Ed Herzogs Kinokomödie "Dampfnudelblues" ist der beste Beweis dafür, wieso der schlechte Ruf des deutschen Humors völlig ungerechtfertigt ist. Zumindest was einen Teil der Bundesrepublik betrifft.

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Seit Marcus H. Rosenmüller 2006 mit der Lausbubengeschichte "Wer früher stirbt, ist länger tot" einen Kinohit landete, herrscht ein regelrechter Bayern-Boom. Weitere Filme Rosenmüllers, wie "Schwere Jungs" oder "Wer's glaubt, wird selig" haben Kritiker wie Zuschauer ebenfalls mit offenen Armen empfangen. In dieser Tradition steht auch "Dampfnudelblues", die Verfilmung eines Romans von Rita Falk, die am 1. August in den Kinos startet. Doch was genau macht den urigen Humor der Bayern eigentlich aus?

Die Humorlosigkeit der Deutschen

Vorneweg muss gesagt werden, dass der deutsche Humor im Allgemeinen verschrien ist wie kein zweiter. In internationalen Umfragen zur "lustigsten Nation" bildet die Bundesrepublik immer wieder das traurige Schlusslicht. Das Klischee des obrigkeitshörigen, pflichtbewussten und zugeknöpften Spießbürgers haftet so hartnäckig an ihren Bewohnern wie der Ruf, zuverlässige Autos zu bauen.

In der Tat wirkt das, was hierzulande zur besten Sendezeit an Comedy läuft, meist reichlich uninspiriert. Und wenn ein Mario Barth es vermag, mit seinem Programm ganze Stadien zu füllen, dann wird schnell ersichtlich, wieso "witzig" und "deutsch" gerne als krasse Gegensätze verstanden werden. Ganz Deutschland scheint von billigem Kalauer-Humor besetzt... Ganz Deutschland? Nein! Ein von unbeugsamen Grantlern bevölkerter Landstrich hört nicht auf, dem Einheitsbrei Widerstand zu leisten.

Zäfix Hahleluja!

Dass die Bayern als etwas sonderbar gelten, liegt nicht zuletzt am Dialekt. Den versteht außerhalb Bayerns niemand so recht, allenfalls in Österreich. Dafür eignet er sich hervorragend zum Fluchen. Das Besondere dabei ist, dass die bayerische Schimpftirade umso drolliger klingt, je wutentbrannter sie wird.

Bestes Beispiel: der Engel Aloisius, Protagonist der Geschichte "Ein Münchner im Himmel". Die 1911 von Ludwig Thoma veröffentlichte Satire erzählt die Geschichte des Bahnhofsdienstmannes Alois Hingerl, der nach seinem Tod in den Himmel auffährt, nur um festzustellen, dass es dort alles andere als himmlisch zugeht. Unter anderem weil er auf sein geliebtes Bier verzichten muss, beginnt Aloisius wild zu fluchen, anstatt wie die anderen Engel zu frohlocken: "Hahleluja - Luhja - Luhja sag i - zäfix Hahleluja!!!"

Weil der Liebe Gott mit einem solchen Störenfried im Himmel nichts anfangen kann, soll Aloisius als Bote die göttlichen Eingebungen an die bayrische Regierung übermitteln. Statt seinen Auftrag jedoch ordnungsgemäß auszuführen, geht Aloisius auf direktem Weg ins Hofbräuhaus und bestellt sich eine Maß nach der anderen. Der Legende zufolge sitzt er dort noch heute, weshalb die Regierung auch nach wie vor auf die göttlichen Eingebungen wartet.

Ein Prosit der Gemütlichkeit

Der "Münchner im Himmel" wurde zum Archetypen des sogenannten Grantlers. So nennt man in Bayern eine Person mit mürrischer Grundstimmung, die am liebsten ihre Ruhe hat und kein Freund von Überraschungen oder Veränderungen ist. Oft Schnauzbart tragend und in traditioneller Tracht gekleidet vor sich hin brummelnd ist diese Figur ein beliebtes Klischee und in der bayerischen Komik unverzichtbar geworden. Natürlich fehlt der Grantler auch im "Dampfnudelblues" nicht - hier taucht er in Gestalt des Schnupftabak-affinen Vorgesetzten des Protagonisten auf.

In der klischeehaften Überzeichnung von Figuren, die jeder aus dem Alltag kennt, liegt ein wichtiges Kennzeichen des bayerischen Humors. So soll der Gesellschaft spöttisch ein Spiegel vorgehalten werden. Wie der britische Humor kommt der bayerische sehr trocken, derb und tabulos daher. Ein besonders beliebtes Thema ist die Gottesfürchtigkeit der bayerischen Landbevölkerung. So versucht der Hauptdarsteller in "Wer früher stirbt, ist länger tot", Unsterblichkeit zu erlangen, um so dem angesichts seines langen Sündenregisters sicheren Fegefeuer zu entrinnen.

Im "Dampfnudelblues" wird unterschwellig Kritik an der scheinbar heilen Welt eines bayerischen Provinznestes geübt. Der aus München ins Kaff strafversetzte Ermittler Eberhofer soll den mysteriösen Tod des allseits unbeliebten örtlichen Schuldirektors aufklären. Dabei blickt dabei er immer weiter in die skurrilen Abgründe, die unter der Fassade ländlicher Idylle zum Vorschein kommen.

Tradition ist alles

Gerade die satirisch-nüchterne Auseinandersetzung mit dem trägen gesellschaftlichen Konservativismus prägt den bayerischen Humor. Der kritische Unterton, mit dem die Absurditäten scheinbar banaler Alltagssituationen hervorgehoben werden, verleiht dem Witz einen doppelten Boden. Ihren wohl wichtigsten Wegbereiter hatte diese dialektische Form des Humors im 1948 verstorbenen Komiker Karl Valentin, der auch namhaften Nichtbayern wie Loriot, Helge Schneider oder Samuel Beckett als Vorbild diente.

Sei es die bayerische Regierung, die seit einer Ewigkeit auf ihre göttliche Eingebung wartet, sei es der kleine Junge, der mit allen Mitteln dem Fegefeuer entrinnen will oder aber die Scheinheiligkeit, mit der dem insgeheim verhassten Nachbarn tagtäglich ein "Grüß Gott" entgegengesäuselt wird: Die große Stärke bayerischen Humors liegt in der Zielsicherheit seiner Pointen. Vor allem in Zeiten, in denen die breite Masse am liebsten mit seichten Kalauern bespaßt wird, ist das ein Segen. Zäfix Hahleluja!

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