Beim Finale von "Germany's Next Topmodel" mussten die Kandidatinnen am Donnerstagabend sehr viel laufen. Sehr, sehr viel. Alex Mariah Peter konnte das offenbar am schönsten, längsten, weitesten oder was auch immer. Denn Heidi Klum entschied sich in einem zähen Finale für die 23-Jährige. Warum? Weil halt.

Christian Vock
Eine Kritik
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Ja wo laufen sie denn? Vor, zurück, als Blumen, durch Tunnel, als Superheldin – selten wurde in einem Finale von "Germany's Next Topmodel" so viel gelaufen wie in diesem Jahr. Zumindest gefühlt, die Models tragen ja keine Kilometerzähler auf dem Laufsteg. Zumindest noch nicht. Aber Heidi Klum ist ja selbst für die abwegigsten Ideen offen.

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Wir erinnern nur an die Gaga-Hochzeit von Kandidatin Theresia im 2019er-Finale mit Thomas Gottschalk und einem Typen im Kuscheltierkostüm in den Nebenrollen. Da bekommt die Pro7-Mediathek noch heute Verspannungskopfschmerz, wenn jemand dieses Video aufruft.

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Doch verlassen wir diese finsterste Stunde deutscher Fernsehunterhaltung und widmen uns der Gegenwart. Die beginnt mit einem Einspielfilmchen, das sich, so viel lässt sich noch sagen, um Ex-Kandidatin Mareike, die Finalistinnen, das Heftcover und Heidi Klum in verschiedenen Rollen dreht.

Worum es genau gehen soll und warum, ist nicht ganz klar und man kann sich die Entstehungsgeschichte des Filmchens höchstens mit einer Szene erklären, in der die Sätze "Heidi, du verrennst dich da in was" und "Nein, wir machen das" gefallen sein müssen.

Doch dann geht es endlich los und die Finalistinnen Alex, Dascha, Romina und Soulin müssen zum ersten Mal laufen. Aber nicht, um sich wieder einer der nicht enden wollenden Bewertungen zu stellen, sondern um den Auftritt der Hauptperson dieses Donnerstagabends vorzubereiten: Heidi Klum.

Kaum stehen die Model-Füßchen nach viereinhalbminütigem Dauergelaufe zum ersten Mal still, richten sich die Augen auf Klum, die in einem hallengroßen Kleid unter die Studiodecke geschnallt wurde und von dort oben die Zuschauer begrüßt.

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GNTM 2021: Was juckt die Klum da unten?

Das sieht erst einmal lustig bis originell aus – wenn man es dabei belassen hätte. Denn mit einem "Aber irgendwas juckt mich da unten" leitet Klum den nächsten missglückten Versuch, witzig zu sein, ein. Die vier Finalistinnen mögen doch mal gucken, was sie denn da so unter ihrem XXL-Röckchen juckt, bittet die Klum.

Kaum haben die Damen das getan, kommen die Kaulitz-Twins mit ihrer Band Tokio Hotel unter dem Kleid hervor, was, egal, in welche Richtung man denkt, selbst für ein GNTM-Finale doch ein wenig irritierend ist.

Und so singt Bill Kaulitz mit frisch blondierter Vokuhila-Frisur und in einem schwarzen Elvis-Presley-Fransen-und-Glitzer-Gedächtnis-Anzug mit seinen Tokio-Hoteliers das GNTM-Titellied, während die Finalistinnen schon wieder durch die Halle laufen.

Kurz zuvor hatte die Klum noch großspurig verkündet: "Ich verspreche Ihnen, es wird ein ganz toller Abend", doch nach den ersten Minuten hat man nicht das Gefühl, dass die Klum dieses Versprechen auf Teufel komm raus einhalten will.

Denn der Rest des Abends ist einigermaßen schnell erzählt. Die Gewinnerin darf diesmal wieder ein Modeheft mit ihrem Konterfei mit nach Hause nehmen, ein Gefährt des Werbepartners und 100.000 Euro vor Steuern. Aus dem coronabedingt leeren Backstagebereich berichtet Ex-Kandidatin Mareike über was auch immer sie dort an Berichtenswertem zu finden glaubt. Die wohl undankbarste Aufgabe an diesem Abend.

