Gut acht Milliarden Menschen leben heute auf der Erde, womöglich mehr Exemplare als von jeder anderen Säugetierart. Doch was verhalf dem Homo sapiens zum Durchbruch – der aufrechte Gang, das mächtige Gehirn, die Erfindung von Werkzeugen, Sprache und Kultur? Forschende vermuten, das Geheimnis liege ganz woanders. Und der Schlüssel zum Erfolg könnte gleichzeitig die Erklärung dafür sein, weshalb der Mensch den ganzen Planeten in Gefahr bringt.
Wohl kein Lebewesen hat unseren Planeten in den letzten Jahrtausenden so sehr verändert wie der Mensch. Vor allem hat keine Art derart viele künstliche Substanzen erzeugt, die Erde mit Maschinen umgepflügt, ganze Städte aus Stein, Glas und Beton erbaut, Ökosysteme aus dem Gleichgewicht gebracht und in so großer Geschwindigkeit andere Arten ausgerottet.
Manche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben deshalb vorgeschlagen, von einem neuen Zeitalter zu sprechen: dem Anthropozän. Das Wort wurde zwar kürzlich von Fachleuten als Begriff für eine offizielle geologische Epoche abgelehnt, doch ist man sich einig, dass der Mensch inzwischen zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf der Erde geworden ist.
Wie aber konnte dieses Wesen, dessen Körperbau bis auf die zweibeinige Fortbewegung keineswegs außergewöhnlich für ein Säugetier wirkt, eine so gravierende Wirkung entfalten und zum "Global Player" auf diesem Planeten werden? Welche Merkmale und Eigenschaften sind es, die dem Menschen von der Evolution mitgegeben wurden und ihn zu etwas ganz Besonderem, ja Einzigartigen machen?
Weshalb Charles Darwin falsch lag
Die Suche nach einer Antwort führt zunächst tief zurück in unsere Vergangenheit – an jenen Punkt, an dem sich die Entwicklungslinien von Menschen und Schimpansen trennen. Auf Charles Darwin, den Begründer der Evolutionstheorie, gehen schon im 19. Jahrhundert Vorstellungen zurück, die heute als "Savannen-Hypothese" bekannt sind. In jener Anfangszeit seien Affen von den Bäumen herabgestiegen und hätten in der Savanne den aufrechten Gang entwickelt – um besser über das hohe Gras blicken zu können. Weil dank der Fortbewegung auf zwei Beinen die Hände frei wurden, um etwa Werkzeuge herzustellen, habe sich das Gehirn vergrößert und aus den Affen seien Menschen geworden.
Doch im Verlauf des 20. Jahrhunderts werden immer mehr Fossilien gefunden, welche die Savannen-Hypothese widerlegen; die berühmte "Lucy" etwa. Durch sie wird klar: Der aufrechte Gang entwickelte sich viel früher als das große Gehirn. Über viele Jahrmillionen leben als "Vormenschen" oder "Affenmenschen" bezeichnete Wesen in Afrika, deren Denkorgane kaum größer als die von Schimpansen sind: Menschenaffen also, die aufrecht laufen. Die zweibeinige Fortbewegung kann nicht der Schlüssel zum Erfolg des Menschen sein.
Ebenso wenig erklärt ihn die planmäßige Herstellung von Steinwerkzeugen, die ab einer Zeit vor rund 2,6 Millionen Jahren beginnt. Denn heute wissen wir, dass auch zahlreiche andere Tiere – etwa Schimpansen, Krähen oder Delfine – Werkzeuge benutzen, ja sogar herstellen.
Einst standen unsere Vorfahren kurz vor dem Aussterben
Immerhin nimmt das Gehirnvolumen bei den Menschenvorfahren vor rund zwei Millionen Jahren deutlich zu, sodass Forschende der Paläoanthropologie in dieser Epoche die Geburtsstunde der Gattung Homo – also des Menschen – verorten. Doch kann man nicht gerade davon sprechen, dass die ersten Menschen besonders erfolgreich sind: Ihre Anzahl, das lassen die wenigen von ihnen gefundenen fossilen Überbleibsel vermuten, war nicht besonders groß.
