Der "ZDF-Fernsehgarten" hat in seiner Geschichte schon einige Mottos durchs, viele davon mehrfach. Dazu gehört auch die "Rock-Garten"-Ausgabe, bei der statt Synthesizer auch mal E-Gitarren zu hören sind. Musikalisch funktioniert das am Sonntag sogar einigermaßen, der Rest ist zu viel Feuerwehr und Kunstgepfeife.

Christian Vock
Eine Kritik
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"Hier ist ihre Gastgeberin: die Queen of Rock des ZDFAndrea 'Rocking' Kiewel!", begrüßt der Off-Sprecher am Sonntagmittag Moderatorin Andrea Kiewel und bei so einem Satz beschleichen einen als Zuschauer ernste Zweifel. Denn wenn man an Rock-Musik denkt, fallen einem vielleicht AC/DC, Metallica, Queens of the Stone Age oder Kings of Leon ein – je nachdem, welches Rock-Genre einem so am meisten liegt.

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Andrea Kiewel, das ZDF und sein "Fernsehgarten" – das dürfte allerdings den wenigsten beim Stichwort Rock-Musik einfallen. Das ist natürlich ein Problem, wenn man wie am Sonntag aus dem "ZDF-Fernsehgarten" einen Rock-"Fernsehgarten" machen möchte. Denn weil Rock-Musik nicht gleich Rock-Musik ist, gleichzeitig aber der "Fernsehgarten" immer der "Fernsehgarten", muss diese Vielfalt in ein starres Konzept gezwängt werden.

Zum Glück für diese Rock-Garten-Ausgabe ist aber auch Andrea Kiewel immer Andrea Kiewel und so schafft es die erfahrene Moderatorin, die nun folgenden 120 Minuten irgendwie zusammenzuhalten. Und wenn doch mal irgendetwas sehr, sehr merkwürdig erscheint, wird auch das irgendwie zurechtgebogen. Das Erstaunliche: Die Kombination von ZDF und Rock-Musik ist dabei noch das geringste Problem.

Warum Andrea Kiewel nicht den Mund halten kann

"Die erfolgreichsten Rock- und Metal-Bands Deutschlands" werde man gleich sehen, verspricht Kiewel und gibt dabei die Richtung in zweierlei Hinsicht vor. Denn tatsächlich hört und sieht man im Folgenden wirklich nur einen kleinen Ausschnitt dessen, was Rock-Musik sein kann und zum anderen ist dieser Ausschnitt doch arg auf das beschränkt, was in den deutschen Charts funktioniert und beim ZDF auftreten würde.

Und so stehen am Sonntag Saltatio Mortis, Royal Republic, Bülent Ceylan, Kissin' Dynamite, Versengold, Orden Ogan, Visions of Atlantis, Exit Eden, All For Metal, Joachim Witt und Emil Bulls auf der "Fernsehgarten"-Bühne. Das ist nicht besonders originell, sondern eher praktisch gedacht. Vor allem aber ist es zu verschmerzen, denn, wie gesagt: : Wenn man an Rockmusik denkt, denkt man nicht an den "Fernsehgarten", das ZDF und Andrea Kiewel.

Andrea Kiewel übrigens auch nicht. "Wenn man keine Ahnung hat, ist immer am besten, man hält den Mund", gesteht Andrea Kiewel, als sie zwei Zuschauer und offenkundige Metal-Fans interviewt. Aber weil Kiewel zwar weiß, dass sie keine Rock-Expertin ist, aber eben trotzdem einen "Rock-Garten" moderieren muss, kann sie eben nicht den Mund halten. Geht das trotzdem gut? Meistens.

"Toller Song, tolle Band, toller Bandname"

Kiewel, so der Eindruck, hält sich in dieser Ausgabe besonders gut an ihren Moderationskarten fest. Wenn sie die mal beiseite legt, sagt sie Sätze wie "Machen so eine ganz tolle Musik", als sie die Band Emil Bulls ankündigt und liest dann "mit kräftigem Gitarrensound und ungewöhnlich melodischem Gesang" von ihren Karten ab. Und nachdem die ihre ganz tolle Musik gemacht haben, findet Kiewel: "Ein toller Song, eine tolle Band, ein toller Bandname."

Natürlich hätte sich Kiewel ein bisschen besser auf ihre Gäste vorbereiten können, das Problem an der "Rock-Garten"-Ausgabe liegt aber ganz woanders. Denn man kann förmlich spüren, wie man einst in der Redaktionskonferenz alle nicht-musikalischen Programmpunkte des Jahres durchgegangen ist und überlegt hat, was man in welche Ausgabe steckt. Soll der Cocktail-Mixer lieber in die Paris- oder in die Festival-Ausgabe? Passt das Bauch-auf-nasser-Matte-Rutschen eher in die Sommer- oder in die Mallorca-Party-Folge?

Und für diesen Sonntag ist eben das herausgekommen, was so gar nicht in eine Rock-Ausgabe passt – einfach, weil es auch in jede andere Ausgabe gepasst hätte. Dennoch behauptet Kiewel am Sonntag: "Jetzt zu einem wichtigen Thema, das gut in unsere Show passt" und leitet dann zu einem Feuerwehrmann über, der nun ein bisschen übers Brändelöschen erzählt und später dann eine Showeinlage im "Feuerwehrsport" präsentiert. Da fällt dem "Fernsehgarten" sein eigenes Konzept auf die Füße, fixe Programmpunkte zu haben.

"ZDF-Fernsehgarten": Abwechslungsreich oder beliebig?

Und so darf nicht nur noch ein "Brot-Sommelier" aus Chips, Bier, Mehl und Würstchen etwas "Kulinarisches" zusammenrühren, nein, später zündet jemand auch noch Streichhölzer mit einer Frisbee-Scheibe an und zwei Gäste führen Kiewel und Bülent Ceylan in die Kunst des "Fingerboardings" ein. Apropos Bülent Ceylan: Um den einzuführen, bildet Kiewel eine Gedankenkette, die ihresgleichen sucht und die geht so: Auftritt von Kissin Dynamite – Pyrotechnik – Feuerwehr – Gag-Feuerwerk – Bülent Ceylan.

Dass sie sich beim Zurechtbiegen der Programmpunkte so kreativ austoben kann, biegt sich Kiewel ebenfalls zurecht, als sie darauf verweist, dass der "Fernsehgarten" "jeden Sonntag sein Gesicht tauscht" und auch innerhalb der Show "vielfältig und abwechslungsreich" sei. Sie hätte auch "beliebig" sagen können. Deshalb gibt es am Sonntag auch noch Airbrush-Tattoos und einen österreichischen Kunstpfeifer, der die Arie der Königin der Nacht aus der "Zauberflöte" pfeift – weil dessen Landsmann Falco schon gewusst habe, "dass Mozart eigentlich ein Rocker war".

Am Ende ergibt das Ganze dennoch einen "Rock-Garten", einfach weil mal kein Schlager, kein Malle-Song-Gegröle und keine Dorf-Disco-Beats zu hören sind. Das kann man gar nicht genug wertschätzen. Wenn Andrea Kiewel aber zwischendurch Sätze sagt wie "Der 'Fernsehgarten' ist heute so was wie die kleine Schwester vom Wacken Open Air" oder "Das ZDF ist ein Rock-Sender!", dann muss man trotzdem sagen: eher nicht.

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