An den Spieltagen rund um den 27. Januar erinnert die Fußballfamilie an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Damit strahlt sie auch ein Licht auf die Verantwortung, die Vereine und Fans aus der Geschichte tragen.
Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau befreit. Der Termin jährt sich dieses Jahr zum 80. Mal. Seit nunmehr 21 Jahren wird diesem Datum auch in den Stadien gedacht, mit dem "Erinnerungstag im deutschen Fußball" der Initiative "!Nie wieder", die sich 2004 gegründet hat. Vorbild war eine Aktion in Italien, bei der unter dem Motto "Tag des Erinnerns, um nicht zu vergessen" im Profifußball gegen Rassismus und Antisemitismus demonstriert wurde. Ort des Gründungsgedankens von "!Nie wieder" war die Versöhnungskirche auf dem Boden des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau.
Wie aber kann Erinnern im Fußball aussehen? Und was hat Fußball mit Erinnern zu tun? Dieser Frage stellt sich die Initiative im 21. Jahr ihres Bestehens zum 20. Mal und gibt sie an den Sport allgemein weiter. Institutionalisiert sind zwei Erinnerungsspieltage um den 27. Januar, sodass alle Vereine in den Ligen der Männer die Gelegenheit haben, das Thema bei einem Heimspiel aufzugreifen. (Die Frauen spielen, wie auch dieses Jahr, in der Regel leider noch nicht oder nur teilweise und erst am zweiten, nun anstehenden Wochenende des Erinnerns.)
Keine Schuld, aber Verantwortung
In den vergangenen Jahren wurde mit den Texten der Initiative in Stadionmagazinen oder als Durchsage vor dem Spiel oft einer Opfergruppe der Gräuel des Nationalsozialismus gedacht. In diesem Jahr geht der Blick stärker auf den Umgang der Vereine mit ihrer Geschichte. Damit verbunden ist auch die Verantwortung, die der Sport heute trägt. Denn zwar haben jene, die Clubs heute leiten und angehören, keine Schuld an der Vergangenheit, wohl aber tragen sie eine Verantwortung für die Zukunft. Dazu gehört es, zu lernen aus dem, was geschehen ist.
Unter den Social-Media-Postings der Vereine, die sich mit dem Erinnerungstag beschäftigen, finden sich viele üble Kommentare, die vor antisemitischen und rassistischen Einlassungen nur so strotzen. Oftmals ist außerdem die Rede davon, dass es "nun aber mal genug" sei mit dem Erinnern und die Aufgaben der Gegenwart mehr Aufmerksamkeit erforderten. Wahr ist, dass die Gegenwart viele komplizierte Anforderungen an uns als Gesellschaft stellt. Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass der Raum für Erinnern nicht da ist oder dies nicht wichtig wäre.
Vereine handelten in vorauseilendem Gehorsam
Auch die Behauptung, Sport sei unpolitisch, verfängt nicht. Denn viele Vereine haben damals Jüdinnen und Juden bereits in vorauseilendem Gehorsam ausgeschlossen. Statt Orte zu sein, an denen Gemeinschaft zelebriert wird und Menschen Schutz finden, schlossen sie Mitglieder aus und wendeten sich von ihnen ab. Das Bewusstsein für diese Geschichte ist ebenso wichtig wie die Erkenntnis, dass es in der Regel nicht die Clubs, sondern ihre Fans waren, die diese dunklen Phasen der Geschichte aufgearbeitet haben. Sie füllen auch den Erinnerungstag mit Leben.
Dass heute in München an Kurt Landauer gedacht wird oder in Mainz an Eugen Salomon, schließt klaffende Lücken in den Vereinsgeschichten. Dass die Kurven rund um den 27. Januar an Gründer, ehemalige Vorsitzende und das Schicksal von Millionen Menschen erinnern, die auch im Fußball unter dem Terrorregime der Nazis litten, ist heute wichtiger denn je.
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