• Schlagersängerin Michelle feierte vor kurzem nicht nur ihren 50. Geburtstag, sondern auch "30 Jahre Michelle".
  • Im Interview mit unserer Redaktion verrät sie, wie die Zusammenarbeit mit Tochter Marie war, was hinter dem Song "Scheißkerl" steckt und was ihr das Lied "Romeo und Julian" bedeutet.
Ein Interview

Sie feiern "30 Jahre Michelle". Herzlichen Glückwunsch! Passend dazu erscheint am 13. Mai ein neues Album mit neuen Songs und alten Hits im ganz neuen Gewand. Warum kein klassisches Best-of? Weil Sie grundsätzlich nicht so gerne zurückblicken?

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Michelle: Nein, daran liegt es nicht. Ich schaue zwar grundsätzlich lieber nach vorne als zurück, aber ich bin davon überzeugt, dass es an der Zeit war, großartigen alten Songs ein neues Gewand zu verpassen. Diese Titel haben es verdient, noch einmal neu zum Leben erweckt zu werden. Das Gefühl zu einem Song von vor 20, 30 Jahren kann sich mit der Zeit ändern. Durch ein neues Gewand entsteht auch ein neues Gefühl und ein neuer Sound. Und es war großartig, diesen Entstehungsprozess im Tonstudio hautnah zu erleben.

Einer Ihrer neuen Songs heißt "Romeo und Julian". Eigentlich sollte das Thema Homosexualität heutzutage nicht mehr der Rede wert sein, ist es aber scheinbar doch …

Daher auch dieser Song, der überhaupt nicht speziell ist. Es geht um eine Liebesgeschichte, die einfach genauso normal ist, wie Homosexualität normal sein sollte. Es treffen sich zwei Männer und die verlieben sich ineinander. Das ist das Normalste der Welt.

Man soll nicht mehr daraus machen, als es ist! Ist das Ihre Message dahinter?

Genau. Ich empfinde es als schwierig, dass man in der heutigen Zeit immer erklären muss, etwas zu sein. Man definiert sich zu häufig darüber, dass man etwas ist. Und was oder wer man ist. Sexualität zum Beispiel ist etwas sehr Privates. Doch es wird erwartet, dass man sich mit Namen, Alter und am besten gleich noch Sexualität vorstellt. Also: "Mein Name ist so und so, ich bin XX Jahre alt und ich bin schwul." Warum muss man denn immer sagen, was man ist?

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Haben Sie eine Idee?

Naja, weil es so einem vielleicht leichter fällt, einen anderen Menschen in eine Schublade zu stecken. Jeder ist doch irgendetwas – und das ist völlig in Ordnung.

Ihre Karriere begann 1992 mit der Single "Und heut' Nacht will ich tanzen". Ist Ihnen 30 Jahre später immer noch nach Tanzen zumute?

Ich glaube, das ganze Leben ist ein riesiger Tanz. So sollte man das auch betrachten. "Und heut' Nacht will ich tanzen" ist heute noch ein wichtiger Song, weil die Menschen vergessen zu tanzen. Sie sind teilweise so in sich gefangen, aufgrund von Ängsten, Trauer, Wut oder Frust. Menschen sollen leben, tanzen, sich öffnen und frei sein. Das fehlt uns aktuell mehr denn je. Viele haben vergessen, dass sie ein Licht sind, das sie weitergeben können. Wenn sie das nicht mehr tun, wird es dunkler.

Sie waren für Ihre Teilnahme bei "Let's Dance", mussten sich jedoch vorzeitig gegen eine Fortsetzung in der Tanzshow entscheiden – aus gesundheitlichen Gründen. Geht es Ihrem Rücken inzwischen wieder besser?

Ich brauchte schon eine Weile, um zu verarbeiten, dass ich nicht mehr weitertanzen darf. Mir hat es wirklich Spaß gemacht. Doch der Arzt hat mir ein Tanzverbot erteilt, und an dieses habe ich mich auch gehalten. Wenn man jeden Tag acht bis zehn Stunden tanzt, dann ist das für den Rücken ein Problem – zumal man Bewegungen anwendet, die im normalen Alltag nicht vorkommen. Die "Trauerphase" war aber nach einer Woche beendet. Die Rückenprobleme habe ich wieder einigermaßen gut im Griff.

In Ihrem Pressetext zum Album "30 Jahre Michelle: Das war's... noch nicht" wird Ihnen "eine Glanzkarriere mit all ihren Höhen und Höhen" attestiert. Ganz ohne Tiefen gingen die vergangenen drei Jahrzehnte allerdings nicht vonstatten …

Jedes Leben besteht aus Höhen und Tiefen. Es geht nicht immer geradeaus. Es geht mal hoch, mal runter. Mal links, mal rechts. Ich glaube, dass das Leben wie ein Bach ist. Das Wasser fließt immer in eine Richtung – das ist das Ziel. Manchmal liegen vielleicht Steine oder ein Staudamm im Weg, sodass sich das Wasser einen Umweg bahnen muss. Aber: Es geht immer nach vorne, das Ziel bleibt unverändert. Aus den Umwegen oder Erfahrungen – mit Blick auf das menschliche Leben – lernt man und schlägt wieder den direkten Weg ein.

