Bei der neuen Staffel der ProSieben-Show "Beauty & The Nerd" wohnen Schönheiten und Außenseiter gemeinsam in einer Villa und müssen paarweise zusammenfinden. Klingt irgendwie spannend, ist aber nur eine Trash-TV-Show wie jede andere, an deren Ende man nicht mehr weiß, wer hier der eigentliche Nerd ist.

Christian Vock
Eine Kritik
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Ja, manche Dinge brauchen ein bisschen Zeit. Ein guter Whisky, sagt man zum Beispiel. Oder ein guter Käse. Bei der ProSieben-Show "Beauty & The Nerd" ist es ähnlich.

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Stolze sieben Jahre hat der Sender aus Unterföhring gebraucht, um sich für eine zweite Staffel der Show zu entscheiden. Doch anders als bei Käse und Whisky sagt die Wartezeit bei "Beauty & The Nerd", so viel sei verraten, nichts über die Qualität des Produkts aus. Wirklich gar nichts.

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Doch von vorne. Das Grundkonzept von "Beauty & The Nerd" ist denkbar einfach, alleine der Titel bietet schon nicht allzu viel Spielraum. In einer Villa versammeln sich sieben Schönheiten und sieben "Nerds" und, die gleiche Anzahl verrät es, bilden sieben Paare.

Diese Paare wiederum spielen um 50.000 Euro. Jede Woche fliegt ein Paar raus bis das Gewinnerpaar feststeht. So weit, so simpel und bei "simpel" wären wir auch schon beim Stichwort.

Denn wie genau definiert ProSieben denn, wer nun eine "Beauty" ist und wer ein "Nerd"? Der Off-Sprecher gibt gleich zu Beginn von Folge eins dezente Hinweise, dass man von Seiten der Produktionsfirma keine Lust hatte, sich mehr Gedanken, als nur den erstbesten zu machen: "In dieser Villa auf Ibiza trifft Einsamkeit auf Eitelkeit", heißt es über die Kandidaten im Allgemeinen, und "eine schöner und selbstverliebter als die andere" über die Beautys im Speziellen.

"Beauty & The Nerd": Konzept erinnert ein bisschen an vorherige Jahrhunderte

Bei den "Nerds" hat man sich noch weniger Mühe gegeben, keine Klischees zu bedienen: "Schüchterne Sonderlinge, für die echte Beautys Fremdkörper sind", "Wer schafft den Sprung von der Knalltüte zur Siegertype?" oder auch: "Sieben zumeist ungeküsste Liebesloser und Gamer".

Kurzum, ProSieben degradiert hier seine Kandidatinnen und Kandidaten zu eindimensionalen Stereotypen. Hier das dumme Blondchen, dort der verhaltensauffällige Versager. Warum denn auch differenziert, wenn es doch so einfach geht?

Das Konzept, Außenseiter zu Unterhaltungszwecken auftreten zu lassen, ist schließlich nicht neu und erinnert ein bisschen an vorherige Jahrhunderte, als man sich auf Jahrmärkten über kleinwüchsige Menschen lustig machte oder über die Frau mit dem Bart. Nun sind es eben "Beautys" und "Nerds". Und deren Erstkontakt läuft so, wie es die Produktionsfirma erwartet haben dürfte: mit viel Unbehagen.

Superman-T-Shirt, Jesus-Gewand und Mütze mit Elfenohren – ernsthaft?

In der Villa stehen die Schönheiten aufgereiht und lassen sich einen Nerd nach dem nächsten präsentieren, bis sich jede "ihren" Nerd ausgesucht hat. Insbesondere für Dion wird die Prozedur unangenehm, denn er ist zunächst der Erste, der sich vorstellen muss, und da ihn keine der Damen will, am Ende auch der Letzte, der die übriggebliebene Beauty nehmen muss, in dem Wissen, dass die schlicht keine Wahl mehr hat.

Und während sich hier ein Nerd nach dem anderen den abschätzigen Blicken der Schönheiten aussetzen muss, kann man sich bei der Klamottenwahl der Herren nur schwer vorstellen, dass die Produktionsfirma die Kandidaten nicht darum gebeten hat, sich für den TV-Auftritt doch bitte möglichst nerdig anzuziehen: Superman-T-Shirt, Jesus-Gewand und Mütze mit Elfenohren – ernsthaft?

Doch hat man die intellektuelle Kapitulation der Showidee als Zuschauer erst einmal unterschrieben, dann entpuppt sich "Beauty & The Nerd" als eine Trash-TV-Show wie jede andere auch. Nur kann man sich hier davon ausruhen, dass sich im Schnitt sympathischere Charaktere zum Affen machen, als die üblichen Promis.

Zumindest für kurze Zeit, denn es wird nicht lange dauern, bis sich die eine oder andere Beauty in Dschungelcamp-Größenordnungen hochgearbeitet hat. Emmy und Selina machen jedenfalls den Anschein, als könnten sie auch in anderen Formaten locker mithalten.

"Ich schlag die, ich hasse so was"

Doch bis dahin müssen die Schönheiten erst einmal Level 1 durchspielen und "Beauty & The Nerd" meistern, wo ihnen die Trash-TV-Grundlagen beigebracht werden - und die heißen: explosives und bizarres. Für alles dazwischen gibt es wie in allen Trashshows auch bei "Beauty & The Nerd" Alkohol und Poolpartys. In welche Richtung es dann bei dieser Kombination ausschlägt, liegt am Improvisationstalent und der Frustrationstoleranz der Kandidaten.

In Folge eins jedenfalls sorgt eine kleine Unachtsamkeit von Beauty Kim dafür, dass hier der Kuckuck in beide Richtungen fliegt. Die 19-Jährige verschüttet beim gemeinsamen Tanzen nämlich etwas Champagner auf die Klamotten von Emmy und Selina, was bei den beiden zur bizarren Sofortexplosion führt: "Ich schlag die, ich hasse so was", ist noch das Netteste, was Selina über Kim sagt.

Als sich Kim auch noch unzureichend entschuldigt, gerät "Selinas Nerd" Dion beim Schlichten ins Kreuzfeuer und kann sich zumindest darüber freuen, sein bisheriges Wissen über Schimpfwörter von Selina deutlich erweitern zu bekommen.

ProSieben würzt die Show mit den üblichen Trash-TV-Elementen

Die junge Dame ist jedenfalls so in Rage, dass sie noch in derselben Nacht die Show verlässt und eine "Ersatz-Beauty" aktiviert werden muss. So weit also nichts Unbekanntes.

Und sollte Alkohol als Eskalationskatalysator nicht reichen, würzt ProSieben die Show mit den üblichen Trash-TV-Elementen: ein Test zum Blamieren, Anfassspielchen oder ein erzwungener Partnerwechsel, den Rest-Inhalt erzeugt die mangelnde Impulskontrolle der Kandidatinnen und Kandidaten und die Regel, dass sich die Paare gegenseitig herausschmeißen können. In Folge eins trifft es Karina und Flamur.

Damit reiht sich "Beauty & The Nerd" einfach nur ein in all die anderen Trash-TV-Shows, bei denen man zwar das Ziel erkennt, aber nicht den Sinn. Am Ende bleibt lediglich die Ungewissheit, ob man nicht vielleicht selbst der Nerd ist, wenn man sich so eine Show anguckt.

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