Um die Energiewende zu meistern, ist der Ausbau der Windkraft unerlässlich. Trotzdem stehen Windräder immer wieder in der Kritik, provozieren Bürgerproteste und hitzige Diskussionen. Die Sorgen der Menschen reichen von Infraschall und Stroboskop-Effekt über gefährlichen Eiswurf bis hin zu mangelnder Wirtschaftlichkeit. Wir prüfen: Welche Aussagen über Windräder stimmen – und welche nicht?

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Wenn es nach Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) geht, dann dürfen Windräder künftig nur noch in einer Entfernung von 1.000 Metern zur nächsten Siedlung gebaut werden.

Während manche darin eine Gefährdung der deutschen Klimaziele sehen, ist Altmaier der Meinung, mit der Abstandsregelung für die Akzeptanz der Windräder in der Bevölkerung zu kämpfen. Man wolle "die berechtigten Sorgen vieler Menschen" ernst nehmen, so der Wirtschaftsminister im Interview mit dem Deutschlandfunk.

Aber welche Sorgen sind das und wie berechtigt sind sie? Immerhin ranken sich um die Windkraft auch viele Mythen. Wir die gängigsten einem Check unterzogen.

Mythos: Für Windräder müssen immense Flächen an Wald gerodet werden

Was stimmt?

Bund und Länder haben ambitionierte Ziele, was den Anteil von erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch anbelangt - bis 2050 sollen sie 80 Prozent unserer Stromversorgung decken. Windenergie spielt dabei eine tragende Rolle, ihr Ausbau ist also zur Zielerreichung notwendig. Nicht selten sind die Standorte für neue Windräder Waldflächen, die im Zuge des Baus gerodet werden müssen.

Wichtig zu wissen ist aber: Windenergie hat von allen erneuerbaren Energien den geringsten Flächenbedarf. Außerdem müssen die Windparkbetreiber für Ausgleichs- und Ersatzbepflanzungen sorgen, diese stimmen sie mit den Naturschutzbehörden ab.

Was stimmt nicht?

Nicht alle Wälder dürfen für den Bau von Windkraftanlagen gerodet werden. In Nordrhein-Westfalen, einem Bundesland, das zu 26 Prozent bewaldet ist, dürfen Windräder beispielsweise nur auf Kahlflächen aufgrund von Schadensereignissen errichtet werden; Schutzgebiete mit besonders hohem ökologischen Wert etwa sind hingegen tabu.

Die kursierenden Vorstellungen zum Flächenverbrauch von Windenergieanlagen sind häufig völlig unrealistisch und werden mit der Gesamtfläche inklusive Abstandsfläche zur nächsten Anlage verwechselt. Die zu rodende Waldfläche, die die Windkraftanlage inklusive Fundament und Kranstellfläche benötigt, liegt in aller Regel bei weniger als 5.000 Quadratmetern – das sind 0,5 Hektar und damit weniger als ein Fußballfeld.

Mythos: Windräder töten Vögel und vertreiben Fledermäuse

Was stimmt?

Windräder bergen Gefahren für Vögel und Fledermäuse: Kollisionen mit sich drehenden Rotorblättern und den Masten führen häufig zum Tod der Tiere. Schätzungen des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) belaufen sich auf bis zu 200.000 getötete Fledermäuse und 100.000 getötete Vögel pro Jahr - hier sind etwa Rotmilan und Seeadler gefährdet. Hinzu kommen Lebensraumverluste, weil Gänse und Watvögel durch Windkraft ihre Brutplätze verlieren.

Was stimmt nicht?

Vogelkiller Nummer eins sind Windräder bei Weitem nicht: Über 18 Millionen Vögel sterben laut Schätzungen des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund) jährlich an Glasscheiben. Gefährlicher sind auch der Straßen- und Bahnverkehr, die Landwirtschaft und die Hauskatze.

Einfach hinnehmen muss man das Problem dennoch nicht: Sensible Standortwahl und ein ausreichender Abstand zwischen Horst und Windpark können Abhilfe schaffen.

Mythos: Windräder schaden dem Menschen durch Lautstärke und Infraschall

Was stimmt?

Windräder machen durch die Drehung der Rotorblätter Geräusche und erzeugen Schall mit sehr tiefen Frequenzen – den sogenannten Infraschall. Die Wahrnehmung dieses tieffrequenten Schalls variiert von Mensch zu Mensch und hängt von der individuellen Empfindlichkeit ab. Ein erhöhter Geräuschpegel und Infraschall können dem Menschen schaden und zu Druckgefühl, Übelkeit, Konzentrations- oder Schlafstörungen führen.

Deshalb gibt es in Deutschland Richtlinien für die Lautstärke von Windkraftanlagen und Mindestabstände, die eingehalten werden müssen. Windräder erzeugen einen Lautstärkepegel von 40 bis 55 Dezibel – und damit weniger als ein Fön (70 Dezibel), die Infraschallfrequenz liegt unterhalb von 20 Hertz – normalerweise für das menschliche Ohr nicht hörbar.

Was stimmt nicht?

Windräder sind nicht die einzigen Geräusch- und Infraschallquellen, denen der Mensch im Alltag begegnet. Heizungs- und Klimaanlagen, Pkw oder Meeresbrandung erzeugen beispielsweise deutlich mehr Infraschall.

Bislang weist keine wissenschaftliche Studie darauf hin, dass Schallimmissionen in der Umgebung von Windkraftanlagen negative Effekte auf das Gehör haben; ebenso gibt es keine wissenschaftlichen Belege für einen Zusammenhang zwischen von Windrädern erzeugten Infraschall und Krankheiten.

