Matthias Koeberlin spielt seit fast zehn Jahren den Kommissar Micha Oberländer in der Krimi-Reihe "Die Toten vom Bodensee". Eigentlich, so sagte er mal in einem Interview, will er aber gar keinen Kommissar mehr darstellen. Bedeutet das also ein jähes Aus für Kommissar Oberländer im neuen Fall?

Ein Interview

Schauspieler Matthias Koeberlin ermittelt seit 2014 als Kommissar Micha Oberländer in "Die Toten vom Bodensee", der neue Fall "Atemlos" läuft am 15. Januar im ZDF. Im Dreiländereck am Bodensee wird aber beileibe nicht so viel gemeuchelt, wie die Krimireihe vielleicht suggerieren mag. Darüber und warum Kriminalgeschichten in Deutschland so unglaublich beliebt sind, hat Koeberlin im Interview mit unserer Redaktion gesprochen.

Herr Koeberlin, ich habe in einem Interview von Ihnen gelesen, dass Sie eigentlich gar keinen Kommissar mehr spielen wollen. Heißt das, Ihre Figur stirbt in den nächsten Folgen von "Die Toten vom Bodensee"?

Matthias Koeberlin: Nein, nein, um Gottes willen! Den Micha Oberländer am Bodensee spiele ich gerne und der bleibt definitiv! Aber ich habe in meiner schauspielerischen Laufbahn schon diverse Male ermittelt und brauche keinen weiteren Kommissar mehr.

Warum nicht?

Es reicht irgendwann. Es gibt ja sehr viele Krimis in Deutschland und darin dürfen sich nun gerne andere versuchen. Es sei denn, es käme ein Angebot um die Ecke, bei dem ich nicht "Nein" sagen kann. Dann würde ich vielleicht die Polizeimarke noch mal in die Hand nehmen.

Matthias Koeberlin: "So brutal ist unser Land ja gar nicht"

Warum ist das Interesse an Krimis in Deutschland denn so groß?

Wir Deutschen sind mit der großen Krimi-Lust nicht allein, auch in England oder Skandinavien gibt es eine große Tradition. Dennoch habe ich mich das immer wieder gefragt. Zum einen ist es der Spaß am Mitermitteln und am Täter finden, zum anderen die Lust am Grusel und am Grauen. Ich glaube, beides liegt in der Natur des Menschen und geht bei uns schon mit Grimms Märchen los, die sind ja zum Teil wirklich nicht unblutig und ziemlich brutal. Die Faszination des Bösen ist in Deutschland weit verbreitet. Trotzdem bleibt die große Nachfrage nach Krimis für mich ein Mysterium. Es müssten eigentlich schon ganze Landstriche entvölkert sein, bei all den Toten in den Krimis. So brutal ist unser Land ja gar nicht.

So viele Morde gibt es gar nicht, wenn man etwa auch in die Kriminalstatistik schaut.

Nee, nee, schon gar nicht am Bodensee. Hier geht’s zwar rund, aber beileibe wird nicht permanent gemeuchelt.

Interessieren Krimis Sie auch privat?

Ja, ich lese gerne Thriller oder Krimis, vor allem von der alten Fraktion. Mit Dashiell Hammett und Raymond Chandler bin ich groß geworden.

Holen Sie sich in diesen Büchern Inspiration für Ihre Rolle?

Das sind tolle Bücher mit tollem Humor und es gibt auf jeden Fall schlechtere Inspirationsquellen als die Klassiker. Wenn ich daraus etwas adaptieren kann, ohne es zu kopieren, eine Temperatur, eine Stimmung, dann lasse ich das in meine Rolle einfließen.

Worum geht’s denn im neuen Bodenseekrimi-Fall?

Ums Apnoetauchen. Es ist sehr faszinierend, was die Damen und Herren der Apnoe-Szene betreiben – ich habe mich auch etwas eingehender damit befasst. In dieser Szene gibt es nun einen Mordfall. Dementsprechend spielt der Fall viel am Wasser, der Bodensee ist ja auch unser Hauptcharakter und deswegen freue ich mich immer, wenn er genug Zeit bekommt, sich zu zeigen.

Was ist Apnoetauchen?

Das ist das Tauchen ohne Hilfsmittel in Tiefen, ohne Sauerstoffgerät, nur mit der eigenen Kraft. Wirklich faszinierend, wenn jemand fünf, sechs, sieben Minuten die Luft anhalten kann – man kann das ja zu Hause mal ausprobieren, eine Minute ist schon aller Ehren wert. Ich glaube, der Weltrekord liegt bei knapp acht Minuten oder sogar drüber, das ist wirklich enorm. Für mich war es damals beim Schwimmabzeichen schon ein Weltrekord, den Ring aus drei Metern Tiefe aufheben zu können. (lacht)

Haben Sie das Apnoetauchen selbst ausprobiert?

Um Gottes willen, da bin ich definitiv der Falsche.

Sie haben vorhin schon gesagt, dass Sie Ihre Rolle noch länger spielen wollen. Was mögen Sie denn an Ihrer Rolle besonders?

Micha Oberländer begleitet mich jetzt schon seit zehn Jahren. Er liegt mir sehr am Herzen: ein erdiger, pragmatischer, gerader Typ mit gutem Humor und einer gesunden Dosis Chaos und Wahnsinn. Und eine Figur, die noch ein bisschen was zu zeigen und zu erzählen hat. Das ist für mich immer das Maßgebliche. Wenn ich das Gefühl habe, eine Figur ist zu Ende erzählt, habe ich auch kein Problem damit zu sagen: Vielen Dank, hier trennen sich die Wege. Aber bei Herrn Oberländer gibt’s noch ein bisschen was zu erzählen.

