• Sechs Jahre lang haben sich Fahri Yardim und Christian Ulmen durch die Serie "Jerks" gefremdschämt.
  • Jetzt machen sie nach der fünften Staffel Schluss - und die ist am 2. Februar auf Joyn gestartet.
  • Im Video-Interview mit unserer Redaktion erklären die beiden, warum sie aufhören, ob sie weiterhin gemeinsam vor der Kamera stehen werden – und ob sie jetzt, nach dem Ende von "Jerks", ins Dschungelcamp gehen würden.
Ein Interview

Hallo Fahri, hallo Christian.

Fahri Yardim: Hallo Patricia, Sie dürfen mich alles fragen, außer nach meiner E-Mail-Adresse.

Christian Ulmen: Mich dürfen Sie sogar nach meiner E-Mail-Adresse fragen.

Ja? Wollen Sie sie gleich sagen?

Ulmen: Ähm…

Yardim: Zuschriften erbeten.

Für direktes Feedback unserer Leserinnen und Leser vielleicht?

Ulmen: christian@britneyspearsmail.com. Gab es wirklich mal, da konnte man seine Britney-Spears-Mail-Adresse einrichten. Hatte ich damals.

Das war wahrscheinlich für die Hardcore-Britney-Fans.

Ulmen: Für mich natürlich aus Ironie.

Yardim: Früher war man so ironisch.

Sind Sie das heute nicht mehr?

Yardim: Ne. Wir wollen ernst genommen werden.

Ulmen: Genau.

Yardim: Ernst ist der neue Humor.

Deswegen hören Sie jetzt auch auf mit "Jerks"?

Yardim: Ja. "Jerks" war ja auch nie komisch, "Jerks" war immer ernst. Die Brutalität des Alltags, Lachen höchstens als Befreiung.

Christian Ulmen: "Wir haben das sechs Jahre lang gemacht und jetzt wirklich alles erzählt"

Aber warum hören Sie denn auf, ganz ernsthaft gefragt?

Ulmen: Wir haben das sechs Jahre lang gemacht und jetzt wirklich alles erzählt. Der Punkt ist gemacht, was wir erzählen wollten, ist erzählt. Wenn wir über diesen Punkt hinaus weitermachen, könnten wir Gefahr laufen, dass sich die Muster, mit denen wir "Jerks" erzählen, totlaufen. Dass die Leute das nicht mehr überraschend finden, sondern das Gefühl haben: "Schon mal gesehen." Das ist in der letzten Staffel nicht der Fall, sie ist ein würdiger Abschluss geworden.

Yardim: Man hat auch irgendwann erkannt: Ich möchte mich gerne erweitern, ich möchte mich in einen anderen Zusammenhang stellen. Da ist ein ewiger tiefer Wunsch nach Wachstum. Dieses künstlerische Feld ist genau dafür da, ein ewiges Brechen mit sich selbst. Sonst industrialisiert sich das und man verkommt zu einem Abziehbild seines Selbst. Stumpf wie ich bin, wollte ich "Jerks" immer weitermachen, ich war abhängig von "Jerks".

Ulmen: Wir machen ja auch weiter, wir werden eine neue Serie miteinander kreieren. Darauf freue ich mich, weil es spannend sein wird zu sehen, wie es sich anfühlt, wenn wir das, was wir uns an eigener Dreh- und Erzählweise mit "Jerks" draufgeschafft haben, auf ein völlig anderes Thema übertragen.

Yardim: Das Setting haben wir schon ausfindig gemacht – mehr wollen wir aber noch nicht verraten. Also Christian, das alte Trüffelschwein, hat das Setting herausgerochen. In alter Trüffelschweinmanier hat er sein Näschen in den Boden der Kreativität gestoßen…

Ulmen: …gerammt. Geschraubt.

Yardim: Er hat so 'ne Schraubtechnik entwickelt und da stieß er auf unsere neue Welt. Es wird wieder grauenvoll.

