- Guildo Horn hat 2023 doppelten Grund zum Feiern.
- Am 15. Februar wird er 60, im Mai jährt sich sein legendärer "Guildo hat Euch lieb"-Auftritt beim ESC zum 25. Mal.
- Im Interview mit unserer Redaktion spricht der Kult-Sänger über seinen Alterungsprozess, seine Kritik an DSDS und seinen eigenen Castingshow-Job.
Herr
Guildo Horn: Innendrin bin ich ein eher stiller Beobachter meines Alterungsprozesses und vergesse oftmals, was ich in meinem jungen Leben schon alles erlebt und getan habe. Aber: Dieses Jahr wird gefeiert! Und zwar alles, was kommt! Übrigens werde ich nach Künstleralter am 15. Februar schon 70 Jahre alt. Die Schlagermusik lässt einen schneller reifen oder, sagen wir, welken!
Wie werden Sie Ihren Geburtstag am 15. Februar feiern?
In stiller Anteilnahme mit einer Handvoll Senioren.
Aktuell sind Sie Teil einer TV-Jury. Was hat Sie an dem Konzept der Castingshow "Music Drive In" (ab 30.01. auf RTLZWEI) überzeugt?
Bei "Music Drive In" durchlaufen die Kandidaten keine wochenlange Zeremonie. Bei uns läuft das viel schneller. Ein musikalisches Speed-Dating sozusagen. Wir sind ein kleines, freundliches und unterhaltsames Musikformat, wo man innerhalb kürzester Zeit Menschen kennenlernen darf. Diese Menschen musizieren dann live und ohne großes Brimborium aus ihrem Auto heraus vor uns, der Jury. Wenn sie sich in unsere Herzen singen, gibt es bis zu 1.000 Euro zu gewinnen. Wir sind definitiv kein Trashformat. Bei uns darf musiziert werden.
Es gibt ausgefallene Performances und bunte Kostüme zu sehen sowie Instrumente zu hören. Ist diese Show abwechslungsreicher und ehrlicher als andere Castingshows?
Das geht halt alles ziemlich schnell und direkt. Wenn du vor drei Personen musizierst und nur begrenzt Zeit hast, kannst du dich schlecht verstecken. Im übrigen hatten wir bei weitem nicht nur bunte Kostüme: Bei uns gibt’s Klassik, französischen Chanson, Rock, Pop, Jazz, Funk, Punk ... und dann natürlich beide Musikrichtungen: Country und Western! Die Mischung macht's.
"Es war Liebe auf den ersten Blick!"
An Ihrer Seite in der Jury sind
Es war Liebe auf den ersten Blick! Wir alle drei verstehen uns als Teamplayer. Bei uns gibt es keinen Egoshooter, der ständig seine Kollegen an die Wand labert, bis sie Schnappatmung kriegen. Und im entscheidenden Punkt sind wir auf einer Linie: Wir mögen Menschen! Aber auch die Produktion war ein riesiges Fest der Sinne: Das Wetter war brillant, das Team hinter der Kamera ein Träumchen und unsere Kandidaten haben das Ganze für uns klanglich veredelt. Abends wurde auch mal gegrillt und Getränke geschlürft. Ein schöner Urlaub!
Apropos Castingshows: Sie haben DSDS in einem Interview mit der "Bild am Sonntag" deutlich kritisiert – und zwar, bevor die sexistischen Kommentare von Dieter Bohlen gegen die Kandidaten Jill Lange die Runde machten. Fühlen Sie sich wieder einmal bestätigt?
Es geht nicht darum, dass ich mich bestätigt fühle. Das Auffällige ist doch, dass immer dieselben Nasen im deutschen Unterhaltungsfernsehen feste auf Wehrlose oder gerade Gestrauchelte einknüppeln, die bei sich selber absolut keinen Humor verstehen. Ich will hier nicht die große Moralkeule schwingen, aber: "Was Du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem andern zu!" So einfach und offenbar auch so schwer für manch einen!
DSDS vorzeitig absetzen? "Nein!"
Würden Sie dafür plädieren, DSDS vorzeitig abzusetzen?
Man wird ja nicht gezwungen, DSDS zu gucken. Man kann Ein- und aber auch Ausschalten. Also: Nein!
Co-Jurorin
Ich weiß, was sie meint, kann aber mit solch pauschalen Urteilen nichts anfangen. Es gibt nicht DIE Männer über 50, nicht DIE Frauen im Schlafrock, nicht DIE stechenden Flüchtlinge und nicht DIE sauren Nierchen mit Kartoffelpüree: Jedes Nierchen schmeckt anders und das ist auch gut so! Oder, wie ging das noch?
Sie arbeiteten früher als Sozialarbeiter und machen sich heute unter anderem für die Gleichstellung von Lebenspartnerschaften stark. Sind wir als Gesellschaft auf einem guten Weg? Können Sie uns Hoffnung machen?
