Am 12. Februar beginnt die Biathlon-Weltmeisterschaft, die erstmals in der Schweiz ausgetragen wird. Die gilt zwar als Wintersport-Nation, jedoch nicht als Biathlon-Hochburg. Was bedeutet das für die Stimmung bei den Wettkämpfen? Wir haben vor dem WM-Start mit Ex-Biathletin Denise Herrmann-Wick gesprochen.

Ein Interview

Die WM in Lenzerheide wird ohne die erfahrene Biathletin Vanessa Voigt stattfinden. Die 27-Jährige muss aufgrund eines Atemwegsinfekts passen. Dennoch besteht Hoffnung für gute DSV-Platzierungen. Wozu die deutschen Athletinnen und Athleten imstande sind, haben sie in dieser Weltcup-Saison bereits angedeutet.

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Wie es um die deutschen Medaillenchancen bei der Biathlon-WM steht, analysiert Denise Herrmann-Wick im Interview mit unserer Redaktion. Die 36-Jährige, die vor knapp zwei Jahren ihre aktive Laufbahn beendet hat, ist neben Laura Dahlmeier eine von zwei Olympiasiegerinnen im Analyse-Team des ZDF. Die TV-Expertin ordnet den WM-Austragungsort ein und erklärt, auf welche typischen Reporter-Floskeln sie lieber verzichten möchte.

Frau Herrmann-Wick, Sie bereiten sich gerade auf die Biathlon-WM vor. Allerdings werden Sie nicht um Medaillen kämpfen, sondern für das ZDF aus Lenzerheide berichten. Welche Vorbereitung macht Ihnen mehr Spaß: die als Aktive oder die als Expertin?

Denise Herrmann-Wick: Mit Blick auf das Familienleben stellt sich die Frage, wann die Vorbereitung so richtig beginnen wird (lacht). Da die letzten drei Wochen ziemlich arbeitsintensiv und anstrengend waren, habe ich erst einmal meinen Urlaub in Toblach (im Südtiroler Pustertal in Italien gelegen; Anm. d. Red.) genossen. Beim Skilaufen ist mir dann wieder bewusst geworden, wie schön so eine WM-Vorbereitung zu meiner aktiven Zeit eigentlich war. Man trainierte in Ruhe an schönen Orten in mittlerer Höhenlage. Natürlich schwang die Angst, einen Infekt zu bekommen, immer ein bisschen mit. Aber diese Ruhe vor dem Sturm war schon etwas ganz Besonderes. Ich denke gerne daran zurück. Jetzt freue ich mich aber schon sehr auf die kommende Aufgabe als ZDF-Expertin bei der WM.

Vanessa Voigt wird die Weltmeisterschaft im Februar aufgrund eines Atemwegsinfekts verpassen. Wie schwer wiegt ihr Ausfall für den DSV?

Das ist schon ein krasser Ausfall – zumal sich ohnehin nur vier Mädels regulär qualifiziert haben. Eine Staffel besteht nun einmal nur aus vier Personen. Wenn man dann krankheitsbedingt auf eine Athletin verzichten muss, ist das wirklich extrem bitter. Vanessa Voigt war in den vergangenen Jahren vor allem in der Staffel eine Konstante, besonders mit Blick auf ihr Schießen. Mich hat ihre Absage allerdings nicht so sehr überrascht. Letztendlich muss man auf seine Gesundheit hören und an morgen denken. Schließlich steht eine olympische Saison vor der Tür. Dennoch ist es sehr schade, ihr Fehlen schwächt die deutsche Mannschaft auf jeden Fall.

Vanessa Voigt wird nicht bei der Biathlon-WM teilnehmen
Vanessa Voigt wird nicht bei der Biathlon-WM teilnehmen. © IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON

Diese "zwei heiße Eisen" hat der DSV noch im Feuer

Wie lässt sich ihr Ausfall kompensieren?

Wir haben mit Franziska Preuß und Selina Grotian noch zwei heiße Eisen im Feuer, die bei den vergangenen Weltcups extrem gut performen konnten. Und eine Julia Tannheimer ist dieses Jahr auch schon in die Top sechs gelaufen. Ich bin gespannt, in welcher Form sie nach ihrer Krankheit und der wettkampffreien Phase zurückkommen wird. Was die Einzelrennen angeht, mache ich mir wenig Sorgen. Da ist der Medaillengewinn in jedem Rennen nicht weit entfernt.

Wie beunruhigt sind Sie nun mit Blick auf die deutsche Frauen-Staffel?

Bei der Staffel ist die Ausgangslage ohne Vanessa Voigt eine andere, wobei auch Sophia Schneider viel WM-Erfahrung mitbringt. Daher ist ihre Nominierung sicherlich nicht unberechtigt. Insgesamt ist die Dichte im deutschen Frauen-Team aber leider nicht ganz so gegeben – trotz des großen Potenzials der jüngeren Athletinnen. Es ist immer gut, wenn man zwei, drei erfahrenere Mädels in der Mannschaft hat, hinter denen sich die Jüngeren ein bisschen verstecken können.

"Die Leistungsdichte ist da, um aufs Podium zu springen."

Denise Herrmann-Wick über die DSV-Männer bei der WM

Was trauen Sie den DSV-Männern bei der WM zu?

Bei einer Staffel ist die Chance immer gegeben. Zwar hat es zuletzt ein paar Mal knapp nicht gereicht, weil am Schießstand zu viel liegen gelassen wurde, aber die Männer haben es grundsätzlich drauf. Die Leistungsdichte ist da, um aufs Podium zu springen. Philipp Nawrath und Philipp Horn haben sich zuletzt in Antholz super bewegt. Und ich hoffe, dass auch Johannes Kühn als erfahrenster Athlet wieder in die Erfolgsspur zurückfindet. Er hat in der Vergangenheit bereits gezeigt, dass er Weltcup-Rennen gewinnen kann. Mit der richtigen Vorbereitung kann man schon noch etwas Form-Topping betreiben. Die deutschen Männer haben im vergangenen Jahr in der Lenzerheide im Weltcup brutal abgeliefert. Insofern denke ich, dass ihnen die Strecke gut liegt.