Ulmen: Erstmal machen wir "Jerks" zu Ende und dann machen wir was ganz anderes.

Yardim: Im Grunde ist die fünfte Staffel "Jerks" eine Rampe zur nächsten Tür. Achtung Weisheit: Es geht eine Tür zu und es öffnen sich neue.

Fremdschämen ist ja ein großes Thema bei "Jerks". Irgendwie ist unsere Welt heutzutage so verrückt, dass Fremdschämen schon fast normal ist. Wenn ich etwa an die Autobiografie von Prinz Harry denke, da sind ja sehr viele Fremdschäm-Momente drin…

Yardim: Jetzt haben Sie unser neues Setting verraten! Darauf ist Christian gestoßen: Er ist Harry und ich bin der andere – wie heißt der?

Ulmen: Charles? William?

Yardim: William! Ich bin William und er ist Harry. Aber Sie haben recht. Wir sehen das auch im Spiegel dessen, was uns gerade an Serien geboten wird: alles in Gewändern, sehr viel Vergangenheit, sehr viel Drachen, sehr viel Serienkiller – also sehr viel Fantastisches, sehr entfernt vom Alltäglichen. "Jerks" hat ja immer vom Alltäglichen gelebt, wir haben die Brutalität im Kleinen gesucht. Die Menschen haben offensichtlich ein Bedürfnis, dem Alltäglichen wieder weiter zu entfliehen, das zu Hause ist ihnen krawallig genug. Also flieht man sich in "Mantel und Degen"-Filme, viele Prinzessinnen und Königinnen haben jetzt Auftritte. Das ist auch in Ordnung, ich werte das nicht. Aber ich merke daran, dass der Fluchtimpuls vor dem Alltag gerade anzieht. Wir aber lieben das Alltägliche nach wie vor, ich glaube, im Grauen des Alltäglichen lässt sich noch viel erkunden.

Am 2. Februar startet die letzte Staffel von "Jerks". Können Sie kurz beschreiben, worum es in "Jerks" geht?

Yardim: Es geht um die Brutalität, die Schattenseiten des Alltäglichen. Man schaut zwei Menschen zu, die feige und faul und ignorant durch die Welt torkeln und versuchen, es sich in einer alltäglichen Welt einfach zu machen. Sie haben aber Umgangsschwierigkeiten mit all den Dingen, die einem so begegnen, etwa Menschen mit Migrationshintergrund oder Menschen mit Behinderung. Für Menschen, die es im Leben einfach haben wollen, ist es schwierig, der Komplexität der Welt zu begegnen.

Yardim: "Wir sind ja niedere Wesen, sind auch Geschöpfe der Einfachheit"

Sie halten den Zuschauerinnen und Zuschauern einen Spiegel vor: Wenn man sich denkt "Ich hätte vielleicht ähnlich reagiert", liegt darin ja auch die Fremdscham.

Yardim: Wir beleuchten das Unterbewusste. Man guckt unbewusst in einen Spiegel und sieht sich selbst und gleichzeitig den eigenen Kraftakt der Zivilisation. Wir sind ja niedere Wesen, sind auch Geschöpfe der Einfachheit. Dazu kommen aber sehr viele Auflagen. Sehr viel Über-Ich und sehr viel Impulskontrolle. Und wenn man ein bisschen tiefer guckt, dann sieht man "Jerks".

Sehr philosophisch.

Ulmen: Das hast Du schön gesagt.

Die neue Staffel startet sehr politisch – in den ersten drei Folgen geht es um die Klimakrise, um die AfD, um Queer. Geht das so weiter?

Ulmen: Wir gehen in der Vorbereitung und beim Schreiben nie thematisch vor. Wir schöpfen aus der Ursuppe aller Eindrücke um uns herum. Und da sind dann natürlich auch Rechtspopulismus und Klima mit drin. Wir sind ja kein Zeitgeist-Magazin, sondern erzählen Geschichten über's Scheitern. Und weil die in der Gegenwart spielen, kommt auch die Gegenwart drin vor.