Sie waren mit Ihrer Tochter Marie Reim im Tonstudio, um das Duett "Vier Hände Zwei Herzen" aufzunehmen. Wie haben Mutter und Tochter bei der Zusammenarbeit harmoniert?

Zunächst einmal hat Marie den Song geschrieben – und das kann sie wirklich gut. Da kamen im Übrigen nicht nur Mutter und Tochter zusammen, sondern auch zwei hervorragende Künstlerinnen. Es war ein großer Spaß, auch weil wir uns musikalisch gesehen sehr ähnlich sind. Wir arbeiten auch relativ gleich. Diese "straighte" und konzentrierte Art hat sie vielleicht ein bisschen von mir. Marie weiß, was sie will.

Wollen Sie mit diesem Duett auch ein Stück weit zeigen, dass Mutter und Tochter nach dem angeblichen Zoff wieder ein Herz und eine Seele sind?

Nein, nein. Das Leben hat Höhen und Tiefen, wie bereits erwähnt. Auch in Familien gibt es nun einmal Dinge, die nicht für jeden immer richtig laufen. Der Song hat einen ganz anderen Hintergrund. Wir wollten einfach eine coole, starke Mutter-Tochter-Geschichte in die Welt hinausschicken. Marie hat sich da selbst übertroffen. Der Titel hat eine tolle Energie und ist ganz bewusst keine Ballade geworden. Diese Kraft-Nummer sagt einfach alles, was uns beide ausmacht.

Haben Sie es von vornherein befürwortet, dass Ihre Tochter in Ihre musikalischen Fußstapfen getreten ist?

Ich befürworte alles, was meine Kinder machen, wenn es um ihren Lebensweg geht. Es wäre falsch, das als Mutter nicht zuzulassen oder nicht zu unterstützen. Im Leben gibt es wenig Schlimmeres, als einen Job ausüben zu müssen, den man nicht mag. Nur wenn man seinen Kindern diese Möglichkeiten gibt, können sie ihre Erfahrungen machen und letztlich ihren Weg finden. Ich bin da und stütze meine Kinder.

Gemeinhin heißt es, dass man mit Frauen nicht über das Alter spricht. Wie stehen Sie dazu? Sie feierten im Februar Ihren 50. Geburtstag?

… "dass man mit Frauen nicht über das Alter spricht". Ja, warum denn nicht? Hierbei handelt es sich doch auch wieder um eine dieser Einschränkungen im Leben, die "man" sich selbst gegeben hat. So etwas gibt es bei mir nicht. Man ist eben so alt, wie man ist.

Aber das Alter nimmt doch schon Einfluss auf das Leben. Auch auf Ihre musikalische Arbeit?

Natürlich hat das Album "30 Jahre Michelle" eine andere Reife, weil man auf viel mehr Erfahrungen zurückgreifen kann. Ich hatte das große Glück, in meinen 50 Jahren sehr viele Erfahrungen mit allen Höhen und Tiefen zu sammeln. Ich denke, das spürt man auch in den Songs, in der Stimme und im Leben. So ist es genau richtig – und so wird es auch die nächsten 30 Jahre weitergehen.

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Was halten Sie von Menschen, die anderen – vornehmlich Frauen – vorschreiben wollen, ab welchem Alter sie nicht mehr sexy sein oder sich sexy kleiden dürfen?

Die waren mir immer völlig egal (lacht). Da sind wir wieder bei dem Thema. Ich bin 50. Ich bin schwul. Ich bin lesbisch. Ich bin Bauer. Ich bin Sänger. Ich arm. Ich bin reich. Das alles spielt doch keine Rolle. Meine Devise ist eine andere: Ich bin, wie ich bin. Allerdings möchte ich auch nicht über diejenigen urteilen, die anderen vorschreiben wollen, wie man zu sein hat. Das muss jeder mit sich selbst ausmachen. Jeder hat die Chance, für sich selbst zu entscheiden – in jeder Sekunde seines Lebens.

Ein Titel auf Ihrem Album heißt "Scheißkerl". Was steckt dahinter?

Fast jede Frau hatte doch schonmal so einen "Scheißkerl" an ihrer Seite, von dem sie einfach nicht losgekommen ist. Das ist einfach das Drama vieler Frauen. Eine völlige Verblendung, der man am Anfang einer Beziehung ausgesetzt sein kann. Diese rosarote Brille habe ich, bezogen auf den Song, einfach "Scheißkerl" genannt.

Ihr Ex Matthias Reim ist kein "Scheißkerl", oder?

Nein, der ist ein Idiot (lacht).

… aber Sie fühlen heute noch wie damals, um den Songtext Ihres legendären Duetts "Du Idiot" aufzugreifen?

Ganz genau. Wir sind eine große Patchwork-Familie, wir haben gemeinsame Kinder. Ich finde es wichtig, dass sich die Erwachsenen auch erwachsen geben. Aus eigener Erfahrung weiß ich nämlich, wie es ist, wenn sich Kinder für die Trennung der Eltern verantwortlich fühlen. Wir haben das richtig gut hingekriegt.

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