Irgendwas ist immer. Aktuell ist Haushaltsloch. Und der erste Advent. Christian Lindner macht aber vor allem Ersteres zu schaffen. Dabei hängt beides ganz eng zusammen. Das Zauberwort heißt: Effizienz. Eine Adventssatire.

Eine Satire
Diese Satire stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Wahrscheinlich haben Sie es schon gehört: Es fehlen so ungefähr 60 Milliarden Euro. Also nicht Ihnen persönlich. Gott sein Dank! Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber fehlten Ihnen tatsächlich 60 Milliarden Euro, wären Sie ziemlich in der Bredouille. Da können Sie noch so sehr die Reste aus der Zahnpastatube drücken, das kriegen Sie zu Lebzeiten nicht mehr zusammengespart.

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Nein, im Haushalt, also uns allen, fehlen so ungefähr 60 Milliarden Euro und ich sage auch nur "so ungefähr", weil ich den genauen Betrag nicht kenne.

Bei 60 Milliarden im Haushalt kommt es auf die eine oder andere Milliarde auch gar nicht an. Fehlte die Milliarde an anderer Stelle, wäre das schlimmer. Beim Rückgeld an der Supermarktkasse zum Beispiel. Mir würde das nicht auffallen, anderen vielleicht schon. Gibt ja Leute, die gehen nach dem Einkauf nochmal den Kassenzettel durch und gucken, ob’s stimmt. Ist mir zu aufwändig, bin ich ehrlich. Klar würde auch ich mich über eine Differenz von einer Milliarde beim Rückgeld ärgern, aber mir wäre sie ja nicht aufgefallen.

Ostereier riechen nicht

Doch zurück zum Haushaltsloch. Da muss man natürlich jetzt gucken, wie man das gestopft kriegt. Ich kann mir gut vorstellen, dass Christian Lindner gerade noch einmal die Kassenzettel der letzten Monate durchgeht, ob er da nicht vielleicht ein bisschen Rückgeld zu wenig bekommen hat, aber bei 60 Milliarden bin ich pessimistisch.

Trotzdem gut, dass Christian Lindner Finanzminister ist und nicht ich. Ist einfach nicht mein Ding, das mit den Kassenzetteln. Aber wir verkassenzetteln uns schon wieder.

Jedenfalls brauchen wir Geld und da heißt es jetzt schon, man müsse bei allem effizienter werden. Auch sonst sei das eine gute Idee, Deutschland hinke da inzwischen hinterher. Daher ist es gut, dass nun der erste Advent ist. Denn wenn es um Effizienz geht, ist Weihnachten eines der besten Feste überhaupt.

Ist Ihnen zum Beispiel einmal aufgefallen, dass Weihnachten das einzige Fest ist, das man riechen kann? Plätzchen, Tannengrün, Räuchermännchen, Zimt – Weihnachten ist ein Fest für die Nase. Ostern oder Pfingsten sind dagegen ein olfaktorischer Totalausfall. Ostereier riechen nicht.

Und all die Gerüche sind die perfekte Gelegenheit, effizient zu sein. Nehmen wir zum Beispiel den Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt. Klar sind die Einstiegskosten von fünf und mehr Euro für ein Becherchen Billo-Plörre, die der Student hinterm Tresen schnell aus ein paar alten Tetrapacks zusammengerührt hat, erst einmal hoch, aber nach nur acht bis zehn Bechern rechnet sich das Ganze. Denn bei welcher anderen Gelegenheit kann man die Innenstadt schneller nach Alkohol und Erbrochenem riechen lassen, als durch einen Besuch des Glühweinstandes? Da braucht man sonst Monate für. Reine Effizienz! Christian Lindner wäre stolz auf uns.