Heidi Klum: "Was ist das für ein komisches Geräusch?"

Weil nicht nur der Backstagebereich verwaist ist, sondern auch die Zuschauerränge, hat man dort große Videoleinwände hingestellt, von denen aus Familien und Freunde der Kandidatinnen zugeschaltet sind. Ein visuell netter Einfall, den Heidi Klum für einen ungewollt komische Stand-up-Gag nutzt. Als sie ein Kurzinterview mit einer Freundin von Alex führt, ist diese plötzlich kurz nicht mehr zu hören und die Klum entfaltet ihr Technik-Know-how: "Oh nein, ich kann dich nicht hören. Drück nochmal auf einen anderen Knopf."

Auch danach geht es unfreiwillig komisch weiter. Die Klum hat einen "Superhelden-Walk" anberaumt und man ist sich fast sicher, dass Superhelden niemals auf einem GNTM-Laufsteg herumlaufen würden, selbst wenn das Überleben von Gotham auf dem Spiel stünde. Doch damit nicht genug sorgt die Klum dabei nicht nur für den wohl traurigsten Moment des Abends, sondern rüttelt auch noch kräftig am Image aller Superhelden.

Denn als Romina als Superheldin "The Fire" mit aufgeblasenen Plastikflügelchen auf einem rotbelichteten und von Pyrotechnik gesäumten Laufsteg stolzieren muss, um am Ende vor Heidi Klum zu posieren, stört die Klum das Geräusch des Flügelgebläses. Also schaltet Romina das Ding aus, woraufhin die roten Superheldenflügel prompt in eine kümmerliche Plastikmasse zusammenfallen.

Romina, Soulin und Dascha fliegen raus – warum auch immer

Auch die anderen Finalistinnen bekommen irgendwelche Persönlichkeitsmerkmale zugeschustert, damit die Idee mit den Superheldinnen aufgeht. Zumindest so lange, bis die Klum nicht nur aus den Flügelchen, sondern auch aus Superheldin "The Fire" die Luft rauslässt. "Ihr wisst, dass ich euch alle toll finde und das ihr es alle verdient habt", erklärt die Klum vor der ersten Entscheidung, ehe sie Romina offenbar nicht so toll findet und rausschmeißt.

Danach gibt es noch einmal alle Bänderdehn- und Knöchelbruch-Momente der Staffel zu sehen, ehe die Damen einen "Parcours-Walk" im Studio hinlegen müssen. Und so laufen Dascha, Soulin und Alex durch einen Tunnel, über ein Laufband und vor Windmaschinen herum, als könne man nur so sehen, ob sie zum Model taugen. Man fragt sich, wie all die Model-Agenturen das jeden Tag ohne Fernsehshows hinbekommen.

Danach wird auch Soulin ohne Begründung ins Bett geschickt, aber die ist auch nicht wichtig, denn Soulin hat bereits mit dem Einzug ins Finale die ihr zugeschnittene Rolle als Überperformerin der Staffel erfüllt. Es folgt der "Flowerwalk", bei dem Alex und Dascha als Hochzeitssträußchen verkleidet ein bisschen Würde auf dem Laufsteg lassen, die beiden drehen ein Musikvideo für Tokio Hotel ehe Heidi Klum endlich zur finalen Verkündung ausholt.

"Über 17.000 Mädchen haben sich bei mir beworben und ihr seid meine letzten beiden. Woche für Woche habt ihr euch durchgesetzt. Shooting für Shooting und Walk für Walk. Ihr habe eine Konkurrentin nach der anderen hinter euch gelassen", leitet die Klum ihr Urteil ein und unter den von ihr genannten Umständen muss es umso ärgerlicher für Dascha sein, dass sie einfach so rausfliegt, ohne Begründung, warum die Klum ihr Geld und Auto vorenthalten will.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels wurde berichtet, dass die Siegerin einen Model-Vertrag erhält. Richtig ist laut Angaben von ProSieben, dass die GNTM-Gewinnerin das Cover auf der "Harper's Bazaar", die 100.000 Euro und das Auto als Preis erhält. Von einem Vertrag ist nicht die Rede.

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