In wenigen Tagen tritt Isabella Levina Lueen für Deutschland beim Eurovision Song Contest in Kiew an - und soll das Trauma der vergangenen Jahre wiedergutmachen. Im Interview spricht die 26-Jährige über diesen Druck, wie sie mit dem Medien-Rummel zurechtkommt und welchen Tipp ihr ESC-Gewinnerin Lena Meyer-Landrut gegeben hat.

Ein Interview

Hallo Levina! Starten wir gleich mit der wichtigsten Frage: Was heißt "Hallo, ich heiße Levina und komme aus Deutschland" auf Ukrainisch?

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Levina: (lacht) Das weiß ich tatsächlich noch nicht. Aber das werde ich alles morgen (am 4. Mai 2017, Anm. d. Red.) auf dem Weg in die Ukraine lernen. Da bekommen wir eine Liste mit den wichtigsten Wörtern und Sätzen, die ich mir dann aneignen werde.

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Deine Vorbereitungen für Kiew sind also noch nicht abgeschlossen ...

Nee, noch nicht. Ich hatte so viele Termine in Deutschland, teilweise auch in anderen Ländern ... Aber ich werde mich noch auf die ukrainische Sprache vorbereiten.

Hattest du bei den ganzen Terminen denn Zeit, am 1. Mai deinen 26. Geburtstag zu feiern? An dieser Stelle noch herzlichen Glückwunsch nachträglich!

Dankeschön! Ich hatte an meinem Geburtstag tatsächlich frei und habe den Tag mit meiner Familie und meinen Freunden verbracht. War mir ganz recht, da konnte ich mich ein bisschen entspannen.

Wie muss man sich deinen "Alltag" denn derzeit vorstellen: Stundenlanges Proben - jeden Tag?

Nein, zurzeit sind vor allem viele Pressetermine und Fernsehauftritte. Zwischendrin gibt es natürlich schon Proben für die Show am 13. Mai, aber darauf wird dann in Kiew der Fokus liegen. Man muss den Auftritt ja auch auf der Bühne richtig proben, dort machen wir dann den Feinschliff.

Du fliegst am Donnerstag nach Kiew – der russischen Kandidatin wurde die Einreise in die Ukraine im Vorfeld untersagt. Russland hat daraufhin seine Teilnahme zurückgezogen. Wie denkst du darüber, dass der ESC immer wieder als politische Plattform benutzt wird?

Man muss sich dessen bewusst sein, dass es diesen Konflikt gibt. Aber ich finde es schade, dass politische Konflikte den ESC überschatten. Meine Einstellung dazu - und auch die vieler anderer Teilnehmer – ist, gerade deswegen eine gute Stimmung und positive Energie zu verbreiten. Denn eigentlich ist es ein Event, bei dem Musik die Länder über Grenzen hinweg verbindet. Darauf sollte man sich konzentrieren.

Der von dir selbst geschriebene Song "Nothing At All" auf deinem ersten Album "Unexpected" behandelt aber auch einen aktuellen Konflikt und enthält somit eine politische Botschaft.

Das stimmt. Ich lasse mich von verschiedenen Themen inspirieren. Bei dem Song geht es darum, dass manche Leute ihre Wut und Unzufriedenheit auf andere projizieren, zumeist auf die, die ihnen fremd sind. Ich finde Songs gut, die gute Laune verbreiten und Menschen zum Tanzen bringen. Aber es ist manchmal auch gut, wenn Songs zum Nachdenken anregen oder sentimentaler sind. Ich finde bei Musik geht alles.

Dein ESC-Song "Perfect Life" handelt davon, dass Fehler zum Leben dazugehören. Singst du da aus Erfahrung?

Ich sehe das so, wie es in "Perfect Life" beschrieben wird: Ein Fehler ist vielleicht gar kein Fehler. Im Endeffekt trägt es doch meist zu etwas Gutem bei. Ich habe zum Beispiel Geografie studiert. Im Nachhinein denke ich, hätte ich das nicht gemacht, hätte ich mit der Musik schon viel früher etwas erreichen können. Aber ich würde das trotzdem nicht als Fehler bezeichnen, weil es eine tolle Erfahrung war. Mir hat es etwas gebracht.

Du standest von einem Tag auf den anderen im Rampenlicht. Wie kommst du mit der plötzlichen Medien-Aufmerksamkeit zurecht?

Daran muss man sich schon gewöhnen. Ich wusste zwar, dass das auf mich zukommen könnte – aber es ist etwas ganz anderes, wenn es dann tatsächlich passiert. Es ist schon viel, wenn das Medieninteresse plötzlich so über dich hereinbricht. Aber nach etwa einer Woche gehört es für mich schon mit dazu. Ich finde es nicht mehr ganz so verrückt. Es ist einfach Teil des Jobs. Mich würde es freuen, wenn es so weitergeht.