Ich habe die Befürchtung, dass unsere Gesellschaft gerade nicht auf dem Weg ist, Meinungsvielfalt und Andersartigkeit zu tolerieren. Wir sind eher auf dem Weg, uns nicht mehr gegenseitig zuzuhören. Meine eigene Toleranz endet genau an dem Punkt, wo es intolerant wird. Wenn ich irgendetwas bin, dann bin ich: hochgradig Intoleranz-intolerant!
Auf Ihrer Homepage weisen Sie auf Ihre Version von "You'll Never Walk Alone" hin. Der Beitrag ist untertitelt mit dem Hashtag #loveislove, der Song soll "zur Stärkung Eurer Abwehrkräfte gegen Dummheit und Intoleranz!" beitragen. Welche Gegenmittel gibt es noch?
Einander zuhören!
"Ich bin null ambitioniert in Wettkämpfen"
"Auch "Guildo hat Euch lieb!" verbreitet im wahrsten Sinne des Wortes Liebe. Ist diese zeitlose Message für Sie rückblickend noch wichtiger als der damalige siebte Platz?
Einer muss es ja tun und sagen! Was meine Grand-Prix-Platzierung angeht: Ich bin null ambitioniert in Wettkämpfen. Ich probiere halt gerne Sachen neu aus und leiste Pionierarbeit. Danach ziehe ich weiter zum nächsten Abenteuer. Übrigens: Platz sieben kam schlichtweg vom Himmel geflogen.
Können Sie erklären, warum Deutschland beim ESC seit vielen Jahren weit von den Top Ten entfernt ist?
Keine Ahnung! Irgendwie trifft es gerade nicht mehr so ins Herz. Man kann es jedenfalls nicht erzwingen.
Aktuell feiern viele Retroshows ihr Comeback im TV. Wäre auch die Rückkehr von Musikshows wie der "ZDF-Hitparade" oder von "Disco" denkbar – stilecht mit Guildo Horn in bunten Schlaghosen als Moderator?
Die Idee ist vielleicht gar nicht so schlecht. Ich denke mal drüber nach. Die Reisbrett-Schlagersendungen, die zurzeit in unser Wohnzimmer flimmern, hinterlassen bei mir meist ein Fragezeichen. Davon abgesehen treten dort immer nur dieselben sieben bis zehn Interpreten auf. Jeder wie er mag, aber: Das kann doch bitte nicht Euer Ernst sein?!
Sie moderieren auf WDR4 die Kultshow "Discothek im WDR". Was entgegnen Sie denjenigen, die sagen: Guildo Horn muss man nicht hören, sondern auch sehen – und zwar im TV?
Einfach mal reinhören und dann beurteilen. Die "DIW" ist meine schrullige kleine Sendung, in der ich jeden Samstagnachmittag genau 50 Jahre versetzt, zurzeit also aus dem Jahre 1973, sende. Ein waschechtes Kleinod in den unendlichen Weiten der Radiogalaxie und die eingeschworene Fangemeinschaft wächst beständig.
Für mich ist es das erste Mal, dass ich eine eigene Radioshow zu verantworten habe. Ich bin Redaktion, Regisseur, Moderator und Techniker in einem. Das macht superduper viel Arbeit, bringt aber auch extrem viel Freude. WDR4 lässt mich an der langen Leine rennen und so trägt die Show rundherum meine zerklüftete Handschrift. Jeden Samstag ab 17.00 Uhr zu erhorchen. Einschalten und Wohlfühlen!
"Keinen Bock auf die WM"
Hat der Fußball unter der WM in Katar Ihrer Meinung nach gelitten?
Ich bin riesiger Fußballfan, habe aber keine einzige Minute der WM geguckt. Zum einen hatte ich schlichtweg keinen Bock, zum anderen war ich durchgehend, wie jedes Jahr, mit meiner Combo auf Weihnachtstour. Aber ich fand auch das Auftreten unserer Nationalmannschaft schlichtweg lächerlich. Wenn ich was zu sagen habe, mache ich den Mund auf und halte ihn mir nicht zu!
Sie fühlten sich von dem "beschämenden Getröte von Fifa Elefantino der Hoffnung beraubt". Wie bewerteten Sie im Anschluss die Diskussion um die One-Love-Binde?
Mach es oder lass es!
Pläne für 2023
Welche Pläne haben Sie für 2023? Wird es neue Musik und Konzerte mit den Orthopädischen Strümpfen geben?
Wir arbeiten just an einem Piep Piep Piep - 25 Jahre "Guildo hat Euch lieb!" Mini-Album, das im Mai erscheint. Und später gibt es zudem noch ein neues Weihnachtsalbum in Stereo und mit viel Lebkuchenherz frisch vom Erzeuger. Damit gehen wir dann ab November auf Jubiläumsjahr-Weihnachtstour. Ansonsten: Augen auf ... wir spielen viele Konzerte, dieses Jahr endlich auch wieder die "WDR4 sing(t) mit Guildo"-Mitsingkonzerte. Kommt vorbei und lasst Euch verwöhnen! Ihr habt es verdient!
Verteilen Sie bei Ihren Auftritten eigentlich nach wie vor Nussecken an die Fans?
Dieses Jahr gibt es mit Sicherheit die Jubiecke!
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