Wenn es beim Fußball zwischen Fans und Polizei scheppert, fällen viele Leute schnell ein Urteil zugunsten der Ordnungskräfte. Dabei ist Differenzierung wichtig und Kritik an übertriebenen Polizeieinsätzen ebenso notwendig wie die an Fans.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Mara Pfeiffer (FRÜF) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Wenn die Polizei – wie am letzten Wochenende in Hamburg oder Bochum – im Stadion einen Block stürmt oder am Einlass die Fans einkesselt, lautet die lapidare gesellschaftliche Reaktion häufig, es werde schon Gründe gegeben haben. Fußballfans, so die weitverbreitete Annahme, sind schließlich unbelehrbare, zur Gewalt neigende Chaoten.

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Darüber hinaus scheint bei vielen Leuten hierzulande das Vertrauen in die Polizei als Apparat ungebrochen, obwohl zahlreiche Vorfälle speziell auch der jüngeren Vergangenheit Hinweise geben, dass Polizisten auch bloß Menschen sind – und es unter ihnen genauso gute und schlechte, rechtschaffene und korrupte Personen gibt wie überall sonst.

Fußballfans sind keine homogene Gruppe

Lenkt man den Blick auf die Fans, so bleiben verschiedene Dinge festzuhalten. Vielleicht am wichtigsten ist der Hinweis auf ihre Heterogenität. Fans sind nicht die klar definierte Gruppe, als die sie Leuten außerhalb des Fußballkosmos oftmals wahrnehmen. Neben jenen, für die Fan-Sein Teil von Jugendkultur ist, gibt es ebenso selbstverständlich Menschen, die sich für Fußball und Verein begeistern, Personen allen Alters, welche die Gemeinschaft im Stadion schätzen, Leute, denen es in Logen und VIP-Bereichen um Fußball als Event geht.

Wie in jeder anderen großen gesellschaftlichen Gruppe gibt es natürlich unter Fans solche, die durch problematisches Verhalten auffallen. Und wie bei jeder Großveranstaltung kann es im Stadion zu Problemen kommen, gerade, wenn Leute emotionalisiert und alkoholisiert in Streit geraten. Ein Unterschied zwischen Fußball und anderen Events mit vielen Menschen ist dabei, welcher Fokus auf dem Fußball liegt. Ein anderer, wie akzeptiert Gewalt gegen Fans ist.

Vergleiche mit anderen Großveranstaltungen ziehen

Angenommen, in einem Wiesn-Festzelt mit einer Kapazität von 1.500 Leuten, was etwa dem Auswärtsstehblock bei St. Pauli entspricht, würden sich einige Personen prügeln. Was, genau wie im Stadion auch, zu kritisieren wäre, ebenso wie das Werfen von Gegenständen, egal ob Fahnenstangen oder Bierbechern, scharf zu verurteilen ist. Wie aber wäre wohl die Reaktion, wenn die Polizei mit Reizgas die Zeltbesucher einnebeln würde, unabhängig davon, ob sie in die Vorfälle verwickelt sind oder nicht? Im Stadion passiert nämlich genau das.

Und es passiert zudem immer wieder, ohne, dass die Polizei vom Ordnungsdienst überhaupt angefordert wurde. In Mainz beispielsweise im Oktober 2022, als der Verein im Nachgang das Verhalten der Polizei mit deutlichen Worten kritisierte. Wie Clubs überhaupt immer wieder darauf hinweisen, dass Einsatzkräfte aus ihrer Sicht unverhältnismäßig agieren.

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Gewalt geht nicht automatisch von den Fans aus

Spätestens, wenn sich Vereinsverantwortliche so deutlich zu Wort melden, sollten auch Leute aufhorchen, die sonst nicht über den Tellerrand ihres überkritischen Fanbildes hinaussehen. Denn kein Verein hat ein Interesse an eskalierender Gewalt oder randalierenden Chaoten im Stadion.

In vielen Fällen können unschöne Vorfälle ohnehin besser mittels Fanbetreuung und Ordnungsdienst gelöst werden, während die Polizei im Block eher weitere Aggression bei den Beteiligten, vor allem aber Panik und absolut unnötige Verletzungen komplett Unbeteiligter verursacht.

Nein, das Stadion ist kein rechtsfreier Raum für auffällige Fans, es ist aber genauso wenig ein Truppenübungsplatz der Polizei. Über beides muss gleichermaßen offen und ehrlich geredet werden. Die zunehmende Gewalt gegen Fans im Fußballkontext ist nicht hinnehmbar.

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