Schlimmer noch: Vor knapp einer Million Jahren steht die Menschheit offenbar kurz vor dem Aussterben. In dieser Zeit, so besagen die im September 2023 in der Fachzeitschrift "Science" veröffentlichten Daten eines internationalen Teams, schrumpft die Zahl unserer direkten Vorfahren dramatisch auf weniger als 1.300 Individuen. Die Forschenden hatten die Erbsubstanz von 3.154 gegenwärtig lebenden Menschen analysiert und mit einem komplexen Verfahren aus der Häufigkeit von genetischen Varianten in der heutigen Bevölkerung auf die Zahl der damaligen Menschen geschlossen.
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Mehr als 100.000 Jahre lang – von vor 930.000 bis 813.000 Jahren vor der Gegenwart – dauert der Studie zufolge der Engpass, in der nur sehr wenige Vorfahren leben. Um ein Haar also sei die Menschheit damals von der Erde verschwunden, sagen die Autoren. Mit der Hypothese in Einklang stehe, dass es vor rund 900.000 Jahren zu einer weltweiten starken Abkühlung kommt und es eine Lücke bei den Fossilfunden gibt.
Die Anzahl der Menschen bleibt auch danach relativ gering. Zwar breiten sich verschiedene Menschenformen immer weiter aus: Homo heidelbergensis und der Neandertaler etwa in Europa, Homo erectus und Denisova-Menschen in Asien.
Und vor 300.000 Jahren entwickelt sich in Afrika Homo sapiens – der heutige Mensch. Er macht sich vor weniger als 100.000 Jahren auf den Weg in die Welt hinaus und besiedelt nicht nur Asien und Europa, sondern auch die bislang menschenleeren Kontinente Australien und Amerika. Doch die weltweite Bevölkerung ist im Vergleich zur heutigen Menschheit noch immer überschaubar. Vor 10.000 Jahren, so ergeben Schätzungen, leben auf der Erde lediglich fünf bis zehn Millionen Menschen.
Sprachzentren im Gehirn entstehen schon vor zwei Millionen Jahren
All die biologischen Eigenschaften, die zum Erfolg des Homo sapiens beigetragen haben, müssen schon vorher angelegt worden sein; sie hätten sich nicht erst in den letzten 10.000 Jahren ausprägen können. Und die Liste der Besonderheiten, die uns auszeichnen, ist lang: So verfügt allein der Mensch über eine komplexe Sprache mit festen Regeln.
Bereits vor zwei Millionen Jahre beginnen sich die heute als Broca- und Wernicke-Areale bezeichneten Sprachzentren herauszubilden, zeigen Abgüsse von Gehirnen früher Menschen. Forschende der Max-Planck-Gesellschaft nehmen an, dass bereits vor 500.000 Jahren die gemeinsamen Vorfahren von Neandertalern und modernen Menschen sprachen und dass beide Spezies, auch nachdem sich ihre Linien getrennt hatten, ähnliche intellektuelle und kulturelle Fähigkeiten besaßen.
Das große Gehirn befähigt den Menschen auch, sich eine Zukunft vorzustellen und zu planen. Das wiederum dürfte zu einer Besonderheit führen, die bislang von keinem Tier bekannt ist: sich selbst – auch in jungen Jahren und körperlich gesund – bewusst zu sein, dass das eigene Leben vergänglich und der Tod am Ende unausweichlich ist. Vermutlich ist diese Erkenntnis der Grund für eine weitere Einzigartigkeit des Menschen: Der Glaube an eine Existenz nach dem körperlichen Tod, an ein Jenseits und einen Schöpfer.
