Sport hat sie ihr Leben lang gemacht. Doch dass sie mit 87 an einer WM teilnimmt, hätte sie nie gedacht. Jetzt ist es so weit – auch dank eines 100 Jahre alten Inders.
Eigentlich wollte Leonide Baum die Kugel nicht mehr in die Hand nehmen. Vor 13 Jahren brach sich die heute 87-Jährige aus Gadebusch im Landkreis Nordwestmecklenburg die Schulter, immer noch befinden sich Schrauben an der Stelle in ihrem Körper.
Doch dann begleitete Baum ihre Tochter Jana Müller-Schmidt im Sommer des vergangenen Jahres zur Leichtathletik-WM der Senioren und Seniorinnen nach Göteborg – und seitdem ist alles anders. "Da war bei den Männern ein 100-Jähriger, der aus Indien kam", erinnert sich Baum. "Und da hat meine Tochter gesagt: He Mama, der ist 100, du bist 87, das ist doch nichts."
Baum bastelte sich ihre eigene Trainingsstätte
Seitdem trainiert Leonide Baum fast jeden Tag. Aber nicht wie andere Sportler auf einer Leichtathletik-Anlage. Weil es in Gadebusch für sie keinen offiziellen Kugelstoß-Ring gibt, musste die pensionierte Lehrerin sich etwas einfallen lassen. Also malte sie auf einem kleinen Feldweg selbst mit Kreide den Abwurfring nach und bastelte sich so ihre eigene Trainingsstätte "in wunderbarer Natur".
Am Donnerstag geht es für Leonide Baum und ihre Tochter nach Florida. Jana Müller-Schmidt peilt dort ihren zehnten WM-Titel an. Auch diesen würde sie wieder ihrem verstorbenen Vater Karl-August Baum widmen, der sie bis kurz vor seinem Tod im April 2023 noch mit Trainingstipps versorgte und früher selbst ein erfolgreicher Leichtathlet war. Die gewonnenen Medaillen liegen wie die Kugel ihres Vaters auf der Grabstätte in Gadebusch.
Leonide Baum hat ihre Passion gefunden

Die Ziele von Leonide Baum, die ihr Leben lang Leichtathletik gemacht hat, sind etwas bescheidener. Sie will sechs Meter weit werfen. Für was das am Ende reicht, werde man sehen, sagt sie. Bei den deutschen Hallen-Meisterschaften in Frankfurt belegte sie neulich Platz zwei. Die 87-Jährige ist also gerüstet für ihren ersten großen Wettkampf als Kugelstoß-Oma.
Und inzwischen hat sie auch richtig Spaß an der Sache. "Ich fühle mich wirklich wunderbar dabei", sagt sie. "Mein ältester Enkel sagt zu mir: 'Oma, wenn du gut sein willst, dann musst du für die Sache brennen.' Und ich denke, ich brenne mittlerweile dafür." (dpa/bearbeitet von ms)