Philipp Amthor will CDU-Landeschef in Mecklenburg-Vorpommern werden. Nun steht er im Zentrum eines Lobbyskandals. Der 27-jährige Politiker hat sich für das US-Unternehmen Augustus Intelligence eingesetzt – dem Ex-Mitarbeitern vorwerfen, weder ein Produkt, noch Kunden oder Umsätze zu haben.

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Exklusiver kann eine Firma in New York vermutlich nicht residieren. One World Trade Center, 77. Stock, Suite D. Der Wolkenkratzer im Herzen der Millionenmetropole ist das höchste Gebäude der USA.

Eingemietet hat sich dort Augustus Intelligence Inc., ein Unternehmen, das zwar in der US-Steueroase Delaware registriert wurde. Gegründet und geführt wird es aber von Deutschen.

Die Verbindung zur Bundesrepublik ist tatsächlich ausgesprochen eng. Und die Firmenspitze fand im CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor einen willigen Unterstützer. Der 27-jährige aufstrebende Politiker steht seit Tagen in der Kritik, weil er sich für Augustus Intelligence eingesetzt hatte.

Wie der "Spiegel" enthüllte, hatte Amthor für Augustus Intelligence Lobbyarbeit betrieben und im Herbst 2018 mit einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) um politische Unterstützung gebeten. Der Entwurf des Schreibens wurde dem Nachrichtenmagazin zufolge auf Briefpapier des Bundestags verfasst und kursierte vor Versenden im Unternehmen.

Amthor selbst besaß mindestens 2.817 Aktienoptionen an dem Unternehmen und bekleidete dort einen Direktorenposten. Dazu präsentierte der "Spiegel" Fotos und Informationen zu Reisen und Aufenthalten in teuren Hotels, die Amthor mit Augustus-Mitarbeitern unternommen haben soll.

Nach Veröffentlichung des Berichts bezeichnete Amthor seine Arbeit für Augustus Intelligence rückblickend als Fehler. Sein Engagement für das Unternehmen entspreche nicht seinen Ansprüchen an die Wahrnehmung seiner politischen Aufgaben. Er versicherte: "Ich bin nicht käuflich."

Führungsspitze von Webseite gelöscht

Doch was ist das für eine Firma, mit dessen Vertretern sich Amthor mehrmals im In- und Ausland traf und für die er offensiv warb?

Noch im Frühjahr gab das Unternehmen öffentlich Auskunft über die führenden Köpfe. Im mittlerweile gelöschten Impressum der Firmenwebseite standen: Wolfgang Haupt, Charles-Edouard Bouée, sowie Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Damals habe das Unternehmen laut eigener Aussage gegenüber dem "Spiegel" 80 Mitarbeiter gehabt.

Der 33-jährige Haupt wird als "Chief Executive Officer", als Geschäftsführer benannt. Zusammen mit dem erst 23-jährigen Pascal Weinberger gründete er Augustus Intelligence 2018. Der "Spiegel" beschreibt Haupt als "genialen Selbstvermarkter", Weinberger gilt als Ex­perte für Theo­re­ti­sche Neu­ro­wis­sen­schaf­ten und Ma­schi­nel­les Lernen. Das US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" bezeichnete Weinberger als "Wun­der­kind". Er leitet die Abteilung Künstliche Intelligenz bei Augustus Intelligence.

Der französische Unternehmensberater Bouée fungiert als "Verantwortlicher Präsident für Geschäftsangelegenheiten". Er ist der ehemalige Chef der Unternehmensberatung Roland Berger.

Treffen im Ministerium

Haupt, Weinberger sowie Amthor sprachen im November 2018 zweimal (Weinberger war nur beim zweiten Treffen anwesend) mit dem CDU-Politiker Christian Hirte in dessen damaliger Funktion als Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeswirtschaftsminister.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer traf einige Wochen zuvor ebenfalls mit einer Delegation von Augustus Intelligence zusammen. Das Bundeswirtschaftsministerium verteidigte das Treffen im Ministerium mit Vertretern der Firma. Dies sei ein "übliches Verfahren", sagte eine Ministeriumssprecherin. Die Behörde gibt an, mit der Firma nicht über Kooperationen oder Fördergelder gesprochen zu haben. Solche Treffen seien "nichts Ungewöhnliches" sagte auch CSU-Politiker Scheuer dem Nachrichtenportal "The Pioneer".

Laut Informationen der Bundesregierung sei es bei den Treffen im Herbst 2018 "um die Perspektive eines Start-Ups" gegangen. Augustus Intelligence sollte dabei sein Wissen "über agiles und Matrixdenken im Umgang mit neuen Herausforderungen der Plattformökonomie" einbringen.

