"Roar" von Katy Perry, "Happy" von Pharell Williams - schaltet man hierzulande das Radio ein, dauert es lange bis ein deutscher Titel gespielt wird. Dieses Ungleichgewicht entfacht in Deutschland seit den 90ern regelmäßig Diskussionen um eine Radioquote zugunsten deutsch(sprachig)er Musik. Erst kürzlich haben sich CSU-Politiker wieder für die Idee ausgesprochen. Doch wie stehen Musiker zur Quote? Johannes Strate, Leadsänger von Revolverheld, und die Newcomer-Band OK KID sind sich einig: deutsche Musik ja - gesetzliche Regelung nein.
Alle Jahre wieder fordern Politiker, Musiker oder Vereine eine Deutschquote im Radio. Bisher sind alle Gesetzesentwürfe und Initiativen gescheitert, doch ein Blick ins Nachbarland Frankreich hält die Diskussion am Leben. Dort gibt es seit 1994 eine entsprechende Regelung - und die hat den Musikmarkt beflügelt: Seit 40 Prozent der Beiträge von nationalen Interpreten stammen müssen, stiegen die Verkaufszahlen französischer CDs ins In- und Ausland beachtlich. Trotzdem sehen deutsche Musiker das Thema Radioquote kritisch.
Die Quote ist nicht zeitgemäß
Bevor in den 1980ern die Neue Deutsche Welle das Land eroberte, war es für deutschsprachige Künstler tatsächlich schwer, sich kommerziell zu etablieren. Dann stürmten Interpreten wie Nena ("99 Luftballons") die Charts und ebneten den Weg für eine neue Generation deutscher Musiker. Die Ärzte, Xavier Naidoo, Tim Bendzko - sie alle profitierten von der Strömung. Ist das Quoten-Konzept also überholt?
Die Jungs von OK KID, einer Newcomer-Band aus dem Raum Gießen, können das nur bekräftigen: "Man sieht ja gerade, dass sich deutsche Musik im Radio mehr denn je durchsetzt. So was muss man nicht festlegen." Und tatsächlich: Musik made in Germany ist so erfolgreich wie noch nie; deutsche Texte schwer angesagt. Diesen Trend belegen die Zahlen des Bundesverbandes für Musikindustrie. 2013 waren in den Top 10 Album-Charts ganze sieben deutsche Musiker und Musikerinnen vertreten. Auch die erfolgreichste Platte des Jahres "Farbenspiel" stammt mit Helene Fischer von einer nationalen Künstlerin.
Offenbar war am Ende gar keine Quote nötig, damit die Deutschen den musikalischen Wert ihrer Sprache erkennen. Bloß etwas Zeit. Trotzdem spielen laut dem Verein Deutscher Sprache die meisten Sender bis zu 90 Prozent englische Hits. Woran liegt das?
Die Quote tut nichts für Newcomer
Oft scheitern Künstler auf dem Weg ins Radio aus ganz anderen Gründen. Im Falle von Revolverheld war es weniger die Sprache als der musikalische Stil, der zu Karrierebeginn bei den Sendern aneckte. "Bei uns ging es mehr um den Sound. Der war zu rockig, und dann wollten ihn die Sender nicht spielen. Da hieß es immer: 'Weniger E-Gitarre, weniger E-Gitarre'", so Strate.
Dieses Problem haben viele Musiker, darunter auch zahlreiche Newcomer. Laut Strate hätten die es auch mit Quote nicht einfacher. Es zählt vor allem der Massengeschmack. Ob Deutsch oder Englisch ist erst einmal Nebensache.
OK KID sind gerade selbst auf dem Weg nach oben und zweifeln daran, dass eine Quote helfen würde: "Es gibt so und so viele Newcomer. Der Sendeplatz, den die Radioquote für deutsche Musiker freihalten würde, würde durch die Artists besetzt werden, die ohnehin schon gespielt werden. Auf Newcomer hätte das keinen großen Einfluss".
Doch lieber die sichere Nummer
Ob etablierter Künstler oder aufstrebender Nachwuchs - in einer Sache sind sich die Musiker in jedem Fall einig. Sie wünschen sich von Radioredakteuren mehr Flexibilität bei der Auswahl der Beiträge und den Mut, auch weniger Populäres zu spielen. "Das Radio richtet sich zu sehr nach der Nachfrage. Die spielen eher 100 Mal den neuesten Hit von
Dabei gäbe es nach Meinung des Revolverhelden genug deutsche Künstler, die das musikalische Rüstzeug mitbringen: "Es gibt in Deutschland eine große Musikvielfalt. Davon sind natürlich viele nicht radiotauglich, deshalb aber nicht schlecht."
Auch OK KID sehen darin ein Problem: "Radiostationen suchen sich Sicherheitsnummern raus, bei denen sie merken, dass sie bei Hörern nicht anecken." Dabei verfolge das Radio nach Ansicht der Band auch einen gewissen Bildungsauftrag: "Das Radio kann seine Hörer ja auch ein bisschen erziehen. Ich meine jetzt nicht, junge Künstler fördern. Sondern dass man da generell mehr Musikstile und Genre bringen kann, die nicht nur im Mainstream funktionieren". Und weiterhin: "Es gibt auch geile deutsche Bands, die auf Englisch texten. Wichtiger als eine Quote wäre, dass die Radiosender musikmäßig ein bisschen was wagen." Also liebe Radioleute, traut euch was!
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