Man sieht diesmal auch eine Episode aus Ihrer Kindheit. Wie viel Wahrheit steckt da drin?

Ulmen: Das ist alles genauso passiert. Es gibt eine Folge, die in der Kindheit spielt und eine in der Pubertät. Einfach, um in der letzten Staffel die Frage zu beantworten: "Warum lässt Christian Fahri immer davonkommen mit der Scheiße, die er da anstellt?" Das beantworten wir in den Kinderfolgen.

Gibt es auch eine Zukunftsfolge, Sie als alte Männer?

Ulmen: Wir hatten tatsächlich geplant, zum Staffelabschluss eine Folge zu machen, die in der Zukunft spielt. Das haben wir aber verworfen, kurzfristig mitten im Dreh.

Yardim: "Jerks" nährt sich aus dem Natürlichen, aus dem, was wir kennen. Die Zukunft ist unbekannt und das Unbekannte ist nicht unser Feld.

Ulmen: Die Erkenntnis kam ziemlich spät. Und ehrlich gesagt primär aus logistischen Gründen. Wir hatten in der Entwicklung noch überlegt, das mit Altersmasken zu machen, hatten dann aber keinen Bock drauf, denn das dauert in der Maske vier Stunden jeden Morgen. Dann wollten wir Schauspieler besetzen, alte Männer, die uns spielen. Bei einem Casting wurde aber klar, dass das nicht geht, die eingespielte Dynamik ist kaum zu reproduzieren. Dann haben wir doch noch mal über die Masken nachgedacht, waren aber zu spät dran – die Teile konnten nicht mehr angefertigt werden. Das war der eigentliche Grund, warum wir das nicht gemacht haben: Wir haben im Casting niemanden gefunden und hatten keine Zeit mehr, die Masken herzustellen. Aber es ist glücklich, dass es so lief.

Yardim: Das hätte wenig mit "Jerks" zu tun gehabt.

Ulmen: Vor allem wäre es die allerletzte Folge gewesen, wenn ausgerechnet die dann schief geht und ungeil … Ich bin froh, dass wir das nicht gemacht haben.

Fahri Yardim: "'Jerks' war das Beste, bei dem ich dabei war"

Wie geht's denn aus?

Ulmen: "Jerks" ist ja kein Thriller, wo man sagt "Oh Gott, wie geht das wohl aus?". "Jerks" ist eine Episoden-Serie, in jeder Episode wird 'ne kleine Geschichte erzählt. Am Schluss wird auch wieder 'ne Geschichte erzählt, nur leider ist das dann halt die letzte.

Yardim: Es geht so banal zu Ende, wie es angefangen hat. Von Anfang bis zum Ende gibt's bei den beiden keine Entwicklung. Das macht "Jerks" aus. Die beiden sind immer gleich, außer dass Emily tot ist, das ist schon doof. Aber das gibt's im Alltag ja auch, dass Menschen, die einem lieb sind, sterben.

Sie haben die Frage sicher schon häufig beantwortet, aber was war denn das Peinlichste, was Sie gemacht haben für "Jerks"?

Ulmen: Ich kann die Frage nie beantworten. Ich denke nie in Rankings. Wir widmen uns allen Folgen und Szenen gleichmermaßen leidenschaftlich.

Yardim: Jeder Moment ist wieder neu und organisch und nicht vergleichbar. Das ist wie Sexualität, ich vergleiche Sex auch nicht.

Ulmen: Ja.

Yardim: Ich glaube, es liegt daran, dass wir dem Unmittelbaren so viel Bedeutung geben. Das Unmittelbare ist immer das Schönste und Beste, was es gibt, es gibt nur das Hier und Jetzt, grad in der Improvisation. Es gab so viele Momente, in denen ich krachend und lachend zur Seite gefallen bin vor fröhlicher Befreiung. Ich will sie nicht miteinander vergleichen. Insgesamt war es ein Highlight. "Jerks" war das Beste, bei dem ich dabei war, das kann ich uneingeschränkt sagen.