Gibt es eine bestimmte Geschichte, die Sie gerne spielen würden?

Um ihn herum ist schon viel passiert, sowohl privat als auch beruflich. Aber vielleicht findet er nochmal eine große Liebe, nach all den Schicksalsschlägen doch noch mal ein bisschen Glück und ein bisschen Ruhe. Mal schauen. Ich lasse mich überraschen und habe vollstes Vertrauen in die Drehbuchautoren.

Luisa Hoffmann (Alina Fritsch) und Micha Oberländer (Matthias Koeberlin). © ZDF und Patrick Pfeiffer

Sie haben seit einiger Zeit eine neue Kollegin, die Österreicherin Alina Fritsch. Wie funktioniert die Zusammenarbeit?

Natürlich war es ein großer Einschnitt. Nora Waldstätten war davor meine Kollegin. Sie ist nach langer, langer Zeit gegangen. Ich bin nach wie vor freundschaftlich mit ihr verbunden, wir mögen uns sehr. Wenn dann eine neue Kollegin dazu kommt, ist für beide Seiten natürlich erstmal alles neu. Aber das hat alles sehr gut geklappt. Jetzt gehen wir den Weg mit einer neuen Figur, die eine neue Geschichte zu erzählen hat, in die stürzt man sich rein, was für uns Schauspieler in unserem Beruf ganz normal ist.

Wann finden die Dreharbeiten statt? Gibt es bestimmte Zeiten im Jahr, in denen Sie drehen?

Wir drehen meistens von März bis Juni. Im Sommer wird es schwieriger, da ist Festspielzeit in Bregenz und die Stadt platzt aus allen Nähten. Aber im Frühling ist es auch wunderschön hier unten, und in der Zeit ermitteln wir.

Wahrscheinlich ist das auch die schönste Jahreszeit, um am Bodensee zu sein.

Der Bodensee ist nie gleich, eine wahnsinnig faszinierende Ecke und ein mystischer Ort. Egal ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter, der Bodensee ist zu jeder Jahreszeit ein sehr faszinierendes Gewässer. Auch wegen des Dreiländerecks mit allen seinen Einflüssen. Ich kann nur jedem empfehlen, mal einen Abstecher dorthin zu machen. Die Jahreszeit ist eigentlich egal, aber der Frühling ist schon sehr besonders.

Diesen Charakter würde Matthias Koeberlin gerne mal spielen

Wobei es im Winter auch ein bisschen bedrückend sein kann…

Es gibt viel Nebel hier, ja, das stimmt – gerade im Herbst und dann gerne über längere Zeit. Man muss schon ein bisschen Humor mitbringen. Und wenn man zu Depressionen neigt, würde ich im Herbst doch eher in den Flieger steigen und die Sonne suchen. Es kann wirklich ein bisschen drücken. Aber wenn man am Wasser ist, ist es natürlich auch spannend und schön, weil man wahnsinnig viel machen kann: Wandern, Fahrradfahren und Laufen, Spazierengehen am Wasser. Man lernt natürlich auch durch die Dreharbeiten immer wieder Ecken kennen, die neu sind und wahnsinnig spannend.

Wo wohnen Sie eigentlich?

Ich wohne jetzt hier am Bodensee, bin gerade erst umgezogen und habe das zu meinem Lebensmittelpunkt gemacht. Vorher war ich lange in Berlin und davor lange in Köln, jetzt bin ich hier. Arbeiten, wo andere Urlaub machen.

Was machen Sie, wenn Sie nicht vor der Kamera stehen?

Kochen, viel lesen, alles, wofür mir sonst die Zeit fehlt. Ich mache dann gerne Dinge, bei denen ich nicht viel reden muss. Ich kann auch sehr gut schweigen. Einfach Sachen, die fernab von allem filmischen Trubel sind. Ich bin gerne zu Hause, weil ich sonst viel unterwegs bin, viel aus dem Koffer lebe. Ich mache auch Musik, zusammen mit Freunden, wenn es sich ergibt.

Irgendwo habe ich gelesen, dass Sie eigentlich gar kein Schauspieler werden wollten, sondern Journalist.

Ja, das stimmt. Ich wollte eigentlich das machen, was Sie machen. Ich wollte schreiben oder wahnsinnig investigativ unterwegs sein. Das war dann aber mit meinem Abitur nicht möglich, wahrscheinlich hätte ich jetzt noch Wartesemester. Aber dann kam es anders, und wie das eben so ist, war es vielleicht unterm Strich doch der richtige Weg – und der Journalismus wäre es nicht gewesen. Ich habe den Weg nie bereut. Es hat mir in meinem Job sicher geholfen, dass ich das nicht von klein auf schon machen wollte. Ich hatte immer den nötigen Abstand und die nötige Entspanntheit, das alles nicht ganz so ernst zu sehen, sondern eher mit einem Augenzwinkern.

Wenn Sie es sich aussuchen könnten, wen würden Sie gerne mal spielen, tot oder lebendig?

Lange Zeit war mein insgeheimer Wunsch, mal Napoleon zu spielen. Ich finde, er ist eine wahnsinnig faszinierende Figur in der Weltgeschichte – im Positiven, wie, leider Gottes, auch im Negativen. Ich habe auch viel über ihn gelesen, aber mir war immer klar, dass das schwer ist, als Deutscher ohnehin – und dann bin ich auch noch blond. Aber wer weiß, was noch kommt ...

Weitere News zu Ihren Lieblingsserien gibt's in unserem WhatsApp-Kanal. Klicken Sie auf "Abonnieren", um keine Updates zu verpassen.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.