Alexis Tsipras droht das Geld auszugehen, die Einigung mit Europa auf eine griechische Reformliste ist aufgeschoben. Heute trifft der Regierungschef Griechenlands Angela Merkel in Brüssel. Worum wird es dabei gehen, kommt es endlich zu einem Durchbruch in den Verhandlungen zur Griechenland-Krise kommt und kann die Kanzlerin das angeschlagene deutsch-griechische Verhältnis kitten?

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Wenn Griechenland nicht bald Geld auftreibt, dann droht dem Land die Staatspleite, der "Grexit" und die Wiedereinführung der Drachme. Am Rande des EU-Flüchtlingsgipfels in Brüssel wollen der griechische Regierungschef Alexis Tsipras und die Bundeskanzlerin Angela Merkel deshalb zusammenkommen, um erneut über mögliche Wege aus der nun schon über fünf Jahre andauernden Griechenland-Krise zu sprechen.

Worüber werden die beiden sprechen?

Zwar ist der eigentliche Anlass des EU-Gipfeltreffens in Brüssel der steigende Flüchtlingsstrom über das Mittelmeer. Dennoch wird in dem Gespräch der beiden Staatschefs der Fokus vor allem auf dem griechischen Reformprogramm liegen. Noch immer hat die griechische Regierung die von den Gläubigern, bestehend aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und der Europäischen Union (EU), geforderte Reformliste nicht vorgelegt.

Wie kommen Merkel und Tsipras miteinander aus?

Als Angela Merkel 2012 bei einem Besuch in Athen den Wunsch äußerte, dass Griechenland in der Eurozone bleibe, schimpfte Tsipras, damals noch Oppositionsführer, auf die Bundeskanzlerin und warf ihr vor, dass korrupte griechische System zu unterstützen. Seitdem gilt das Verhältnis als belastet - und hat sich offenbar auch nicht verbessert, nachdem Tsipras griechischer Ministerpräsident wurde.

Haben sich die beiden schon einmal getroffen?

Seine Antrittsbesuch in Berlin erledigte Tsipras erst mit zweimonatiger Verspätung Ende März. Merkel empfing ihn damals zwar freundlich, aber kühl. So bewerteten es jedenfalls die Beobachter. Fünf Stunden dauerte das Abendessen. Im Anschluss ließ Merkel über ihren Sprecher verlauten: "Die Bundeskanzlerin und der griechische Ministerpräsident hatten in guter und konstruktiver Atmosphäre eine umfassende Aussprache über die Situation Griechenlands, die Arbeitsweise der Europäischen Union und die künftige deutsch-griechische Zusammenarbeit." Diplomaten-Deutsch, das Experten als Beweis dafür werteten, dass in den Gesprächen weder Lösungen noch eine neue Freundschaft entstanden sind.

Was sagt Merkel über ihr Verhältnis zu Griechenland?

"Wir haben enge und freundschaftliche Beziehungen zu den Menschen in Griechenland", sagte sie auf dem ersten gemeinsamen Treffen in Berlin und verwies auf die zahlreichen Griechen, die in Deutschland leben, aber auch auf die vielen deutschen Touristen, die ihren Urlaub in Griechenland verbringen. Anstatt sich also auf das belastete Verhältnis zu Tsipras zu konzentrieren, lobte sie mit Pokerface die "engen und freundschaftlichen Beziehungen" zwischen Deutschland und Griechenland und setzte auf die hohe Kunst der Diplomatie. "Wir möchten, dass Griechenland wirtschaftlich stark ist, wir möchten, dass Griechenland Wachstum hat, wir möchten vor allen Dingen, dass Griechenland aus der hohen Arbeitslosigkeit herauskommt."

Und wie schätzt Tsipras die Beziehung zu Deutschland ein?

"Wenn ich eine Einladung von der Kanzlerin bekäme, würde ich sie sofort annehmen", ließ Tsipras vor seinem Antrittsbesuch verlauten. Als es dann endlich so weit war, werteten Beobachter seinen Besuch als den Versuch, das deutlich angeschlagene Verhältnis wieder kitten zu wollen. So stellte Tsipras in Berlin unter anderem klar, dass Klischees wie "Die Griechen sind faul" oder "Die Deutschen sind an allem schuld" realitätsfern seien und man die "schrecklichen Stereotypen" überwinden müsse.

In welchen Punkten sind die Konflikte am größten?

Wenn es um die Reformpläne Griechenlands geht, so sind es vor allem die Arbeitsmarktreformen, die Deutschland konsequent fordert und damit auf Widerstände bei der griechischen Regierung stößt. So ließ Christoforos Vernardakis, Generalsekretär für die Regierungskoordination, diese Woche verlauten, dass Tsipras einen weiteren EU-Gipfel einberufen werde, sollte die Bundesregierung weiter auf den Reformen bestehen. Aber auch die Rentenreform, die von der EU geforderten Mehrwertsteuererhöhungen und Privatisierungen belasten das Verhältnis.

Darüber hinaus schwelt ein weiterer Konflikt: Immer wieder hat Tsipras gefordert, dass Deutschland Reparationen für das von den Nationalsozialisten in Griechenland begangene Unrecht leisten solle. Zwischenzeitlich hatte er sogar mit der Pfändung deutscher Immobilien in Griechenland gedroht.

Wo ziehen Merkel und Tsipras an einem Strang?

Dass Griechenland dringend Reformen braucht, um finanziell zu gesunden, daran bestehen weder bei Merkel noch bei Tsipras Zweifel. Allerdings herrscht Uneinigkeit bei der Frage nach der genauen Ausgestaltung der Reformen. Eine Einigung zwischen Athen und seinen internationalen Geldgebern noch in diesem Monat gilt inzwischen als ausgeschlossen.

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