- Am 11. Januar hat die Räumung des Weilers Lützerath begonnen: Hunderte Klimaaktivistinnen und -aktivisten stehen einem riesigen Polizeieinsatz gegenüber.
- Wie sieht die Rechtslage aus - und wer zahlt den Einsatz eigentlich?
- Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Lützerath ist ein kleines Dorf in Nordrhein-Westfalen. Dort versammeln sich zahlreiche Aktivistinnen und Aktivisten, um das Dorf gegen die Zerstörung durch den Braunkohleabbau zu verteidigen. Die ursprünglichen Bewohnerinnen und Bewohner sind schon längst weggezogen. Neben der Siedlung liegt die Kraterlandschaft des Braunkohletagebaus Garzweiler II.
Unter dem Dorf Lützerath befinden sich noch besonders große Braunkohlevorkommen. Nach Auffassung des Unternehmens RWE seien diese nötig, um die Energieversorgung für Deutschland sicherzustellen. Mehrere unabhängige Klima-Expertinnen und -experten bestreiten dies. Der Kampf um Lützerath ist zum Symbolbild einer schwachen deutschen Klimapolitik geworden.
Wie kam es dazu? Im Oktober 2022 verkündeten Bundeswirtschaftsminister
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Wie wurden die Bürgerinnen und Bürger über die Räumung von Lützerath informiert?
Der Weiler Lützerath gehört zur Stadt Erkelenz. Die Bürgerinnen und Bürger von Erkelenz wurden über die polizeiliche Räumung erst am 10. Januar im Rahmen einer kurzfristig anberaumten Bürgerinformationsveranstaltung informiert.
Polizeipräsident Dirk Weinspach und Landrat Stephan Pusch informierten in der vierstündigen Veranstaltung die Bürgerschaft erstmals eingehender über die Lage. Aktivistinnen und Aktivisten kritisierten die Veranstaltung, da sie keine Bürgerbeteiligung im Sinne der Aarhuser Konvention hergestellt habe.
Wie sieht die Rechtslage zur Räumung aus?
Grund und Boden mit den bestehenden Häusern gehören dem Energiekonzern RWE. Alle Klagen gegen einen Abriss sind von deutschen Gerichten abgewiesen worden. Der zuständige Kreis Heinsberg hat den Aufenthalt untersagt. Die Allgemeinverfügung des Landrats zur Räumung der Ortschaft Lützerath hat weiterhin Bestand.
Das bestätigte das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen noch am 9. Januar 2023. Damit ist der Versuch von Klimaaktivisten und -aktivistinnen, das vom Kreis Heinsberg ausgesprochene Aufenthaltsverbot in Lützerath mit einem Eilverfahren zu Fall zu bringen, gescheitert. Der unberechtigte Aufenthalt von Personen auf den betroffenen Flächen sei ohne Einwilligung von RWE zivilrechtlich rechtswidrig und stelle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar, urteilte das Gericht.
Welche Kritik gibt es am Vorgehen der Polizei?
Polizisten hätten Demonstrierende etwa durch Schmerzgriffe verletzt, sagte eine Sprecherin der Protestaktion der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Eine Demosanitäterin berichtete auf Twitter von Kopfverletzungen am 10. Januar. Mehrere Videos, die in den sozialen Netzwerken kursieren, belegen das harte Vorgehen einiger Einsatzkräfte.
Laut mehreren Schilderungen von Augenzeugen wurden Rettungssanitäter und -sanitäterinnen an der Ausübung ihrer Arbeit bei den Aktivistinnen und Aktivisten behindert. So berichtete etwa der Bundessprecher der Grünen Jugend Timon Dzienus, der ebenfalls vor Ort am Protest in Lützerath teilnimmt, via Twitter, dass die Polizei am Mittag verhindert habe, dass Sanitätern und Sanitäterinnen Zugang zum Dorf erhielten. Die Demosanitäterin Iza Hofmann berichtet Ähnliches.
Verhaftete Klimaaktivistinnen und -aktivisten wurden von der Polizei in einem Transporter von RWE aus dem Dorf weggebracht. Ein Video dieser ungewöhnlichen Sicherheitskooperation postete der Bundessprecher der Grünen Jugend Dzienus ebenfalls auf Twitter.
Eine massive Behinderung von Journalisten und Journalistinnen beklagte der Geschäftsführer der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di Berlin-Brandenburg Jörg Reichel.
Muss RWE den Polizeieinsatz bezahlen?
Nein. Angaben eines Pressesprechers der Polizei Aachen zufolge muss das Unternehmen RWE den Polizeieinsatz nicht bezahlen. Die Steuerzahler und -zahlerinnen tragen die finanziellen Belastungen. Welche Kosten in Lützerath entstehen, ist derzeit nicht absehbar.
Zum Vergleich: Die Räumung des südlich der Garzweiler-Reviere gelegenen Waldstücks Hambacher Forst kostete rund 50 Millionen Euro. Die Übernahme der Kosten durch Steuerzahlerinnen und -zahler ist üblich, etwa auch bei Bundesligaspielen.
Die Stadt Bremen hat diese Praxis jedoch erfolgreich angefochten. So kann die Deutsche Fußball Liga (DFL) an den Einsatzkosten für die Polizei beteiligt werden, wenn die Polizei eine besondere Leistung erbringt, die sich von der allgemeinen Gefahrenabwehr abgrenzen lässt. Dies bestätigte das Bundesverwaltungsgericht im Fall der Beteiligung an den Einsatzkosten von Fußballvereinen bei Hochrisikospielen (Beschl. v. 21.12.2021, Az. 9 B6/21).
Statuiert RWE mit der Abbaggerung von Lützerath ein Exempel?
Dass mit der Räumung von Lützerath auch ein politisches Ziel verfolgt wird, legt die Bemerkung in einer gutachterlichen Stellungnahme nahe, die im Auftrag von RWE erstellt wurde. Wenn es mit Lützerath "keine Befriedung" gebe, "entstünde eine Motivation zu weiteren Blockaden", heißt es in einer Auflistung von Gründen, die für die Abbaggerung angeführt werden. In Folge entstünden "zusätzliche Unsicherheiten bei der weiteren Tagebauführung."
Verwendete Quellen:
- Pressemitteilung: Allgemeinverfügung des Kreises Heinsberg zur Räumung der Ortslage Lützerath
- Frankfurter Rundschau: Lützerath: Polizei treibt Räumung voran - Aktivisten harren in Tunnel aus
- Twitter-Accounts von Timon Dzienus, Iza Hofmann und Jörg Reichel
- Landesregierung NRW: Gutachterliche Stellungnahme: Bewertung der Auswirkungen und Konsequenzen für den Tagebau Garzweiler bei Nicht-Inanspruchnahme der ehemaligen Ortslage Lützerath
© RiffReporter
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