Christian Lindner

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Weihnachten, ein Fest der Effizienz

Doch auch zwischen dem ersten und dem letzten Becher Glühwein gibt es reichlich Möglichkeiten, effizient zu sein. Etwa, wenn man die Glühwein-Nummer nach Dienstschluss mit den Kollegen und dem Chef durchzieht. Wer hier umsichtig zu Werke geht und sich frühzeitig eine dieser Weihnachtsmannzipfelmützen aufzieht, kann sich mit nur einem Glühweinstandbesuch betrunken, zum Affen, ausfällig und arbeitslos machen. Wo bitte sonst gibt es noch solche Effizienz? Eigentlich nur an Heiligabend.

Denn so Gott und Claus Weselsky wollen, werden wir bald zusammen mit unseren Liebsten unterm Weihnachtsbaum sitzen und können dort aus dem Fest der Nächstenliebe ein Fest der Effizienz machen. Hier, Sie kennen das, lässt sich all der angestaute Frust über die anderen an nur einem einzigen Abend ausleben. Da kann der Vater stolz von seinem neuen SUV erzählen und einem vorwerfen, man verbaue sich mit seinem brotlosen Studium der Kulturwissenschaften die Zukunft. Man selbst wiederum wird bei seiner Antwort nur in sarkastisches Gelächter ausbrechen, denn die eigene Zukunft gefährde nicht das Studium, sondern der SUV des Vaters. Wann bitte hat man denn sonst die Gelegenheit, sich darüber mal auszutauschen, wenn nicht an Heiligabend?

Die Mutter wiederum sieht die Stimmung schon kippen, dabei habe sie sich so viel Mühe gegeben. Aber das sei den anderen wurscht, sei es schon immer gewesen und überhaupt sei die Ehe auch nicht mehr das, was sie noch nie war. Das wolle sie immer schon mal loswerden. Oma Inge sitzt derweil mit zwei Promille im Turm da und wird ausfällig, weil man sie immer nur an Weihnachten aus dem Heim hole. "Richtig!", hört man sich selbst aus dem Off beipflichten, die Familie sei plötzlich nur an diesem Scheiß-Weihnachten wichtig und bekäme man wieder einen Gutschein für den Baumarkt, könne man sich den gleich sonst wohin stecken, unpersönlicher gehe es ja wohl kaum. Da ist der Frust aus 25 Jahren Weihnachtsgeschenkenttäuschung maximal effizient kommuniziert.

Ein Fest für Christian Lindner

Lediglich die Tochter bricht aus dieser Familienstreit-Effizienz aus, denn sie habe ihren neuen Freund direkt nach der Bescherung zum Abholen bestellt, schließlich habe sie genau gewusst, wie das alles ablaufen wird. Man mag gar nicht daran denken, wie viel Streit durch diesen frühen Abgang verloren geht! Immerhin können Tochter und Freund Oma Inge noch zurück ins Heim fahren, so holt man wenigstens ein bisschen Effizienz wieder rein.

Und während Mama sich noch darüber aufregt, dass die anderen ja wenigstens die Spülmaschine einräumen können und Papa einem erklärt, dass man den Baumarkt-Gutschein gut gebrauchen könnte, hätte man halt was Handfestes gelernt und nicht so einen Kulturwissenschaften-Quatsch, kann man sich wenigstens freuen, dass man den Abend doch ganz im Sinne der Effizienz genutzt hat.

Und das Beste: Man kann völlig entspannt mit dem Wissen ins neue Jahr gehen, sich dort zwölf Monate lang nicht aufregen zu müssen. Denn Weihnachten ist jedes Jahr, der nächste Familienstreit also schon gebucht. Wer noch effizienter sein möchte, kann sich das Jahr über auch Notizen machen, damit ja kein Streit vergessen wird. Die ganz Progressiven haben dafür vielleicht sogar eine WhatsApp-Gruppe gegründet oder teilen den Streit bei GoogleDrive. Der Effizienz wegen. Ich stelle mir Christian Lindner an diesem Weihnachten als einen sehr glücklichen Menschen vor.

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