Fußball ist im Anfang ein Spiel von 22 Menschen. Doch längst ist daraus ein Business erwachsen, dessen negative Seiten schwer wiegen. Die Verantwortung, den Fußball zu verbessern, tragen alle, die sich für diesen Sport interessieren.
Wenn Menschen sich ganz zu Anfang für Fußball begeistern, ist es nur: ein Spiel. Elf Menschen, die gegen elf andere auf dem Platz stehen. Und diese Momente der Einfachheit sind extrem wertvoll, weil die Liebe zum Spiel sich sonst nicht entwickeln könnte. Denn so simpel bleibt es nicht, und wer heute auf den Fußball schaut, muss sich bei aller Liebe fragen, wieso man Teil des großen Zirkus bleibt. "Love the game, hate the business", drückt diese Ambivalenz aus.
In Gesprächen zur Überdrehtheit des Geschäfts wird gerne der wohlmeinende Rat erteilt, man möge doch Spiele in den unteren Klassen schauen, sonntags, auf dem lokalen Bolzplatz. Aber was, wenn man eben einem bestimmten Verein anhängt? Was, wenn man den Fußball in den oberen Ligen nicht hinter sich lassen, sondern von innen heraus verändert sehen möchte?
Auch Schweigen drückt etwas aus
Zu den Meldungen der Woche aus dem Fußball gehört jene, dass in Frankreich anlässlich des Internationalen Tags gegen Homophobie, Biphobie, Interphobie und Transphobie (IDAHOBIT) am 17. Mai schon letztes Wochenende Trikots mit Rückennummern in Pride-Farben getragen wurden. Einige Spieler haben sich geweigert und sich teils auf Werte ihrer Religion berufen.
Wenn es aber um Werbung für Glücksspiel oder Alkohol auf Trikots geht, sehen es die Spieler offenbar nicht so eng. Für ihre Weigerung gab es Kritik und Applaus, letzteres häufig mit der Zugabe, man dürfe Sport nicht politisieren. Doch Sport ist längst politisch und wer sagt, Politik und Sport sollten getrennt bleiben, möchte eigentlich nur bestimmte Haltungen ausschließen. Sich nicht zu Themen zu äußern, die uns als Gesellschaft beschäftigen, ist letztlich auch Politik.
Werbung für den Ruin?
Eine weitere Wochenmeldung aus dem Fußballkosmos ist der Aufruf des Suchtbeauftragten der Bundesregierung, Burkhard Blienert, zum Verzicht von Sportwettenwerbung während der Fußball-EM 2024 in Deutschland. Wer heute Fußball im Fernsehen schaut, kann sich vor dieser Werbung kaum retten. Zahlen, wie viele Menschen in Deutschland sportwettensüchtig sind, liegen nicht vor, die deutsche Suchthilfe spricht aber im Jahresbericht 2022 davon, dass etwa ein Drittel der Sportwetter*innen Zeichen einer Glücksspielstörung aufweisen.
Dennoch wird diese Werbung meist stillschweigend hingenommen, genau wie die für Alkohol, der ohnehin untrennbar mit Fußball verschränkt scheint. Dabei trägt der als Volkssport fraglos eine besondere Verantwortung, die aber ignoriert wird. Kritische Haltungen von Fans werden gerne als naiv abgetan, schließlich geht es um das ganz große Geld. Aber ist das alles?
Werbung für den Ruin?
Derweil ist Turbine Potsdam sportlich aus der 1. Liga abgestiegen, und auch hier stellt sich die Frage nach Verantwortung. Der DFB ist leider nicht gut darin, sich in diese einzubringen, wenn es um das eigene Verhalten in der Geschichte des Fußballs der Frauen geht. Was der Verband da als Bremsklotz angerichtet hat, wurde bis heute nicht gutgemacht, nicht mal dokumentiert.
Die Frage, welchen Fußball wir eigentlich wollen, stellt sich aber bei den Frauen gerade mit besonderer Dringlichkeit: Soll es ein Abklatsch dessen sein, was bei den Männern passiert, mit allen Konsequenzen? Aktuell scheint der Weg mit Macht dorthin zu gehen. Warum eigentlich? Bei Frauenteams wird schließlich das gesellschaftliche Engagement oft als besonders positiv herausgestellt, weshalb, mit Blick auf Regenbogen, Kapitalismus und Verantwortung, doch der Fußball der Männer sich eher ein Beispiel an den Frauen nehmen sollte.
Lesen Sie auch: Sport und Politik trennen? Warum diese Forderung illusorisch ist
Es lohnt sich, daran hin und wieder zu erinnern, gerade auch nach Meldungen wie jenen dieser Woche. Weil es eben um viel mehr geht als ein Spiel. Weil der Ruf nach der Übernahme von Verantwortung nicht naiv ist, sondern wichtig. Und weil Fußball nicht nur den wenigen gehört, die Entscheidungen in diesem Business treffen, sondern allen, die teilhaben daran – weshalb sie nicht müde werden dürfen, ihre Stimme zu erheben.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.