Kunstwerke, Musik, Feste feiern – vieles am Homo sapiens ist außergewöhnlich
Angehörige der Art Homo sapiens zeigen noch viele andere Eigenschaften, die bei Tieren bislang nicht dokumentiert sind: Sie erschaffen systematisch Kunstwerke, spielen Instrumente und komponieren Musik, erzählen sich Geschichten, feiern Feste und entwickeln ständig neue Technologien. Die menschliche Kreativität scheint keine Grenzen zu kennen. Doch woher kommt das alles?
Ein Schlüssel zum Erfolg des Menschen liegt sicher im sozialen Bereich, in der Art und Weise, wie Menschen zusammenleben. Schon die Art der Bindung zwischen weiblichen und männlichen Individuen ist beim Homo sapiens ungewöhnlich und unterscheidet sich von ihren nächsten Verwandten, den Schimpansen und Bonobos.
Bei diesen Menschenaffen kümmern sich die Männchen wenig um den Nachwuchs, es gibt keine dauerhaften Bindungen zwischen einem Weibchen und einem Männchen und das Sexualverhalten ist promiskuitiv, das heißt die Paarkonstellationen wechseln ständig.
Schimpansen-Väter haben kaum Interesse am Nachwuchs
Beim Menschen dagegen gibt es starke, dauerhafte Bindungen zwischen Paaren – die Liebe. Das bedeutet weder, dass Mann-Frau-Beziehungen ein Leben lang halten müssen (tatsächlich sind sie oft nur auf ein paar Jahre begrenzt), noch dass sie die einzige Bindungsform sind.
Aus biologischer Sicht auffällig ist jedoch, dass sich die Väter bei den Menschen sehr viel mehr mit der Aufzucht und Versorgung ihrer Nachkommen beschäftigen als Bonobos und Schimpansen es tun.
Das aber erhöht die Überlebenswahrscheinlichkeit der eigenen Kinder und damit den evolutionären Erfolg. Der Preis für dieses wahrscheinlich vor zwei bis drei Millionen Jahren entstandene Bindungsmodell ist die Eifersucht, von der beide Geschlechter betroffen sind. Denn die Väter müssen sicher sein, dass sie ihre eigenen Kinder aufziehen und Mütter wollen vermeiden, dass ihr Partner sie im Stich lässt.
Paare allerdings leben beim Menschen – im Gegensatz zu den meisten anderen Säugetieren – nicht allein, sondern sind Teil einer Familie mit mehreren Mitgliedern oder gehören sogar einer größeren Gruppe an. Das Leben in der Gruppe, da sind sich viele Forschende sicher, fördert die soziale Intelligenz. Die Gemeinschaft bietet Vorteile, weil man gemeinsam Nahrung suchen kann, Gefahren früher entdeckt oder sich gegen Feinde zu verteidigen vermag.
Doch es gibt auch Konkurrenz, etwa um Futter, den sozialen Rang oder Partner. Da ist es gut, wenn man Bündnisse schmieden und erkennen kann, was andere Gruppen-Mitglieder denken und vielleicht vorhaben. Diese Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, ist als "Theory of Mind" bekannt und kommt außer beim Menschen wohl nur bei Menschenaffen und Rabenvögeln, vielleicht auch bei Hunden vor.
Das Leben in der Gruppe fördert die Intelligenz
All diese Aufgaben in einer komplexen Gemeinschaft erfordern ein leistungsfähiges Gehirn und so ist es für Biologinnen und Biologen nicht überraschend, dass Affen – die zumeist in komplexen Gruppen leben – besonders große Denkorgane entwickelt haben. Der Mensch gehört ebenfalls dazu und seine soziale Intelligenz ist sicher besonders hoch – aber etwas Einzigartiges ist sie nicht.
Vielleicht ist es die Art und Weise wie wir lernen, wie wir in der Gruppe die sozialen Bindungen stärken und dabei auch soziokulturelle Erfahrungen integrieren, die uns zu etwas Außergewöhnlichem machen. Das ist zumindest die Theorie des amerikanischen Psychologen und Anthropologen Michael Tomasello, der viele Jahre am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig gearbeitet hat.
