• Malik Harris vertritt Deutschland beim diesjährigen ESC.
  • Im Interview mit unserer Redaktion spricht der 24-Jährige offen über die Frage, ob der Wettbewerb angesichts des Ukraine-Kriegs stattfinden sollte.
  • Zudem verrät er, wie er mit Kommentaren zu seinem bekannten Vater umgeht und was er früher eigentlich werden wollte.
Ein Interview

Malik Harris, bald geht’s nach Turin. Wie aufgeregt sind Sie?

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Malik Harris: Noch nicht wirklich. Die Aufregung kommt bei mir immer erst, kurz bevor es auf die Bühne geht. Bis dahin spüre ich das nicht wirklich. Aber ich freue mich tierisch. Es ist eher eine positive Aufregung, dass es jetzt losgeht.

Wie sind Sie zu dem ESC-Vorentscheid gekommen?

Ich habe den ESC vorher nie besonders verfolgt und über eine Teilnahme habe ich mir nie Gedanken gemacht. Letztes Jahr kam aber mein Kumpel Robin – er macht auch mein Management – zu mir und meinte: "Hey Malik, gerade ist die Anmeldephase für den ESC. Kannst du dir das theoretisch vorstellen?" Ich musste sofort an den Song "Rockstars" denken, den ich einige Wochen vorher geschrieben hatte. Der ist sehr persönlich und verletzlich. Ich könnte mir vorstellen, dass es viele Leute gibt, denen es ähnlich wie mir in diesem Song geht, und die sich damit identifizieren können. Für mich als Musiker war es schon immer ein Ziel, mit meiner Musik dafür zu sorgen, dass sich die Leute da draußen mit ihren Gedanken nicht so allein fühlen und wissen, dass da jemand steht, dem es genauso geht. Und auf der ESC-Bühne habe ich die Chance, wahnsinnig viele Menschen zu erreichen und das zu vermitteln. Zum anderen dachte ich mir, dass der Song so anders ist als das, was Deutschland bisher zum ESC geschickt hat.

Warum ist der Song so anders? Was ist Ihre persönliche Geschichte dahinter?

In "Rockstars" geht es um die gute alte Zeit. Ich hatte den Song geschrieben, nachdem ich eine Folge von der Serie "The Office" gesehen habe, in der jemand in einer Szene sagt: "I wish there was a way to know you're in the good old days before you've actually left them", auf Deutsch: "Ich wünschte, es gäbe einen Weg zu wissen, dass man in der guten alten Zeit ist, bevor man sie verlassen hat." Als ich den Satz gehört habe, musste ich erstmal weinen, und dann ging sofort das Schreiben von "Rockstars" los. Auch währenddessen musste ich viel weinen. Es ist der erste Song, der so eine Emotion bei mir ausgelöst hat.

Warum?

Weil allein in diesem kurzen Satz so viel Wahrheit steckt. Ich selbst merke, wie viel Zeit ich damit verbringe, gedanklich in der guten alten Zeit zu schwelgen und sie mir zurückzuwünschen. Bei mir persönlich geht es vor allem um meine Kindheit und Jugend: Diese Unbekümmertheit und Unbeschwertheit, die man als Kind so hat. Man hat damals nicht viel über irgendetwas nachgedacht, einfach gelebt und war glücklich. Durch dieses Zitat habe ich erkannt, wie ich das alles verloren und durch das Älter- beziehungsweise Erwachsenwerden angefangen habe, wahnsinnig viel in meinem Kopf zu leben, viel zu viel nachzudenken, mir Sorgen zu machen, zu zweifeln und im Alltag festzuhängen. Um das Realisieren dieser Dinge geht es in "Rockstars". Mit dem Lied möchte ich eine Botschaft senden: Wir sollten versuchen, die gute alte Zeit nicht nur in der Vergangenheit zu suchen, sondern viel mehr im Hier und Jetzt. Denn eigentlich hört die gute alte Zeit nicht auf. Und auch wenn es schlimme Tage gibt, sollte man noch nach den guten, kleinen Dingen suchen. Die gibt es immer irgendwo. Es ist typisch menschlich, immer zu sagen: "Hier und jetzt ist alles schlecht, früher war alles toll." Das ist aber total absurd: Denn in zehn Jahren sagt man dann, dass das jetzige Hier und Jetzt supertoll war, obwohl man jetzt sagt, dass alles schlecht ist.

Malik Harris über den Krieg in der Ukraine: "Ist sehr überfordernd"

Blickt man in die Ukraine, fällt es allerdings momentan etwas schwer, im Hier und Jetzt etwas Gutes zu finden. Auch der ESC hat auf den Krieg reagiert, indem Russland von der Teilnahme ausgeschlossen wurde. Die Ukraine nimmt unter besonderen Vorbedingungen teil. Mit welchem Gefühl gehen Sie vor diesem Hintergrund in die Veranstaltung?

