Spiesen-Elversberg - Auch als Spitzenreiter gibt Trainer Horst Steffen seine Pressekonferenz bei der SV Elversberg nur vor einem halben Dutzend Medienvertretern. Vor dem Zweitliga-Hit des Überraschungsteams gegen den FC Schalke 04 am Freitag (18.30 Uhr/Sky) bemühen sich die Saarländer, gelassen mit der plötzlichen öffentlichen Aufmerksamkeit umzugehen. "Vielleicht ist das Unaufgeregte schon unser Erfolgsgeheimnis", sagte Sportvorstand Nils-Ole Book.
Der Begriff von der "Momentaufnahme" wird derzeit etwas überstrapaziert bei der Sportvereinigung 07 aus der 13.000-Einwohner-Gemeinde Spiesen-Elversberg, 15 Kilometer nordöstlich von Saarbrücken. Einerseits genießen alle den Höhenflug, nachdem der Dorfverein erstmals die 2. Liga anführt.
"Wir sind nicht die beste Mannschaft"
Andererseits sagt Book, dass diese Momentaufnahme nicht die Kräfteverhältnisse widerspiegelt: "Wir sind nicht die beste Mannschaft. Wir stehen in einer engen Liga oben, weil wir uns einen guten Flow erarbeitet haben und weil wir fleißig sind." Auch für ihn kommt die Tabellenführung "zu 100 Prozent überraschend".
Horst Steffen sagt: "Es gibt keinen Druck oder Raum für Rechenspiele." Der 55-Jährige freut sich sichtlich, dass er inzwischen oft angesprochen wird, wenn er unterwegs ist - und die Leute anerkennend den Daumen heben: "Ich sehe viele strahlende Menschen. Wir sind total dankbar, dass wir das erleben dürfen."
Vor der Saison galt Elversberg - wie nach dem Aufstieg 2023 - als Abstiegskandidat. Doch mit kluger Transferpolitik, ruhiger Hand sowie viel Fußballverstand und Leidenschaft haben sich die Saarländer ruckzuck im Unterhaus etabliert.
Nach Paul Wanner jetzt Fisnik Asllani im Blickpunkt
In der vergangenen Spielzeit glänzte Bayern-Leihgabe und Toptalent Paul Wanner in Elversberg, ehe er zum 1. FC Heidenheim weiterzog. Derzeit macht Fisnik Asllani auf sich aufmerksam: Der 22-Jährige, von der TSG Hoffenheim ausgeliehen, kann nach 16 Spieltagen zehn Treffer und fünf Vorlagen vorweisen.
Auch solche Erfolgsmeldungen machen bei der SVE niemand verrückt. "Wir legen größten Wert darauf, dass wir auf dem Boden bleiben. Wir leben hier auch nicht im Luxus, sondern versuchen, die bestmöglichen Bedingungen für die Bundesliga zu schaffen", erklärt Book. "Grundlage unseres Erfolgs ist echt Fleiß und Demut und harte Arbeit. Sobald wir diesen Weg einmal verlassen, hätten wir im Profifußball keine Daseinsberechtigung mehr."
Seit der gebürtige Krefelder Steffen, als Trainer nicht immer so erfolgreich wie jetzt in Elversberg, die Saarländer 2018 in der Regionalliga übernommen hat, geht es fast nur aufwärts. "Horst hat eine besondere menschliche Art. Es gibt solche Trainer ganz, ganz wenige im Fußball", sagt Book. "Er schenkt durch seine Art den Jungs Vertrauen, ist ein vernünftiger Ansprechpartner."
"Eine gewisse Wärme, eine gewisse Liebe"
Steffen selbst beschreibt seine Philosophie im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) so: "Natürlich muss der Plan gut sein, müssen die Ideen gut sein, welche Spieler in welchem System funktionieren. Aber eine gewisse Wärme, eine gewisse Liebe zu verbreiten, damit die Jungs frei aufspielen können, gehört dazu." Man wolle sich so früh wie möglich den Klassenerhalt sichern. Zeit, über alles andere nachzudenken, "haben wir vielleicht mal in der Winterpause".
Neben Steffen und Book gilt ein weiterer Mann als entscheidend für den Höhenflug: Frank Holzer, ehemaliger Vereinspräsident und jetzt Aufsichtsratsvorsitzender, aufgewachsen in Elversberg. Mit seinem Arzneimittelhersteller Ursapharm ist der 71-Jährige Hauptsponsor.
Aufstieg würde "nicht am Stadion scheitern"
"Unser Sponsoring sehe ich als Investition in die Firma und generell in den Wirtschaftsstandort Saarland", sagt Holzer im "Kicker"-Sonderheft zu 50 Jahre 2. Bundesliga. Der Ausbau des Stadions an der Kaiserlinde "ohne einen Cent öffentlicher Fördergelder" liege bei rund 30 Millionen Euro. "Die Kosten irgendwann mal wieder einzuspielen, daran wäre unterhalb der zweiten Liga gar nicht zu denken", so Holzer.
Von der Rückrunde an passen 12.500 Fans in die Arena, bis zur Fertigstellung 2026 sollen es 15.500 sein. Nach den Vorgaben der Deutschen Fußball Liga muss das Fassungsvermögen der Stadien der 1. und 2. Liga mindestens 15.000 Zuschauer betragen, in besonders begründeten Fällen kann eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden. "Es würde nicht am Stadion scheitern", sagt Book zum möglichen Aufstieg. Den würde man übrigens - trotz aller Bescheidenheit "auf jeden Fall annehmen". © Deutsche Presse-Agentur
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