Das zweite Hilfspaket für Griechenland muss bis Ende Juni abgeschlossen sein. Dass das noch gelingen kann, wird immer unwahrscheinlicher. Denn die Links-Rechts-Regierung in Athen verschleppt weiter Verhandlung um Verhandlung: Seit zwei Monaten ringt die Eurogruppe mit dem griechischen Finanzminister Gianis Varoufakis um eine Einigung – ohne Erfolg.

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Am Wochenende hat Ministerpräsident Alexis Tsipras erneut den Kontakt zu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gesucht, auch den Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem rief Tsipras an. Über die Gespräche wurde Vertraulichkeit vereinbart. Doch klar ist: Tsipras bat um Geld. Aber wie stellt sich der griechische Regierungschef das vor? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was wollen die Griechen von Deutschland?

Geld. Ministerpräsident Alexis Tsipras hofft, mit bilateralen Gesprächen den wichtigsten Geldgeber der Euroländer doch noch überzeugen zu können, dass Athen schnelle Hilfe braucht. Das hatte der Grieche bereits am vergangenen Donnerstag am Rande eines EU-Sondergipfels zur Flüchtlingskatastrophe auf dem Mittelmeer versucht. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von einem "positiven" Gesprächsklima. Die Details des Gesprächs blieben aber vertraulich. Am Wochenende telefonierte Tsipras dann erneut mit der Kanzlerin. "Griechenland will wohl von Deutschland, dass eine Lösung gefunden wird, dass kurzfristig Mittel freigegeben werden", meint Sebastian Dullien, Politikwissenschaftler des Europäischen Rats für Auswärtige Beziehungen (European Council on Foreign Relations, kurz ECFR).

Worum handelt es sich bei dieser Nothilfe überhaupt?

Athen will erreichen, dass die bislang blockierten Hilfsgelder ohne Gegenleistung ausgezahlt werden, um das Land vor dem drohenden Bankrott zu retten. Das aber lehnen die übrigen 18 Euroländer kategorisch ab: "Eine umfassende Einigung ist nötig, bevor es irgendwelche Auszahlungen geben kann", erklärte Jeroen Dijsselbloem, Chef der Eurogruppe, noch vergangene Woche. Seit zwei Monaten verhandeln die übrigen 18 Euroländer nun schon mit Griechenland über eine Lösung. Bis Ende April sollte eine endgültige Reformliste vorliegen – doch die bislang präsentierten Vorschläge bezeichnete die EU-Kommission als unzureichend. Erst am 11. Mai will die Eurogruppe wieder zusammenkommen – und sich erneut über Griechenland beraten. Dullien kann sich vorstellen, dass ein Teil des Geldes früher gezahlt werden kann, "insbesondere, wenn Griechenland in Zahlungsschwierigkeiten kommt." Er vermutet, "die Griechen wissen es selbst nicht". Gerade hat Tsipras die Gemeinden dazu verpflichtet, ihre Einlagen an die Zentralbank überweisen.

Wie kann Griechenland überhaupt noch kurzfristig finanzielle Hilfe bekommen?

Von der Eurogruppe bekommt Griechenland nur dann Geld, wenn sich die Regierung in Athen zu Reformen verpflichtet und dazu endlich eine detaillierte Liste vorlegt. Ohne die Wiederaufnahme des Reformkurses, den die Vorgängerregierung unter Antonis Samaras angekurbelt hatte, wollen die europäischen Geldgeber Hellas aber nicht weiter unterstützen. Damit bleibt Griechenland nur, was Ministerpräsident Tsipras bereits als Dekret durch das Parlament gebracht hat: Die Staatskasse soll über die Einlagen von Behörden der Kommunen sowie öffentlicher Einrichtungen wieder aufgefüllt werden. Damit erhofft sich Athen kurzfristig 1,5 Milliarden Euro. Als letztes Mittel könnte die Regierung Pensionen und Löhne später auszahlen: "Das wäre politisch aber schwierig", mahnt Dullien. Denn damit bräche Tsipras eines seiner Wahlversprechen.

Wie viel Geld verlangen die Griechen?

Von verlangen kann keine Rede sein. Griechenland ist Bittsteller bei den europäischen Geldgebern, die seit Wochen auf Reformen aus Athen warten, die einerseits die Ausgaben kürzen und andererseits Wirtschaftswachstum wieder möglich machen. Im Raum steht die noch offene letzte Tranche des zweiten Hilfspakets für Griechenland sowie Gewinne der EZB aus hellenischen Staatsanleihen über insgesamt 7,2 Milliarden Euro.

Welches Druckmittel hat Griechenland gegenüber seinen Geldgebern?

Zwar droht Griechenland immer wieder mit dem Staatsbankrott, der nicht ohne Konsequenzen für die Eurozone bliebe. Finanzexperten gehen aber davon aus, dass Athen seine finanzielle Lage absichtlich "überspitzt" darstellt: "Ich gehe davon aus, dass Griechenland dafür sorgt, dass genug Geld da ist, um seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen", sagte Eurogruppenchef Dijsselbloem noch am vergangenen Freitag. Noch scheint also etwas Spielraum zu bleiben – immerhin zahlte Griechenland in diesem Monat pünktlich 450 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF). Aber klar ist auch, dass die Zahlungsnot immer größer wird: "Griechenland bekommt zunehmend Liquiditätsprobleme, um Pensionen, Löhne und im Mai die nächste IWF-Tranche zu bezahlen", sagt Politikwissenschaftler Dullien.

Wie viel Geld braucht Hellas denn konkret in den kommenden Monaten?

"Griechenland braucht derzeit etwa eine Milliarde Euro, um Pensionen und Subventionen auszuzahlen – und rund 900 Millionen Euro im Mai", um die nächste fällige Tranche an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zu bedienen, erklärt Dullien. Im Juni folgen Zahlungsforderungen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro an den IWF sowie 280 Millionen Euro, die Griechenland der Europäischen Zentralbank zurückerstatten muss. Den weitaus größten Batzen erwartet das Land aber spätestens im Juli, wenn 450 Millionen Euro für den IWF sowie 4,2 Milliarden Euro für die EZB eingefordert werden. Im August folgen weitere 3,7 Milliarden Euro. Finanzexperten gehen davon aus, dass die Finanzierungslücke Griechenlands zwischen 20 und 40 Milliarden groß ist. Genau weiß das aber niemand, da die Regierung ihre Finanzen seit Monaten nicht mehr offenlegt.

Was kann Deutschland jetzt tun?

Deutschland ist und bleibt der größte Geldgeber innerhalb der Eurogruppe. Das Wort der Kanzlerin hat Gewicht. "Die anderen würden sich nicht dagegenstellen", wenn Merkel sich für schnelle Hilfe für Griechenland ausspräche, meint Dullien. Und dass Deutschland Hilfskredite an Griechenland ausgibt, wäre zwar grundsätzlich möglich, meint Dullien. Dennoch hält er beide Optionen für "nicht sehr wahrscheinlich". Zudem kann Merkel nicht über den Bundestag hinweg entscheiden, Griechenland bilaterale Hilfe zuzugestehen. Auch für ein drittes Hilfspaket, ohne dass Griechenland kaum den Sommer überstehen dürfte, bräuchte es die Zustimmung der Volksvertretung. Offen bleibt weiter die Frage um die Reparationsschulden, die Griechenland von Deutschland fordert. Doch die Frage, ob und inwieweit diese Forderungen juristisch gesehen berechtigt sind, dürfte einen jahrelangen Rechtsstreit nach sich ziehen. Schnelles Geld kann Athen also auch aus dieser Option nicht erwarten.

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