Tomasello hat in Studien herausgefunden, dass Menschenaffen und Kleinkinder zwar beide durch Nachahmen lernen, aber unterschiedlich: Affen waren nur am Ergebnis einer Handlung interessiert und ließen Schritte weg, die ihnen unnötig erschienen. Die Kinder dagegen verfolgten die gesamte Handlung sehr aufmerksam und prägten sich jeden einzelnen Schritt ein. Dieses Imitationslernen habe auch den Zweck, durch exakte Nachahmung Konformität mit der Gruppe zu signalisieren und soziale Bindungen zu stärken.
Schon menschliche Kleinkinder kennen ein "wir"
Ein weiterer Unterschied: Schimpansen etwa geht es bei der sozialen Kommunikation und Kooperation vor allem darum, eigene Interessen durchzusetzen, während Kleinkinder schon sehr früh versuchen, anderen zu helfen und ihnen für sie interessante Dinge mitzuteilen.
Bei ihnen wird aus dem "ich" und "du" ein gemeinsames "wir" – für Tomasello ein entscheidender Schritt. Denn so entsteht bei den Menschen ein gegenseitiges Verständnis, ein gemeinsamer Hintergrund, und das ermöglicht es ihnen, ihre Aufmerksamkeit auf ein gemeinsames Ziel zu richten.
Auch der britische Evolutionsbiologe Kevin Laland sieht in der besonders ausgeprägten Fähigkeit des Menschen, Kultur und Wissen weiterzugeben, den größten Unterschied zum Tier. Einzigartig sei dessen Gabe, Kenntnisse von anderen zu erwerben, zu verbreiten und so einen Wissensschatz aufzubauen, der sich über die Generationen immer weiter vergrößert.
Menschen können sich komplexe Zukunftsszenarien vorstellen
Zwei weitere Merkmale, die es nur beim Homo sapiens gebe, betont der deutschstämmige Psychologe Thomas Suddendorf, der an der australischen University of Queensland forscht. Nur Menschen seien in der Lage, sogenannte verschachtelte Szenarien zu entwerfen – sich also Alternativen für Situationen auszumalen, sie durchzuspielen und zu bedenken, welche Folgen sie haben.
Das ermögliche ihnen, sich in die Lage anderer Menschen hineinzuversetzen, vorauszuplanen und sich dabei verschiedene Entwicklungen vorzustellen. Oder sich sogar gänzlich fiktive Geschichten auszudenken. Als zweites Merkmal wertet Suddendorf das menschliche Bedürfnis, die eigenen Gedanken mit anderen auszutauschen – die Voraussetzung dafür, dass man gemeinsam etwas Neues schaffen kann.
Noch etwas gibt es, das die sozialen Beziehungen des Homo sapiens ungewöhnlich macht und von ihren nächsten Verwandten unterscheidet. Schimpansen kooperieren nur innerhalb einer relativ kleinen Gruppe von verwandten Tieren, die sich also miteinander fortpflanzen und gemeinsame Gene besitzen.
Das bedeutet: Konflikte werden bei den Affen zwischen lokalen Gruppen ausgetragen, deren Territorien aneinander grenzen. Tiere der einen Gemeinschaft können sogar Jagd auf Artgenossen der benachbarten Gemeinschaft machen und sie töten. Davon hat die berühmte Schimpansen-Forscherin Jane Goodall erstmals in den 1970er-Jahren berichtet. Doch etwas können diese Affen nicht: Frieden schließen. Denn freundschaftliche Verbindungen zwischen Gruppen gibt es bei ihnen nicht.
Anders ist es bei den Menschen: Sie pflegen friedliche Kontakte zu Menschen anderer Gruppen, mit denen sie nicht verwandt sind. Ja, solche Beziehungen können sogar zu völlig Fremden entstehen. Auf diese Weise gelingt es den Menschen, mit anderen auf komplexe Weise zusammenzuarbeiten, wobei beide Seiten ihren Vorteil haben. Es ist die Grundlage, auf der auch heute noch Handelsbeziehungen beruhen.
