Mit einem Tweet aus einer Bierlaune heraus fing alles an - dann landete die Punkband ZSK aus Berlin einen echten Internethit. Ihr Song "Ich habe Besseres zu tun" über Christian Drosten kam nicht nur bei den Fans, sondern auch beim Virologen selbst gut an. Grund genug, bei Sänger Joshi nachzufragen, ob Drosten wirklich so entspannt ist, wie er immer wirkt, ob sich die Fans Hoffnung auf ein baldiges Duett machen können und wie die Band mit Drohungen umgeht.

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Ende Mai hatte Deutschlands wohl bekanntester Virologe Christian Drosten eine Presseanfrage der "Bild"-Zeitung auf Twitter öffentlichkeitswirksam auseinandergenommen. Vor allem sein launiger Schlusssatz "Ich habe Besseres zu tun" begeisterte Fans und Follower.

Die Berliner Punkband ZSK, die seit über 20 Jahren durch die Lande tourt und sich unter anderem gegen Rechtsextremismus stark macht, forderte einen Monat später ihre Fans heraus: "1.000 Retweets und wir schreiben einen Song, wo wir @c_drosten abfeiern. Titel: "Ich habe Besseres zu tun".

Es kam, wie es kommen musste: Die geforderten Retweets waren schnell zusammen, ein Video bald auf YouTube veröffentlicht. In dem Song wird nicht nur Drostens Arbeit als Wissenschaftler gelobt, sondern unter anderem auch sein schönes Haupthaar.

Doch damit nicht genug. Es kam zu einem Treffen zwischen ZSK-Sänger Joshi und dem Virologen, bei dem Letzterem die (bisher) einzige Pressung geschenkt wurde und er versprach, "das Lied gerne mal live" mit ZSK zu spielen.

Ob wir tatsächlich mit einem gemeinsamen Auftritt rechnen können und wie die Band mit den negativen Auswirkungen des Hypes umgeht, haben wir Joshi gefragt.

War tatsächlich der mittlerweile fast schon legendäre Drosten-Antwort-Tweet der Anlass für den Song oder hattet ihr auch schon vorher mit dem Gedanken an so ein Lied gespielt?

Joshi: Das war wirklich einfach ein kleiner Scherz von uns auf Twitter. Das ist ja ein sehr schnelles und lustiges Medium. Wir dachten, das kriegt vielleicht 100 oder 200 Retweets und dann waren es aber innerhalb von anderthalb Stunden schon mehr als tausend. Da wurde uns klar: Wir kommen aus dieser Nummer nicht mehr raus.

Im Video macht der animierte Professor unter anderem Xavier Naidoo und Attila Hildmann platt – gerade Letzterer hat ja in den Tagen seit der Veröffentlichung des Videos verbal noch einmal krass aufgerüstet. Mittlerweile interessiert sich auch die Justiz für seine Drohungen. Fürchtet ihr, in den Fokus von ihm und seinen Anhängern zu geraten?

Hildmann hat seine Anhänger längst über seinen Telegram-Kanal auf uns gehetzt. Wir kriegen ohne Ende Beschimpfungen und Drohungen auf allen Kanälen. Aber ganz ehrlich: Wir sind das seit Jahren aus der militanten Naziszene gewohnt. Wir können mit dem ganzen Hass, den wir da abbekommen, gut umgehen.

Joschi von ZSK: "Freuen uns über Leute, die klare Kante zeigen"

Neben den unbelehrbaren Aluhutträgern, die Corona sowieso für einen Hoax halten, stören sich ja manche an der "Heldenverehrung" gegenüber Drosten. Wer so gar keinen Humor hat, könnte sicher kritisieren, dass euer Song dazu beiträgt, den "Popstar" Drosten in den Fokus zu rücken und nicht den Virologen.

Wir freuen uns einfach über Menschen, die klare Kante zeigen und versuchen die Welt ein bisschen besser zu machen. Das sind zum Beispiel die Crews von "Seawatch" auf dem Mittelmeer und das kleine alternative Jugendzentrum im Sachsen, das trotz Angriffen von Nazis weitermacht.

Oder eben jemand wie Drosten, der mit seiner Forschung Leben rettet und sich von der Kampagne der "Bild"-Zeitung nicht fertigmachen lässt. All diese Menschen tauchen in unseren Songs auf, weil wir sowas feiern. Das hat weniger mit Heldenverehrung, sondern einfach mit Wertschätzung und Solidarität zu tun.

Das Bild von eurem Treffen ist ja echt der Knaller - war es so lustig, wie es wirkt? Und wann sehen wir euch wieder gemeinsam – wenn auch vielleicht nicht auf der Bühne, aber ganz typisch für das Jahr 2020 im Videochat-Konzert?

Das war ein total nettes Treffen. Drosten ist wirklich ein sehr angenehmer, bescheidener Typ. Wir haben knapp eine halbe Stunde über Punkrock, Twitter und COVID-19 gesprochen. Er und sein ganzes Team haben sich über den Song wirklich sehr gefreut. Wir haben ausgemacht, dass wir, sobald es wieder normale Konzerte geben kann, einen Termin ausmachen und er vorbeikommt und auf der Gitarre mitspielt. Das wird großartig!

Gibt es Pläne, den Song doch noch zu veröffentlichen?

Das Lied erscheint am 31. Juli auf allen gängigen Streamingplattformen. Das ging alles nicht so schnell, weil wir ja ursprünglich einfach nur dieses Video veröffentlichen wollten. Wir hätten nie gedacht, dass das alles über Nacht so ein Riesending wird.

"Wir hätten den Sommer über 25 Festivalauftritte gehabt"

Wie stark trifft euch die aktuelle Krise, die ja quasi den Kulturbetrieb komplett lahmlegt. Fühlt ihr euch unterstützt oder wenigstens ausreichend informiert vonseiten der Politik? Wie sieht es denn in euren beruflichen Netzwerken aus - seht ihr Hoffnung auf Besserung?

Für uns und alle Kulturschaffenden ist dieses Jahr natürlich die absolute Katastrophe. Wir wären im März auf unsere Japan-Tour aufgebrochen und hätten den Sommer über 25 Festivalauftritte gehabt.

Viele Clubs, in denen wir immer wieder gespielt haben, stehen kurz vor dem Ende. Aber wir als Band wollen da wirklich gar nicht jammern. Es käme uns falsch vor, rumzunörgeln, dass wir keine Konzerte spielen können, während andere Leute am Beatmungsgerät hängen.

Euer letztes Album heißt "Hallo Hoffnung". Zu den Themen, die euch am Herzen liegen - AfD im Bundestag, Nazis - sind nun einige dazugekommen, an die 2018 bei Veröffentlichung noch nicht zu denken war. Habt ihr Hoffnung für die Welt – oder einfach weg damit?

Es sind definitiv finstere Zeiten. Keine Frage. Aber es passiert auch viel Gutes. Die "Black Lives Matter"-Bewegung, "Fridays for Future", "Ende Gelände", Proteste gegen die AfD - es gibt weiterhin wahnsinnig viele schlaue, großartige Menschen, die da draußen jeden Tag für eine bessere Welt kämpfen. Das finden wir genial und unterstützen das, so gut wir können. Man darf die Hoffnung einfach nicht verlieren.

Ein schönes Schlusswort. Vielen Dank für das Gespräch!

ZSK: "Ich habe Besseres zu tun"

Der Song "Ich habe Besseres zu tun" ist eine Hommage an Virologe Christian Drosten. © YouTube
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