Mit ähnlich blumigen wie vagen Worten beschreibt sich Augustus Intelligence selbst auf der Firmenhomepage: "Wir produzieren und liefern sichere Lösungen der künstlichen Intelligenz." Seinen Kunden biete die Firma "die Möglichkeit, aus neutralen, vertrauenswürdigen und skalierbaren datengesteuerten Resultaten auszuwählen".

Doch was heißt das konkret?

Vorwurf von Ex-Mitarbeitern: Kein Produkt, keine Kunden, keine Umsätze

Objektive Informationen zu Kunden oder konkreten Produkten sind kaum online zu finden, die Webseite des IT-Unternehmens geizt mit Informationen. Gegenüber dem "Spiegel" erklärte Augustus Intelligence, in den USA Rechenzentren zu betreiben und Software zur Gesichts- und Objekterkennung anbieten zu wollen. Ebenso soll es Pläne im Bereich der Spracherkennung geben, wie das "Handelsblatt" berichtet.

Die Wirtschaftszeitung hält es allerdings für ungewöhnlich, dass das Unternehmen gleich in mehreren Aspekt der Künstlichen Intelligenz tätig sei – und dazu noch ihre eigenen Datenzentren betreibe. Als einzig öffentlich auffindbares Augustus-Produkt hat das "Handelsblatt" eine Chatbot-Software ausgemacht. Die wurde aber gar nicht von Augustus Intelligence selbst entwickelt, sondern die Entwickler wurden schlicht aufgekauft.

In einem Video, das die französische Präsidialadministration Ende Januar auf ihrem offiziellen Youtube-Kanal online stellte, erklärt Geschäftsführer Haupt 50 Millionen Euro in Frankreich investieren und 50 Jobs schaffen zu wollen. "Für Frankreich haben wir beschlossen, einen 50:50-Deal zu machen", wie er es ausdrückt.

Zwei ehemalige Mitarbeiter – die sich gerade mit ihrem Ex-Unternehmen in einem Rechtsstreit befinden – werfen Augustus Intelligence hingegen vor, dass es "kein Produkt und auch keine Kunden oder Umsätze" gebe. Angeblich bereits eingesammelte Investorengelder in Höhe von 72 Millionen US-Dollar würden ihnen zufolge ebenso wenig existieren. Laut einem Eintrag bei der US-Börsenaufsicht SEC sammelte das Unternehmen zumindest im Januar 2019 1,1 Millionen US-Dollar von zwei Investoren ein. Insgesamt bot die Firma aber damals Anteile in Höhe von 80 Millionen US-Dollar an.

"Augustus Intelligence ist eine illegitime Organisation", zitiert der "Spiegel" die Anwälte der beiden. Es würde sich bei der Firma darum drehen, dass sich "ihr hochrangiges und politisch vernetztes Führungspersonal bereichern und sich vor Konsequenzen für ihr Gebaren schützen kann".

Tarnfirma eines Geheimdienstes?

Das Fazit der Linken-Innenpolitikerin Martin Renner ist daher denkbar knapp: "Es gibt keine Produkte oder solche über die man nicht redet? Geld scheint aber da zu sein. Also für mich klingt das nach Tarnfirma eines Geheimdienstes oder nach Geldwäsche."

In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Oliver Krischer betonte die Bundesregierung im März, dass das weder Unternehmen noch seine Vertreter "in Aktivitäten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie in Sachen Künstlicher Intelligenz eingebunden" wurden.

Das Geschäft scheint aber trotzdem zu florieren. Augustus Intelligence sucht laut Firmenwebseite aktuell nicht nur fast zwei Dutzend neue Mitarbeiter. Das Unternehmen hat auch erst Anfang des Jahres seine angemietete Fläche im One World Trade Center verdoppelt. Augustus Intelligence verfügt über nunmehr etwa 600 Quadratmeter. Geschätzte Jahresmiete: 500.000 US-Dollar.

Verwendete Quellen:

  • Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP.
  • Firmen-Webseite von Augustus Intelligence
  • Der Spiegel: "Ist Philipp Amthor käuflich?"
  • Der Spiegel: "Betrug, Illegalität und Korruption"
  • Handelsblatt: "Für diese merkwürdige Firma hat sich Philipp Amthor engagiert"
  • Drucksache 19/13749
  • Drucksache 19/18067
  • Forbes: "Meet The 21-Year-Old Prodigy Building 'Empathic' AI For Telefonica"
  • Youtube: "Business France | Choose France 2020 - Wolfgang Haupt, CEO of Augustus Intelligence"
  • Commercial Observer: "Durst Nabs Princeton Longevity, Ichnos Sciences and 2 More at 1 WTC"
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