Konkurrenz ist die Kehrseite der Zusammenarbeit
"Hyperprosozialität" nennt der Anthropologe Curtis W. Marean von der Arizona State University diese Art der Kooperation – die so weit geht, dass wir fremden Menschen in Not helfen, selbst wenn wir uns dabei selbst gefährden. Sie sei der Schlüssel zur heutigen Vorrangstellung des Homo sapiens, glaubt Marean. Denn durch die komplexe Zusammenarbeit entsteht eine viel größere, mächtige Gruppe, die gemeinsame Ziele und Interessen verfolgen kann. Diese herausragende Fähigkeit habe jedoch eine dramatische Kehrseite: Denn die kooperierenden Menschen hätten eine Neigung dazu, unerbittlich gegen Konkurrenten vorzugehen.
Demnach ist es also eine explosive Mischung aus Kooperation und Konkurrenz, die den modernen Menschen so erfolgreich macht. Curtis Marean vermutet, dass sie angeboren und erst beim Homo sapiens vorhanden ist. Der Anthropologe erklärt damit, weshalb sich der heutige Mensch so schnell über die Erde ausbreiten kann und dabei ältere Menschenformen – etwa die Neandertaler und die Denisova-Menschen – verdrängt, die noch in kleineren, nicht so intensiv kooperierenden Gruppen leben.
Auch die Erfindung neuer, fern wirkender Waffen – etwa der Speerschleuder, später Pfeil und Bogen – helfen diesem Szenario zufolge bei der Eroberung der Erde. Und sicher ist es kein Zufall, dass kurz nach dem Erscheinen des Homo sapiens in Australien und Amerika die dortigen großen Tiere (Megafauna) verschwinden; offenbar von Menschen gejagt und ausgerottet.
Um es zusammenzufassen: Der aufrechte Gang, das große Gehirn, die Werkzeugherstellung, die besondere Mann-Frau-Beziehung und das Zusammenleben in der Gruppe waren sicher wichtige Voraussetzungen für die erstaunliche Karriere des Homo sapiens, aber sie allein können das Phänomen nicht erklären.
Weitere Besonderheiten müssen hinzu kommen: Neue Formen, wie Kinder Wissen erwerben (lernen), der intensive Austausch von Informationen mit anderen Menschen, die Fähigkeit, sich in komplexen Szenarien die Zukunft vorzustellen und die Neigung, sich zu vernetzen, also mit größeren, auch nichtverwandten Gruppen zu kooperieren.
Ist der Homo sapiens ein Puzzle aus vielen Neuerungen?
Jede dieser Entwicklungen ist ein weiteres Puzzleteil, doch welches das Wichtigste ist, lässt sich kaum entscheiden. Vielleicht ist es ähnlich wie mit der Entwicklung des Smartphones, dessen heute übliche Version im Jahr 2007 von Apple als "iPhone 1" der Öffentlichkeit präsentiert wurde: Ein mobiler Minicomputer, ausgestattet mit Akku, Kamera, Touchscreen, drahtloser Telefonfunktion und mobiler Datenübertragung, einem speziellem Betriebssystem und kleinen, installierbaren Programmen, den Apps.
Keine seiner Hardware-Komponenten ist etwas komplett Neues, Einmaliges. Stattdessen wurden vorhandene Komponenten weiterentwickelt, miniaturisiert, angepasst und mit einem neuen Betriebssystem in ein Gerät integriert.
Und doch ist das Resultat etwas noch nie Dagewesenes. Etwas, das die Welt der Menschen in weniger als zwei Jahrzehnten enorm verändert und sich überall auf unserem Planeten durchsetzt. Eine technische Neuerung, die unser heutiges Leben dank seiner Vielfalt an Möglichkeiten prägt: Von unterwegs aus telefonieren, fotografieren, mit anderen Menschen über Apps, SMS oder e-Mail kommunizieren, Filme anschauen, bargeldlos zahlen, Tickets kaufen und vieles mehr. Das alles vereint in einem Gerät, das in jede Hosentasche passt.
