Der frühere Bundestrainer Berti Vogts philosophierte dereinst, es gebe im Weltfußball keine Kleinen mehr. Zumindest kann jeder Kleine auch groß werden. Den jüngsten Beweis liefert Madagaskar als Überraschung beim Afrika-Cup ab.
Madagaskars Präsident Andry Rajoelina scheint der Sieg seiner Landsleute zu Kopf gestiegen zu sein. "Wir sind die Hoffnung und die Stars der afrikanischen Teams", schwärmte er nach dem Sieg gegen den Kongo beim Afrika-Cup.
Madagaskars Präsident spricht vom Titel beim Afrika-Cup
Madagaskar werde sogar den Titel holen, sagte Rajoelina. Madagaskar - das noch nie an dem prestigeträchtigen Fußballturnier teilgenommen hat und nun völlig unverhofft ins Viertelfinale einzog.
Mit dem Überraschungserfolg haben die Madagassen den bisher größten Coup des Turniers gelandet. Erst ließen sie in der Vorrunde Titelgewinner Nigeria mit 2:0 hinter sich. Dann behielten sie gegen den Kongo die Nerven und setzten sich im Elfmeterschießen mit 4:2 durch.
Der "bisher größte Schock" des Turniers, wie der kenianische Sender NTV es nannte, war perfekt. Am Donnerstag tritt das Team gegen Tunesien an - und Madagaskar hofft auf das nächste Wunder.
Wer die Begeisterung verstehen will, muss nur die Geschichte der Nationalmannschaft zurückverfolgen. 49 große Turniere wurden seit deren Gründung im Jahr 1947 gespielt - Madagaskar war bei keinem einzigen dabei.
Das Team qualifizierte sich nicht, zog seine Teilnahme während der Qualifikation wieder zurück oder versuchte es gar nicht erst.
Eine Liga für professionellen Fußball gibt es auf der südafrikanischen Insel nicht, deshalb versuchen viele Spieler ihr Glück in Frankreich. Die frühere französische Kolonie wurde 1960 unabhängig, aber die Beziehungen sind bis heute eng.
Auch die Kassen sind klamm. Madagaskar zählt zu den ärmsten Ländern der Welt, drei Viertel der 25 Millionen Einwohner leben in Armut.
Madagaskar ist bettelarm
Die FIFA zahlte im Förderprogramm "Forward" von 2013 bis 2016 umgerechnet 1,8 Millionen Euro an den Landesverband FMF. Und hätte Präsident Rajoelina nicht umgerechnet 170.000 Euro für die Unterkunft in Ägypten gestiftet, hätte die Nationalmannschaft aus Geldnot womöglich gar nicht zum diesjährigen Afrika-Cup reisen können.
Der Erfolg sei nicht über Nacht erfolgt, sagt Jean-François Debon, technischer Leiter beim Verband Fédération Malgache de Football. "Die Gruppe wurde Stück für Stück geformt und zusammengeschweißt."
Debon spricht von Kameradschaft und einem "perfekten" Maß an Solidarität. "Wenn in einem Team alles funktioniert, lässt es sich nur schwer wieder aufhalten. Der Wille zum Sieg ist da", sagt er.
In die Wege geleitet hat das neue Teamplay der Franzose Nicolas Dupuis, der die Mannschaft seit März 2017 trainiert. Die Spieler würden ihm geradezu an den Lippen hängen, sagt Debon.
Das Werk eines französischen Trainers ohne großen Namen
Dupuis scheint den Elan der Mannschaft erkannt zu haben und hält ihnen die Treue, auch wenn er sein Gehalt mit einem zweiten Trainer-Job beim französischen Viertligisten FC Fleury aufbessern muss.
In Kairo wird sich am Donnerstagabend (21:00 Uhr) gegen Tunesien zeigen, ob der Höhenflug anhält. Die Insel ist eigentlich für Naturreservate und exotische Tierarten bekannt. Jetzt sei die Chance, das Land auch als Fußballnation bekannt zu machen, sagt Mirado Rakotoharimalala, Berater und Ex-Sprecher beim Verband FMF.
Madagaskars Hauptstadt Antananarivo bereitet sich schon auf den nächsten Streich vor. Das Match wird dort auf Leinwänden gezeigt, an einem Reisebüro in der Innenstadt standen Menschen an, die das historische Viertelfinale in Kairo live erleben wollen.
"Die Tickets sind teuer, 500 Euro für einen Flug pro Person und das Hotel", sagt Nirampianina Randrianarivelo, der alle Ersparnisse für die 5.700 Kilometer weite Reise zusammengekratzt hat. "Ich will sie beim Sieg unterstützen", sagt sein 19 Jahre alter Sohn Sitraka. Die Teilnahme der Mannschaft am Turnier sei "wie ein Traum". (hau/dpa)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.