Gut genug, um auf eine Goldmedaille hoffen zu dürfen?

Für Gold muss natürlich schon sehr viel passieren. Aber die Damen haben im Weltcup schon zwei Staffeln gewonnen. Da ist also definitiv etwas drin. Wobei man nicht vergessen darf, dass die Konkurrenz sehr stark ist. Wenn alle im Vollbesitz ihrer Kräfte laufen und am Schießstand wenig liegenlassen, dann steht unseren Mädels ein hartes Stück Arbeit bevor. Ich rechne damit, dass zumindest Franzi (Franziska Preuß; Anm. d. Red.) mit einer Medaille nach Hause fahren wird. Sie ist läuferisch und am Schießstand gut drauf. Es gibt nur wenige, die mit ihr in Sachen Konstanz mithalten können. Deswegen läuft sie ja auch im Gelben Trikot.

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Herrmann-Wick nennt Vor- und Nachteile des WM-Austragungsorts

Zwar ist die Schweiz eine Wintersport-Nation und in der Lenzerheide wird mittlerweile auch ein Biathlon-Weltcup ausgetragen, doch als Zentrum des Biathlons ist das Land bisher nicht bekannt. Wie groß ist die Begeisterung für die Sportart in der Schweiz?

Ich war beim Weltcup in Lenzerheide vor Ort und konnte mir ein Bild machen. Sicherlich war damals alles noch ein bisschen spärlich. Ich hoffe aber, dass auch viele deutsche Fans mitkommen werden. Und die Schweizer durften mit Lena Häcki-Groß in der vergangenen Saison Erfolge feiern. Auch Amy Baserga und Niklas Hartweg konnten zuletzt einige Ausrufezeichen setzen. Immer wenn Athletinnen und Athleten aus dem Gastgeberland die Chance haben, vorne mitzumischen, dann zieht das Fans an. Wer bei der WM dabei sein möchte, sollte sich spätestens jetzt entscheiden, in die Lenzerheide zu fahren. Das größte Problem dürfte nämlich sein, noch eine einigermaßen bezahlbare Übernachtungsmöglichkeit zu finden.

War es die richtige Entscheidung, die Weltmeisterschaft in die Lenzerheide zu geben?

Meiner Meinung nach ja. Es ist mal etwas anderes. Die Schweiz ist ein Wintersport-begeistertes Land. Daher wundert es mich ein wenig, dass Biathlon dort erst im letzten Jahrzehnt angefangen hat zu wachsen. Ich bin überzeugt: Die Lenzerheide wird sich als tolle WM-Location präsentieren. Das Wetter wird voraussichtlich super sein, die Strecken sind top und sehr zuschauerfreundlich. Ich hoffe auf einen guten Zustrom an Zuschauern. Die deutschen, österreichischen und auch die französischen Fans werden für ordentlich Stimmung sorgen. Mit Blick auf das Einzugsgebiet und die gute Erreichbarkeit mit dem Auto sind die Voraussetzungen für eine volle Hütte gegeben.

Sie sind Olympiasiegerin, Weltmeisterin und Sportlerin des Jahres. Wie gehen Sie damit um, dass Sie sportlich – und damit auch beruflich gesehen – bereits mit Mitte 30 nahezu alles erreicht haben, was es zu erreichen gibt?

Stimmt. Sportlich kann man das nicht mehr toppen. Das zu wissen, ist einerseits nicht immer schön, andererseits aber auch sehr zufriedenstellend. Man sieht schwarz auf weiß, was ich als Athletin erreicht habe. Ich habe das geschafft, wovon ich als Kind geträumt habe. Dafür bin ich extrem dankbar. Aber ich weiß, dass die Herausforderung darin besteht, etwas zu finden, bei dem man ähnlich aufblühen kann. Nach meinem Karriereende hat sich mein Leben natürlich verändert. Ich habe jetzt eine Familie – und das ist mit einem ganz anderen Glücksgefühl verbunden.

Was haben Sie sich für diese WM vorgenommen? Auf welche Floskeln werden Sie als Expertin verzichten?

Schon als Sportlerin habe ich die Medaillenzählerei im Vorfeld immer gehasst. Natürlich hast du einen eigenen Anspruch, der manchmal an Ergebnissen hängt. Aber im Sport lernt man auch, dass es einfacher ist, wenn man eben nicht ergebnisorientiert startet. Ich würde mir wünschen, dass bei dieser WM jeder sein persönlich perfektes Rennen abliefern kann. Wozu es dann am Ende reicht, werden wir sehen. Und genau das werde ich dann auch analysieren, fernab von irgendwelchen Medaillenerwartungen.

Über die Gesprächspartnerin

  • Denise Herrmann-Wick ist eine ehemalige deutsche Wintersportlerin, die sowohl im Langlauf (Bronze 2014) als auch im Biathlon (Gold 2022) olympische Medaillen erringen konnte. In der Weltcup-Saison 2018/19 gewann sie bei der Biathlon-WM Gold, Silber und Bronze. Die frühere Sportsoldatin der Bundeswehr-Sportfördergruppe wurde 1988 im sächsischen Schlema geboren. Seit 2022 ist sie mit dem Ex-Skilangläufer Thomas Wick verheiratet, im April 2024 kam ihre gemeinsame Tochter zur Welt. Mittlerweile ist Herrmann-Wick als ZDF-Expertin tätig.
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