Als ich gestern Abend den Welt-Artikel zum England-Gastspiel im Kosovo las, wurde mir ganz anders. Die Zuschauer im Stadion erhoben sich und sangen gemeinsam mit ihren Gästen lautstark die englische Nationalhymne, sie applaudierten und gaben Großbritannien zu verstehen: Wir danken euch für eure Unterstützung im Bürgerkrieg damals.

Eine Kolumne
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Was für rührende Szenen! Was für ein Kontrast! Vor wenigen Wochen noch waren die Engländer in Bulgarien rassistisch von Stadionbesuchern beleidigt worden, mussten Hitler-Grüße ertragen und waren am Ende froh, mit heiler Haut heimzukommen. Ich werde nie verstehen, worin die Genugtuung beim ausgelebten Hass auf den Gegner bestehen soll.

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Hass bedient keine Kultur

Wir kennen das Phänomen ja aus der Bundesliga. Zu viele Kurven schöpfen ihre Selbstbestimmung aus der Ablehnung des Gegners, sie singen gedankenlos ihre Beleidigungen und verbreiten Schmähungen, als hätte keiner in der Herde jemals eine gute Kinderstube erlebt. Das Argument mit der Fankultur lasse ich nicht durchgehen: Hass bedient keine Kultur.

Eintracht-Sportvorstand Fredi Bobic, oftmals finanziell geschädigt durch Entgleisungen des eigenen Anhangs, befrüchtete jetzt im Kicker-Interview die möglichen Konsequenzen: die Abschaffung der Stehplätze in den Stadien.

Die Klubs wollen das nicht. Aber welches Argument habe man schon, wenn die Leute auf den billigen Plätzen kein Benehmen zeigen?

Den Krawallos Einhalt gebieten

Die Vereine tun alles dafür, dass die Preise im Stehplatzbereich moderat bleiben, und müssen regelmäßig draufzahlen, weil Pyrotechnik und Schmähbanner Strafen nach sich ziehen.

Jedes kritische Wort, das eine härtere Gangart im Sinne des Fußballs und im Namen der Mehrheit im Stadion fordert, wird als reaktionär verspottet. Welche Kultur soll das sein?

Niemand wünscht sich in der Bundesliga eine Stadionatmosphäre, wie es jetzt die Nationalmannschaft beim Länderspielsieg in Mönchengladbach erlebt hat. Wer will schon leere Ränge und eine extra einbestellte Blaskapelle?

Aber das muss ja nicht im Umkehrschluss bedeuten, dass die Krawallos die Regie übernehmen. Sonst sind die Stehplätze irgendwann weg.

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