Jedoch könnte eine negative Erwartungshaltung gegenüber Windrädern eine Rolle bei festgestellten Symptomen spielen. Nach Einschätzung des Umweltbundesamtes stehen die derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse einer Nutzung der Windkraft nicht entgegen. Genügend valide Daten gibt es jedoch noch nicht, es braucht mehr Studien, um genauere Aussagen über Nebenwirkungen und mögliche Gesundheitsrisiken treffen zu können.

Mythos: Windräder stören durch Schattenwurf und sind durch Eiswurf gefährlich

Was stimmt?

Unter bestimmten Witterungsbedingungen kann sich Eis an den Rotorenblättern sammeln, der folgende Eisabwurf kann zur Gefahr werden. Überwachungssysteme an den Anlagen sollen jedoch sicherstellen, dass die Maschine eine Eisbildung registriert und sich in der Folge abschaltet oder eine Blattheizung aktiviert.

Bei ungünstigen Sonnenkonstellationen kann es außerdem zu bewegten und periodischen Schattenwurf- und Stroboskop-Effekten kommen. Um eine Genehmigung zu erhalten, müssen auch hier Grenzwerte eingehalten werden - 30 Minuten Beschattung täglich dürfen nicht überstiegen werden.

Was stimmt nicht?

Bislang ist in Deutschland kein Personenschaden durch Eiswurf aufgetreten. Auch Haftpflichtversicherungen, die Schäden durch Eisabwurf abdecken, schätzen die Gefahr wohl als gering ein: Die durchschnittlichen Kosten für eine Windenergieanlage liegen bei niedrigen 100 Euro jährlich. Die Frequenz, mit der sich Windräder drehen, schließt außerdem ein Risiko für epileptische Anfälle aus.

Mythos: Windräder sind nicht nachhaltig und außerhalb Norddeutschlands nicht wirtschaftlich

Was stimmt?

Der Umstieg auf erneuerbare Energien hat seinen Preis – über die EEG-Umlage wird die Windkraft mit etwa neun Cent pro Kilowattstunde subventioniert. Deshalb steigen auch für Verbraucher die Strompreise, Deutschland liegt im EU-Vergleich ganz vorn. Insgesamt profitiert die deutsche Wirtschaft aber vom Ausbau der Windenergie.

Durch die Beteiligung am globalen Innovationsmarkt kann Deutschland außerdem dazu beitragen, dass Windkraft immer günstiger und nachhaltiger wird: Aktuell dauert es zwölf Monate, bis die Windräder so viel Energie erzeugt haben, wie für ihre Herstellung, Nutzung und Entsorgung anfallen – deutlich geringer als die Betriebszeit von 20 Jahren.

Was stimmt nicht?

Falsch ist, dass sich Windkraftanlagen nur an der See lohnen. Auch für windschwächere Gebiete gibt es Anlagen, die gute Erträge liefern. Die Strompreise würden auch steigen, wenn Deutschland weiterhin auf fossile Energien setzen würde – beispielsweise, weil veraltete Kraftwerke ersetzt werden müssen, Preise für CO2-Emissionen steigen oder es politische Spannungen in den Ländern gibt, aus denen Deutschland Energieträger importiert.

Windkraft ist zwar eine der günstigsten und am wenigsten umweltschädlichen Energieerzeugungsarten, umweltneutral ist sie aber trotzdem nicht. Für ihren Bau wird zum Beispiel klimaschädlicher Beton genötigt, außerdem sind in den Turbinen seltene Erden verbaut – die unter oft unbekannten Bedingungen in China abgebaut werden.

Mythos: Neue Windräder lohnen sich ohne effiziente Möglichkeit zur Zwischenspeicherung nicht

Was stimmt?

Langfristig werden wir ohne Stromspeicher nicht auskommen, sie sind ein Zukunftsthema. Denn die Stromerzeugung durch Windenergie ist wetterabhängig und damit nicht konstant: Weht kein Wind, wird kein Strom erzeugt. Die Einspeisung schwankt, selbiges trifft auf die Solarenergie zu.

Meteorologische Prognosen machen aber eine genaue Berechnung möglich, sodass Stromnetze stabil gehalten werden können. Bei Engpässen werden beispielsweise Gaskraftwerke für den Ausgleich herangezogen.

Was stimmt nicht?

Es ist nicht unmöglich, zu viel produzierten Strom zu speichern. Mögliche Formen sind beispielsweise Pumpenspeicherwerke, Biomasse oder Wasserstoff- und Methanerzeugung. Jüngste Projekte konzentrieren sich auf Druckluft und Speicherkugeln am Meeresboden. Forschungen in diesem Bereich müssen weiter gestärkt werden.

Laut einer Studie des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung ist der Speicherbedarf jedoch kleiner als gedacht, sodass es aktuell wirtschaftlicher ist, Überschüsse durch Laufzeitsenkungen zu vermeiden. Speichermöglichkeiten sind außerdem nicht die einzigen Stellschrauben, auch die Netzsteuerung etwa in Form von Lastensteuerung gewinnt an Bedeutung.

Verwendete Quellen:

  • Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: "Windenergie an Land"
  • Nabu: "Auswirkungen von Windkraftanlagen"
  • Nabu: "Windräder als Todesfalle entschärfen"
  • Fachagentur Windenergie an Land: "Länderinformationen NRW"
  • Innogy.com: "Unser Fakten-Check zur Windkraft"
  • Umweltbundesamt: "Mögliche gesundheitliche Effekte von Windenergieanlagen
  • Bund und Nabu: "Faktencheck Windenergie"
  • Zentrum Ressourceneffizienz: Ressourceneffizienz von Windenergieanlagen
  • Bundestag.de: Zur Ökobilanz der Windenergietechnologie unter Berücksichtigung Seltener Erden
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