Selten hat sich ein Schauspieler so genüsslich selbst zerpflückt wie Sascha Hehn in "Lerchenberg". Der Mut zur Selbstironie hat sich gelohnt: Die ZDF-Serie geht in eine zweite Staffel. Grund genug für ein Gespräch über limitierte Mimik, Mord an Meerschweinchen und David Hasselhoff.

Ein Interview

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"Der ist heute richtig gut drauf", lassen die Damen von der PR-Agentur schon vor dem Interview wissen. Und es stimmt: Ein tiefenentspannter Sascha Hehn sitzt - nein, er liegt in seinem Plüschstuhl und tippt angeregt auf seinem riesigen Smartphone: "Schon toll, diese Dinger. Die technischen Möglichkeiten, die wir heute haben!"

Dann aber gehört seine volle Aufmerksamkeit dem Gespräch. Immer wieder fixiert er sein Gegenüber durch die orangegetönten Gläser seiner Sonnenbrille, bevor er zur nächsten Anekdote ansetzt. Wenn ihm etwas besonders wichtig ist, beugt er sich vor und wechselt in einen verschwörerischen Tonfall. Geht mit einer solch sonoren Stimme halt auch besonders gut.

Zur Serie:

"Lerchenberg" ist eine für das ZDF produzierte Serie über das ZDF und Sascha Hehn. Der spielt sich in der Serie selbst, und das mit einer gehörigen Portion Selbstironie. Auch der (angeblich nur bedingt fiktive) Blick hinter die Kulissen des ZDF fällt schonungslos und zynisch aus.

Die erste Staffel (2013) kurz zusammengefasst: Der abgehalfterte Schauspieler Sascha Hehn will das Comeback schaffen. Er ist von sich und seinen darstellerischen Fähigkeiten nämlich mehr als überzeugt. Die ZDF-Redakteurin Sybille "Billie" Zarg (Eva Löbau) wird quasi zwangsverpflichtet, den hoffnungslosen Fall zu übernehmen - die Probleme und das Chaos sind also programmiert. Die zweite Staffel läuft ab Freitag, dem 18. September, um 23 Uhr im ZDF.

Man merkt: "Lerchenberg" ist für Hehn ein Herzensprojekt. Kein Wunder, schließlich ist auch die zweite Staffel der ZDF-Serie wieder rundum gelungen. Und überhaupt hat die Serie ihm ja auch das Comeback - oder besser: den Durchbruch - außerhalb des "Traumschiff"-Kosmos verschafft. Doch damit genug der Vorrede, Bühne frei für ...

... Sascha Hehn - wie viele Gesichtsausdrücke braucht man, um als Schauspieler erfolgreich zu sein?

Sascha Hehn: (lacht) Einen. Aber einen richtigen.

Und welcher ist der richtige?

Da war meiner nicht schlecht. Ich hab mich 56 Jahre damit gehalten, das ist ok.

Zur Erklärung: In der zweiten Staffel von "Lerchenberg" muss Sascha Hehn zum Schauspielunterricht bei Iris Berben, um für eine Rolle in einem Schweden-Krimi wenigstens einen zweiten Gesichtsausdruck zu lernen …

Ja, er geht in die Schauspielschule und versucht alles, um zu zeigen: "Ich bin da!" Dabei ist er ja da, aber - und das ist die Quintessenz: Man hat ihn in eine Schublade gesteckt. Und so mancher Regisseur oder Produzent wird sich das anschauen und sagen: "Warum sind wir 20 Jahre an dem vorbeigegangen?" Dann hätte die Serie was genutzt, und wenn es nur ist, ein paar andere zu befreien, die in der Schublade stecken.

In der Realität ist Sascha Hehn für "Das Traumschiff" und "Die Schwarzwaldklinik" bekannt, in "Lerchenberg" darf er in einer Zombieserie mitspielen und ist "Hitlers Hundeführer" - was kann den echten Sascha noch reizen?

Alles Mögliche - bietet mir was an!

Ihre Schauspiellehrerin Iris Berben greift im Unterricht zum Mord am (Plüsch-)Meerschweinchen, um an ihre innersten Gefühle zu gelangen. So was schon mal in der Realität erlebt?

Ich hab nie eine Schauspielschule besucht. Mit fünf Jahren hab ich meinen ersten Film gemacht, "Hubertusjagd" hieß der. Und danach bin ich einfach immer ins kalte Wasser gesprungen. Dinge, die ich mir selbst nicht zugetraut hatte. Aber trotzdem hatte ich den Mut, sie zu machen.