Ulmen: Das geht mir auch so.

Yardim: Wirklich?

Ulmen: Ja, auf jeden Fall.

Ulmen: "Dieses Vorurteil, dass die Deutschen keinen Humor haben, stimmt ja nicht"

"Jerks" ist sehr einmalig in der deutschen Fernsehlandschaft. Warum tut sich Deutschland oft so schwer mit Comedy und Satire?

Ulmen: Dieses Vorurteil, dass die Deutschen keinen Humor haben, stimmt ja nicht, wenn man mal in seinen Freundeskreis schaut – da würde doch niemand sagen, dass da kein Einziger Humor hat. Jeder wird Leute aus seinem Umfeld nennen können, über die er sagen kann, dass es mit denen lustig ist. Man sieht es ja auch an Podcasts, die aufkommen, oder auf YouTube. Ich glaube, dieser Eindruck ist entstanden, weil die Entscheider lange Zeit immer alles richtig und nicht alles geil machen wollten. Dieser Hang zum "Richtigmachen" steht konträr zum Wachstum von Witz und Humor, denn da muss man loslassen können.

Yardim: Man vergleicht das gerne mit Amerika, obwohl der Vergleich hinkt, allein in den Dimensionen. Auch in Amerika findet sich schlechter Humor, wir bekommen ihn nur weniger mit. In Europa gibt es sehr viele Perlen – und natürlich auch aus Deutschland. Ich würde es nicht verallgemeinern, sehe aber auch diesen Hang zum Richtigen, eine tiefsitzende Angst. Oft wird sehr konzeptuell gedacht und dabei gekrampft. Loslassen ist aber ein Urbedürfnis des Humors. Letztlich braucht alles Seelische einen Freiraum für das Chaos. Wer in der Anlage schon zu sehr verkrampft, tötet das Humoristische. Das Unmittelbare ist eben nicht planbar. Das Unplanbare mit reinzunehmen fällt den Deutschen oft noch schwer. Hier verlässt man sich lieber auf gut gesteckte Parameter.

Sie haben auch wieder jede Menge Gäste in der finalen Staffel.

Yardim: Ein paar sollten wir aus dramaturgischen Gründen noch nicht verraten.

Ulmen: Einige können wir aber schon nennen: Nilam Farooq, in die verliebt sich Fahri total, dann sind noch dabei Aki Bosse, Alli Neumann, Donnie O'Sullivan, Marteria, Tommi Schmitt, Mieze Katz von der Band Mia, Riccardo Simonetti, mein bester Freund Paul Keuter, Sarah-Lee Heinrich von der grünen Jugend, Konstantin Kuhle von der FDP, Micky Beisenherz, Eva Schulz.

Eine letzte Frage hab' ich noch: Schauen Sie das Dschungelcamp?

Ulmen: Nein.

Yardim: Nee. Ich würde gerne.

Mich erinnert das ein bisschen an "Jerks": Rahmenhandlung vorgegeben, Stars sind im Dschungel, Stars machen Prüfungen, die Dialoge sind aber improvisiert. Wäre das nichts für Sie, nach dem Ende von "Jerks" ins Dschungelcamp?

Yardim: Grundsätzlich nein.

Ulmen: Dem schließe ich mich an.

Yardim: Aber ich habe auch nichts dagegen. Ich will's eigentlich gerne gucken, hab' aber keine Zeit. Das kommt ja immer sehr spät.

Ulmen: Bei mir ist es auch ein Zeitproblem.

Yardim: Ich bin auch ein bisschen beleidigt, dass ich das nicht gucken darf.

Ulmen: Ich bin auch beleidigt, aber ich habe keine Zeit.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die fünfte und finale Staffel von "Jerks" startet am Donnerstag, 2. Februar", auf JoynPlus+ mit zwei Folgen, danach folgt pro Woche eine neue Episode.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.