Im Fußball wiederholen sich dieselben strukturellen Probleme ständig aufs Neue. Es braucht eine Welle der Solidarität und Haltung, um damit zu brechen.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Mara Pfeiffer (FRÜF) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Quizfrage: Würdet ihr?" So lautet dieser Tage ein Tweet, in dem der User das Foto einer Frau teilt. Die Frau hält ein Mikrofon in der Hand, im Hintergrund zu sehen sind grüner Rasen und, im Anschnitt, ein Tor. Es geht also um eine Frau, die im Fußball tätig ist und was dieser Tweet einsammelt, sind ziemlich widerliche Antworten, ob und wie Leute Sex mit ihr haben möchten. Oder wie wir sagen: Ein ganz normaler Tag als Frau im Fußball.

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Nein, ich möchte den Tweet an dieser Stelle nicht verlinken. Es wäre der völlig falsche Ansatz, jemanden, der so etwas vertwittert, auch noch ins Rampenlicht zu stellen. Nein, es spielt für den Kontext keine Rolle, wer die Frau ist oder was ihre genauen Aufgaben im Fußball sind. Der Tweet ist letztlich nur ein Beispiel für das, was in diesem Sport immer noch ständig passiert.

Irgendwer wird schon Applaus spenden

Männer, um genauer zu sein, cis Dudes*, die der Meinung sind, der Fußball gehöre ihnen und ihnen alleine, lassen das alle anderen spüren. Sie benehmen sich auf eine Art und Weise, wie es nur Menschen tun, die wissen, ihnen kann nichts passieren. Irgendwer wird schon Applaus spenden, Dudes werden es witzig finden, werden übergriffige Formulierungen finden, was sie mit der Frau anstellen wollen, werden sich selbst für die Größten halten. Alles wie immer.

Andere weisen die Verfasser möglicherweise auf ihr sexistisches Verhalten hin, aber dafür gibt es schließlich die Standard-Nonpology der Grenzüberschreiter: "War doch nur ein Spaß." Haha. Lach doch mal. Stell dich nicht so an. Nimm doch mal den Stock aus dem Arsch. Damit wird nicht nur die Verantwortung verweigert für derartiges Verhalten, sondern es werden auch noch jene verhöhnt, die das sexistische Gebaren trifft. Klassische Täter-Opfer-Umkehr.

Fußball ist für (fast) alle da

Beim DFB-Menschenrechtskongress im September hat sich Dario Minden, stellvertretender Vorsitzender von "Unsere Kurve“, vor den katarischen Botschafter gestellt, um ihm zu sagen, er liebe Männer und wenn Katar das nicht als Normalität akzeptiere, solle das Emirat sich aus dem Fußball raushalten, denn: Fußball sei für alle da. Ein Video seines tollen Auftritts wurde zigfach geteilt – und das war wichtig. Sharing dieser Art täuscht aber auch über einiges hinweg.

Ja, Fußball ist für alle da. Aber in der Realität ist Fußball für einige mehr da als für andere, sonst wäre ein Auftritt wie der von Minden gar nicht notwendig. Viele Gruppen und Personen erleben Ausgrenzungen, müssen Übergriffe aushalten und werden immer wieder neu damit konfrontiert, dass sie in der Gedankenwelt gewisser Typen einfach nichts zählen. Darauf zu entgegnen, dass jene Typen es nicht wert seien, sich weiter mit ihnen zu beschäftigen, verkennt, dass sie nur die Spitze des Eisbergs der strukturellen Probleme sind, die im Fußball weiterhin herrschen. Sie einfach zu ignorieren, ist deshalb viel zu wenig.

Und: Diese Themen einfach zu ignorieren, reicht auch nicht mehr. Fans in den Kurven haben das als Erste kapiert und kämpfen schon lange für ein Stadion, in dem Fußball wirklich für alle da ist. Ja, es bewegt sich was in Verbänden und auch im Journalismus gibt es Verbesserungen. Doch all das nimmt nicht den Druck der permanenten Konfrontation mit Grenzüberschreitungen, sexistischen Beleidigungen und Herabsetzungen.

Es ist an der Zeit, dass mehr cis Männer im Fußball (und überall) sich dieser Tatsache stellen und Verantwortung dafür übernehmen, wie es in diesem Sport zugeht, indem sie sich solidarisch zeigen, Grenzen genauso klar benennen, wie es Betroffene tun, indem sie mit offeneren Augen durch diese Welt gehen und vor allem endlich aufhören, es sich in ihrer Wohlfühloase Fußball so verdammt bequem zu machen. Ein Fußball, der nicht für alle da ist, wird auf Dauer nicht überleben. Solidarität: jetzt.

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