Als ich 1980 bei den Salzburger Festspielen in "Wie es euch gefällt" den Orlando spielen sollte, nahm mich der Regisseur Otto Schenk nach fünf Minuten zur Seite und sagte zu den anderen (spricht mit österreichischem Akzent): "Ihr geht jetzt erst mal Kaffee trinken, ich muss mit dem hier Unterricht machen."

Sie selbst ziehen sich ja ordentlich durch den Kakao, aber auch andere Kollegen bekommen ihr Fett weg – die bereits erwähnte Iris Berben, aber auch Wayne Carpendale und Ihr alter "Schwarzwaldklinik"-Kollege Jochen Schroeder als Zombie. War es schwierig, die Kollegen zu überreden, mitzumachen?

Nö. Iris war gleich dabei, glaub ich. Und mal ehrlich: Wer hat schon die Möglichkeit, sich selbst zu spielen? Wobei das natürlich ein Drahtseilakt ist - zu wenig ist schlecht, zu viel ist noch schlechter.

Außer der Selbstironie - was macht "Lerchenberg" aus Ihrer Sicht noch aus?

Wir zeigen schonungslos Saschas Kampf ums Überleben. Der Zuschauer kann sehen, was es bedeutet, in diesem Beruf zu arbeiten. Schauspielerei wird immer so abgetan - "Der geht da hin, dann lässt er sich schminken und dann geht's los!". Klar, das reicht auch für den Tag. Aber es gibt auch noch den Kampf drumrum, die Intrigen, dazu das Privatleben ...

Da ist uns wirklich was gelungen. Das sollte man weitermachen. Vielleicht auch nicht immer mit mir als Protagonisten, als nächstes kommt vielleicht Til Schweiger. Das wäre ein Format für 20, 30 Jahre und es würde nie langweilig werden.

Auch in Großbritannien wird ja mit "Hoff the Record" gerade etwas Ähnliches gemacht, mit David Hasselhoff in der Hauptrolle ...

(Unterbricht) Das haben die von uns! Ich wette, die haben das von uns!

Also ist David Hasselhoff der amerikanische Sascha Hehn?

(Lacht) Das spielt keine Rolle. Das funktioniert mit jedem, er muss nur bekannt sein und durch amoralische Exzesse den Medien aufgefallen sein. Aber er muss dazu stehen können.

Apropos …

Ja, der Sascha Hehn in "Lerchenberg" hat schon ein paar Nuancen, wo ich mich gefragt habe: "Könnte das wehtun?" Und dann hab ich mir gedacht: "Nee, eigentlich nicht." Ist ja nur die Wahrheit. Und wenn es nur die Wahrheit ist, dann kann es nicht wehtun. Dann ist es halt so gelaufen, dann musst du auch dazu stehen.

Es gibt ja die Szene ganz am Anfang, als Sascha zu den ZDF-Redakteuren reinkommt, die seinen Nachruf vorbereiten ...

Ja, und er sagt: "Wollt ihr mich als Witzfigur in die Geschichte eingehen lassen?" Und einer der Redakteure hält nur mit vielsagendem Blick die Videos hoch [Erotikfilme, in denen der echte Sascha Hehn in den 70ern mitgespielt hat, unter anderem "Nackt und heiß auf Mykonos"; Anm.d.Red.].

Das ist Ihnen also nicht peinlich?

Wir haben damals nichts anderes gemacht als Aufklärung. Und wir wollten Geld verdienen. Also keine Schande! Das, was wir da gezeigt haben, also bitte - RTL würde es wahrscheinlich gar nicht geben, wenn die damit nicht ihr Programm angefangen hätten! Es ist lächerlich, sich darüber Gedanken zu machen. Es war so, aus, basta.

Wie viel Wahrheit steckt denn generell in "Lerchenberg", auch über das ZDF? In der Serie geht's mit internen Intrigen, unfähigen Redakteuren und Blondinen, die sich hochschlafen, ja ziemlich derb zu.

Das verraten wir dem Zuschauer nicht. Ein bisschen Wahrheit ist aber immer dabei.

Läuft "Lerchenberg" deswegen mitten in der Nacht - hat das ZDF Angst vor der eigenen Courage?

Ja, das fragen wir uns auch! Aber es ist momentan leider keine andere Zeit für so was da. Warum das so ist, müssen Sie einen Programmdirektor fragen.

Der Sascha in der Serie würde aber sagen: Um die Uhrzeit läuft ja sonst auch die Oscar-Verleihung, von daher passt's.

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