Diese ganze Zeit ist sehr überfordernd. Es ist einfach heftig. Ich wurde oft gefragt, ob der ESC unter diesen Bedingungen überhaupt stattfinden sollte. Ich finde: Ja. Denn mit das Einzige, das jetzt gerade noch in der Situation Hoffnung gibt, ist zu sehen, wie wir alle uns einig sind und die ganze demokratisch-freiheitliche Welt mit der Ukraine auf einer Seite steht. Es ist selten, dass alle Länder so zusammenhalten und gemeinsam jemanden unterstützen. Dieser Zusammenhalt gibt in dieser Zeit Kraft, die man auch in einem solchen Event nach außen tragen sollte – ebenso die Harmonie, die der ESC all die Jahre immer hinbekommen hat, zu vermitteln. Es ist wichtig, diesen Abend zu haben, wo wir Europa zusammenbringen und in einem friedlichen Rahmen Gemeinsamkeit feiern. Vor der ukrainischen Band habe ich wahnsinnig viel Respekt, dass sie unter diesen Bedingungen beim ESC mitmacht. Diese Entscheidung zeigt auch, dass der ESC eine sehr große Bedeutung hat.

Unter den Buchmachern wird vor diesem Hintergrund die ukrainische Band auf Platz 1 gehandelt. Sie selbst liegen derzeit auf Platz 24 (Stand: 25.03.2022, Anm. d. Red.) von insgesamt 40 teilnehmenden Ländern. Wie groß ist der Druck?

Buchmacher haben mich noch nie interessiert. Ich sage immer, dass man sein Urteil nicht vorher oder währenddessen über etwas fällen sollte, sondern wenn es vorbei ist. Und was die ESC-Vergangenheit von Deutschland betrifft, muss ich sagen, dass das einem eher den Druck nimmt. Wenn es jetzt andersherum wäre und Deutschland in den letzten acht Jahren Sieger geworden wäre, dann hätte der Druck ganz anders ausgesehen. Da würde ich denken: "Jetzt muss es der erste Platz werden, alles andere ist eine Enttäuschung." Dementsprechend bin da sehr entspannt. Dennoch spüre ich Druck. Aber der kommt am meisten von mir selbst, weil ich ein sehr 'competitive' (zu Deutsch: wetteifernd, Anm. d. Red.) Mensch bin. Wenn ich bei so etwas dabei bin, dann will ich auch ganz nach oben. Dementsprechend wird mir Platz 24 definitiv nicht reichen (lacht).

Sie treten auf der Bühne öfter mit einer sogenannten Loop-Station auf. Was reizt Sie an dem Gerät?

Ich kann damit gleichzeitig mehrere Instrumente bedienen, allein eine ganze Band ersetzen und einen Riesen-Sound erzeugen. Das Grundprinzip ist simpel: Ich drücke einen Knopf auf der Loop-Station, spiele etwas auf der Gitarre, drücke nochmal einen Knopf, und dann wiederholt das Gerät immer wieder die aufgezeichnete Sequenz – ein sogenannter Loop. Danach kann ich immer mehr Instrumente hinzufügen und später herausnehmen oder pausieren. So bin ich auf der Bühne flexibel und muss mich nicht auf eine Band verlassen oder ihr erst sagen, wenn ich zum Beispiel den Refrain nochmal spielen will.

Das denkt Malik Harris über Kommentare zu seinem Vater Ricky

Ihr Vater, Ricky Harris, ist im deutschen Fernsehen bekannt. Er hatte eine eigene Talkshow auf Sat.1 und war auch in diversen TV-Formaten wie Dschungelcamp oder "Das perfekte Promi-Dinner" dabei. Bekommen Sie häufiger Kommentare, dass die Bekanntheit Ihres Vaters Ihnen in der Karriere einen Push gegeben hat?

Ich hatte früher vor solchen Kommentaren ein bisschen Angst. Aber ich bin heute erstaunt darüber, wie wenig es tatsächlich sind. Es kommen zwar ab und zu welche, in denen es um meinen Vater geht, aber dann eher in die Richtung eines Fun Facts, wie zum Beispiel: "Der Vater von Malik Harris ist übrigens Ricky Harris von damals aus dem Fernsehen." Ich glaube, den Leuten ist das bewusst, wie lange das mit meinem Vater her ist. Das war in den 1990ern (lacht). Aber manchmal kommen noch Kommentare wie "Ah, das ist der Sohn von...", was schon nervig sein kann. Inzwischen glaube ich aber, dass ich darin meinen Vater sogar überholt habe und die Leute nun eher denken: "Ach krass, das ist der Vater von Malik." (lacht)

Waren Sie beruflich schon immer so auf Musik gepolt? Oder hatten Sie auch mal andere Pläne?

Eigentlich war Musik schon immer eine krasse Leidenschaft und der große Traum von mir. Aber ich hatte ihn für eine Zeit lang aus den Augen verloren, weil ich ihn für so unmöglich gehalten habe. Deshalb bin ich dann meiner anderen Leidenschaft nachgegangen, dem Fußball. Ich wollte unbedingt Fußballprofi werden, was im Nachhinein auch nicht viel Sinn ergibt, denn: Musiker schaffe ich nicht, aber Fußballer: kein Problem (lacht). Ich habe lange im Verein gespielt und viele Probetrainings bei Augsburg und TSV 1860 München absolviert. Da wurde aber immer festgestellt, dass es leistungstechnisch bei mir nicht reicht. So habe ich dann selbst gemerkt: "Aus dir wird kein Fußballer, vielleicht solltest du deiner wahren Liebe nachgehen, der Musik."

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