoch die heimischen Arten nicht verloren geben, zumindest nicht alle von ihnen."

Indisches Springkraut
Indisches Springkraut an einem Flussufer in Deutschland. © IMAGO/blickwinkel/Steidi

Laut Kühn ist zu erwarten, dass sich viele der Neophyten mit der Zeit in die heimische Flora einnischen. So war es unter anderem beim indischen Springkraut der Fall. Es wachse entlang von Bachrändern, habe andere aber nicht in dem extremen Maße verdrängt, wie man erwartet hätte, erzählt der Experte. Denn mit der Zeit veränderten sich auch für invasive Arten die Konkurrenzbedingungen.

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Alternativen zu gebietsfremden Pflanzen im eigenen Garten

Gewächsen wie Kirschlorbeer sagt die Schweiz nun den Kampf an. Dieses laurophylle Gehölz dringt vom Mittelmeerraum vor und bereitet Probleme, vor allem im Tessin. Laut Kühn sind auch in Deutschland laurophylle Gehölze auf dem Vormarsch, vor allem im Mittelgebirge oder im Alpenbereich. Sie profitieren vom Klimawandel und den milden Wintern. Anstelle von Kirschlorbeer könnten Hobbygärtner deshalb auf andere Pflanzen zurückgreifen. "Es gibt heimische Kirschenarten wie die heimische Traubenkirsche, die man verwenden könnte. Allerdings ist sie nicht immergrün", schlägt Kühn vor.

Auch für Sommerflieder, auch als Schmetterlingsflieder bekannt, gibt es eine Alternativlösung. Kühn erklärt: "Es gibt inzwischen Pflanzen, die steril sind. Das bedeutet, dass diese Sorten keine fruchtbaren Samen ausbilden. Auf diese könnte man zurückgreifen, wenn man Sommerflieder mag."

Bei anderen Büschen und Bäumen können Gartenfreunde ebenfalls auf heimische Varianten setzen und auf gebietsfremde Arten verzichten. Beratung gibt es in Gärtnereien. Informationen bietet außerdem die Website des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu), auf der viele heimische Pflanzen vorgestellt werden.

Zum Gesprächspartner

  • Prof. Dr. Norbert Kühn ist Landschaftsarchitekt und Vegetationsökologe. Seit 2003 ist er Leiter des Fachgebiets Vegetationstechnik und Pflanzgestaltung an der Technischen Universität Berlin. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen die Theorie in der Pflanzenverwendung, Staudenverwendung, Gestaltung Urbaner Natur, Grünflächenmanagement, Grüne Infrastruktur, Pflanzen in historischen Parks und Gärten sowie Pflanzen und Klimawandel.

Verwendete Quellen


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Teaserbild: © IMAGO/Gottfried Czepluch