Eine Steinzeit-Revolution bringt die Entwicklung in Schwung
Entwicklungen wie das Smartphone sind der momentane Endpunkt eines gewaltigen Berges von Kultur, Technik und Wissen, den die Menschheit dank ihrer besonderen Fähigkeit zu Weitergabe von Informationen an andere Menschen und an folgende Generationen anhäuft.
Schon 11.000 Jahre zuvor bringt die kulturelle Entwicklung den Homo sapiens an eine Schwelle, die alles ändert: Mit dem Übergang vom Dasein als Jäger und Sammler zur sesshaften Lebensweise als Ackerbauer und Viehzüchter – der neolithischen Revolution.
Dank ihrer Fähigkeit, so unvergleichlich mit anderen zu kooperieren, schließen sich die Menschen zu immer größeren Gemeinschaften zusammen, bauen Pflanzen an, züchten Nutzvieh, errichten Häuser und Dörfer, schließlich Städte, und sie treiben Handel. Immer komplexer wird die Gesellschaft, immer wichtiger wird die Fähigkeit in freundlicher Verbundenheit zu kooperieren – aber sich manchmal auch zusammenzuschließen, um gegen Feinde zu kämpfen.
Es folgen im 18./19. Jahrhundert die industrielle, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die digitale Revolution; gleichzeitig wächst die Zahl der Menschen immer schneller – auf heute mehr als acht Milliarden. Es wirkt als sei eine Art Karussell in Gang gekommen, das sich immer mehr beschleunigt.
Die Schattenseite des Erfolgs
So überlegen den Homo sapiens seine Fähigkeit macht, in freundschaftlicher Verbundenheit zu kooperieren, so nachteilig wirkt sich seine Neigung zu rücksichtloser Konkurrenz aus: Wenn er sich etwa gegen fremde, feindlich gesinnte Gruppen verbündet, um sie zu bekämpfen und Kriege zu führen.
Oder auch, wenn es darum geht, wer die Natur ausbeuten darf und welche Schäden eine Übernutzung zur Folge hat. Das einstige Erfolgsrezept droht dem vermeintlichen Sieger der Evolution zum Verhängnis zu werden.
Im Grunde steht die heutige Menschheit vor einem sogenannten "Allmende-Problem". Im Mittelalter gab es in vielen Dörfern Gemeinschaftswiesen, Allmenden, auf denen jeder sein Vieh grasen lassen durfte. Wenn alle Hirten die Weide gleichmäßig und zurückhaltend nutzen, profitieren alle. Lassen Einzelne jedoch ihre Tiere vermehrt grasen, haben sie zunächst einen Vorteil. Doch der kehrt sich zu einem Nachteil für alle um, wenn das Weideland durch Übernutzung dauerhaft geschädigt ist.
Heute handelt es sich allerdings um ein globales Allmende-Problem. Der gesamte Planet droht durch Übernutzung Schaden zu nehmen, das Klima gerät aus dem Gleichgewicht und Arten verschwinden für immer.
Lösbar ist das Problem nur, wenn die Menschheit es schafft, ihre Neigung zur erbarmungslosen Konkurrenz zu überwinden – und ihre größte Stärke auszuspielen: die Fähigkeit zu einer freundschaftlichen, konstruktiven Zusammenarbeit mit allen anderen Menschengruppen, mögen sie noch so fremd erscheinen. Denn dieses Talent ist das eigentliche Erfolgsgeheimnis des Homo sapiens.
Über RiffReporter
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Verwendete Quellen
- welt.de: Affen erfanden Werkzeuge lange vor den Menschen
- science.org: Genomic inference of a severe human bottleneck during the Early to Middle Pleistocene transition
- mpg.de: Konnten Neandertaler sprechen?
- eva.mpg.de: Ehemalige Abteilung für vergleichende und Entwicklungspsychologie
- psychology.uq.edu.au: Professor Thomas Suddendorf
- spektrum.de: Der Siegeszug des Homo sapiens
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