Im Vorfeld der außerordentlichen Versammlung des spanischen Fußballverbands war über den Rücktritt von Verbandschef Luis Rubiales spekuliert worden. Es kam anders.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Mara Pfeiffer (FRÜF) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Fünf Mal. So oft erklärt Luis Rubiales bei der Sonderversammlung des spanischen Verbands mit steigender Lautstärke, dass er nicht zurücktreten werde. Es sind Bilder, die genauso gut vom Wutausbruch eines Dreijährigen in der Kita stammen könnten. Nur, dass Rubiales trotzige Ignoranz deutlich schädlicher ist – und deswegen Konsequenzen haben muss.

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Druck auf die Spielerin ausgeübt

Zur Erinnerung. Bei der Siegerehrung der spanischen Fußball-Weltmeisterinnen hatte Rubiales Spielerin Jenni Hermoso auf den Mund geküsst – und dabei ihren Kopf festgehalten. Hermoso hatte hinterher in einem Video erklärt, es habe ihr nicht gefallen. Der Verband veröffentlichte später eine Mitteilung, wonach die Geste einvernehmlich gewesen sei.

Da war der Protest gegen Rubiales' Übergriff schon groß – und kam selbst aus der spanischen Politik. Die Journalistin Natalia Torrente berichtete am Dienstag, Rubiales und Trainer Jorge Vilda hätten auf dem Heimflug versucht, Hermoso dazu zu bringen, bei der Zwischenlandung am Flughafen in Doha ein Video-Statement mit Rubiales zu dessen Unterstützung zu drehen. Dabei hätten die Männer auch ihre Familie, die mit im Flugzeug war, unter Druck gesetzt.

Übergriff mit anderen Mitteln

Man muss sich das wirklich mal vor Augen führen. Der ungewollte Kuss mit dem Gesicht wie im Schraubstock allein war schon eine übergriffige Machtdemonstration. Doch anstatt sich im Nachhinein zu besinnen und eine ernstgemeinte Entschuldigung zu äußern, setzt Rubiales den begonnenen Übergriff mit anderen Mitteln weiter fort.

Er bekommt dabei Unterstützung, wie die der PR-Leute im Verband, die nach Hermosos mutmaßlicher Weigerung einfach trotzdem ein Statement veröffentlichen, der Kuss sei für sie in Ordnung gewesen.

Erschreckend, aber nicht verwunderlich

Doch die Zeiten haben sich zumindest ein bisschen gedreht. Hermoso beweist Stärke und Mut, indem sie die Übergriffe des Verbandschefs nicht hinnimmt, sondern gemeinsam mit der spanischen Fußballgewerkschaft Futpro eine Mitteilung veröffentlicht, wonach die Gewerkschaft ihre Interessen vertreten werde. Die Spieler*innen-Gewerkschaft Fifpro meldet sich ebenfalls zu Wort und sogar die Fifa kündigt an, sie werde gegen Rubiales ermitteln.

All das also passiert – und trotzdem wagt Rubiales den Auftritt, den er am Freitag hingelegt hat. Das ist erschreckend und doch nicht verwunderlich. Denn Männer gerade im Fußball haben über Jahrzehnte gelernt, dass solche Übergriffe sie nicht in Gefahr bringen. Das lässt sich auch an einigen Reaktionen hierzulande ablesen, wie jener von Karl-Heinz-Rummenigge, der gesagt hat: "Was er (Rubiales) da gemacht hat, ist – sorry, mit Verlaub – absolut okay." Sorry, mit Verlaub, aber das ist absoluter Scheißdreck.

Übergriffige Dudes möchten gern selbst definieren, was ein Übergriff ist. Aber das steht ihnen nicht zu. Wenn sie sich inakzeptabel verhalten, ist das Mindeste, was passieren muss, dass sie die Konsequenzen tragen. Die Zustände im spanischen Verband sind schon länger unhaltbar. Rubiales, der bei seinem unfassbaren Auftritt noch die Unterschiede erklärt zwischen dem, was er für guten und dem, was er für schädlichen Feminismus hält, ist zu weit gegangen.

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Alle konnten das sehen. Und wenn er die Konsequenz nicht selbst trägt, müssen andere sie für ihn ziehen. Das ist überfällig.

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