Du bist eher zufällig über den Hinweis einer Freundin zum ESC gelangt. Hattest du seitdem nie einen Moment, in dem du dachtest "Ach herrje, in was bin ich hier bloß hineingeraten?"

Eigentlich nicht ... (überlegt) Ich hatte irgendwann mal eine Situation, in der ich dachte 'Oh, ich würde morgen so gerne ausschlafen und mal keine Interviews geben' - klar, man ist mal müde oder angestrengt. Aber eigentlich war es bei mir eher umgekehrt, sodass ich dachte "Wow! Ich bin jetzt voll mittendrin". Ich freu mich echt immer wieder darüber - weil ich jetzt genau da bin, wo ich schon lange hinwollte.

Hat dir Lena irgendwelche Tipps oder Ratschläge mit auf den Weg gegeben?

Nein, eigentlich nicht. Als ich mich beim Vorentscheid mit ihr unterhalten habe, hat sie gesagt, dass ich die ESC-Erfahrung genießen soll, damit ich mich später auch noch daran erinnern kann. Über sie brach das ja damals auch total schnell herein und am Ende konnte sie sich gar nicht genau erinnern, was da eigentlich passiert ist. Sie hatte nur den Tipp, dass ich mich nicht aus der Ruhe bringen lassen soll. Einfach die Zeit genießen und die Erfahrungen mitnehmen.

Du bist seit deiner ESC-Nominierung schon viel herumgekommen. Du warst zum Beispiel in Georgien, Armenien und Israel. Was war dein schönstes Erlebnis bislang?

In Armenien war es ganz toll. Die Leute da waren so lieb und haben sich so gefreut. Sie haben ein Fan-Event für mich organisiert - das war so süß! Eine armenische Boyband aus vier Jungs hat "Perfect Life" gecovert und mir gewidmet. Dann haben sie mir noch einen Anhänger geschenkt, in den mein Name eingraviert war, und einen Kuchen mit "12 Punkte" drauf. Die haben sich so viele Gedanken gemacht … das war einfach schön!

Du hast auf deiner Reise auch schon viele andere ESC-Kandidaten kennengelernt. Wer ist denn dein Favorit – persönlich und musikalisch?

Blanche aus Belgien finde ich sehr gut. Wir haben uns in Israel kennengelernt und gleich gut verstanden. Sie hat eine besondere Stimme. Nathan aus Österreich ist auch ein super Sänger, oder Artsvik aus Armenien – mit der versteh' ich mich richtig gut, sie hat auch einen ganz speziellen Song. Und auch Portugal berührt mich sehr …

Kannst du dich nicht festlegen?

(lacht) Nee, überhaupt nicht! Das ist so schwierig! Wenn man da selbst drinsteckt, alle kennenlernt und live sieht, ist es schwer, wieder von außen darauf zu blicken und zu entscheiden, wer jetzt mein Favorit ist.

Du magst keinen Favoriten haben – die Buchmacher haben aber längst einen ausgemacht. Weißt du darüber Bescheid oder willst du das gar nicht wissen?

Ich wurde schon ein paar Mal darauf angesprochen. Ich selbst lese mir das jetzt nicht alles durch – da macht man sich nur verrückt. Aber ich habe gehört, dass Italien ganz weit vorne sein soll - Francesco habe ich übrigens auch kennengelernt, ein sympathischer Typ - aber ich stresse mich deswegen jetzt nicht.

Wie ist es für dich, dass Deutschland vor dir zweimal hintereinander auf dem letzten Platz gelandet ist? Setzt dich das unter Druck oder ist es eher eine Erleichterung? Weil: Schlechter kannst du ja nicht abschneiden ...

Es ist blöd, wie das in den letzten zwei Jahren gelaufen ist. Schade. Aber ich mach mir deswegen nicht extra Druck. Ich gehe da so ran, wie ich an alle Wettbewerbe rangehe. Ich will natürlich eine gute Platzierung bekommen – ich will nicht auf dem letzten Platz landen, ganz klar! Aber der ESC ist eine so tolle Erfahrung. Die kann mir keiner mehr nehmen - egal, wie es kommt.

Zum Abschluss bitte ich dich, den folgenden Satz zu vervollständigen: Der ESC war für mich erfolgreich, wenn …

… ich mit meiner Performance richtig zufrieden und stolz auf mich bin, den Auftritt später noch gerne auf Video anschaue und eine gute Zeit hatte, in der ich viel gelacht habe.

Danke für das Gespräch, Levina, und viel Erfolg in Kiew!

Vielen Dank!

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