Keine Frage, es wäre die Sensation des Jahrhunderts, ein Mega-Coup historischen Ausmaßes und es klingt schlichtweg unfassbar: Der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika heißt nicht Donald Trump und auch nicht Hillary Clinton, sondern Evan McMullin. Unmöglich? Nicht ganz.

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Die Welt blickt nach Amerika, wo am 8. November 2016 darüber entschieden wird, ob Donald Trump oder Hillary Clinton als 45. Präsident oder Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika ins Weiße Haus einzieht.

MacMullin als lachender Dritter?

Sicher ist bislang nur: Es ist der emotionalste, schmutzigste und meistpolarisierende Präsidentschaftswahlkampf, den die USA je erlebt haben - und zweifellos auch der verrückteste.

Insofern würde es ganz gut ins Bild passen, wenn weder Trump noch Clinton, sondern mit Evan McMullin am Ende der lachende Dritte als Nachfolger von Barack Obama gekürt werden würde. Die "Los Angeles Times" bezeichnet McMullin deshalb auch schon als "letzte beste Hoffnung für Clinton- und Trump-Gegner".

Ein aussichtsreicherer Gegenkandidat als beispielsweise Gary Johnson, dem lange Zeit ebenfalls das Potenzial eingeräumt worden war, den beiden Top-Favoriten Stimmen zu "stehlen". Doch Patzer wie seine "Was ist Aleppo"-TV-Blamage sowie fehlender Zuspruch seitens der Republikaner warfen der Kandidaten der Libertären Partei in Umfragen zurück.

Evan McMullin: CIA, Bank - Weißes Haus?

Der ehemalige CIA-Mitarbeiter, Investmentbanker und politische Berater der Republikaner im Repräsentantenhaus kommt aus Utah und hat sich als parteiloser Gegenkandidat von Hillary Clinton und Donald Trump voll auf seinen Heimatstaat fokussiert.

McMullin ist realistisch genug, als Ziel seiner Kampagne nicht die Präsidentschaft zu definieren. McMullin will einfach nur Trump verhindern. Sein Motto dabei: "Es ist niemals zu spät, das Richtige zu tun."

Es ist Eventualitäten geschuldet, die zwar undenkbar, aber eben nicht unmöglich sind, dass sich McMullin bei der Verfolgung seines Zieles plötzlich als neuer US-Präsident im Weißen Haus wiederfinden könnte.

So komplex ist das Wahlsystem

In den USA können sich bei der Wahl kuriose Konstellationen ergeben. © YouTube

Der 40 Jahre alte Trump-Gegner ist Mormone und hat somit im mormonischen US-Bundesstaat Utah herausragenden Heimvorteil gegenüber dem republikanischen Kandidaten. McMullin verfügt zwar nicht über die finanziellen Mittel Trumps, vertritt dafür aber Werte, die sich an der Trump'schen Attitüde reiben.

Aktuell liefert sich McMullin ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Trump. Es gibt sogar eine Umfrage des Emerson College, die den Underdog in Utah vor dem Favoriten sehen. Und genau hier treffen McMullins Zielsetzung und Trumps Sorgen aufeinander.

Dass parteilose Drittkandidaten Bundesstaaten für sich entscheiden, ist äußerst selten. Tritt der Fall aber ein, können sie wie Evan McMullin bei engen Wahlkämpfen das Zünglein an der Waage sein. Und dass es beim Duell Trump gegen Clinton eng zugeht, ist unbestritten.

Erzkonservativer McMullin in erzkonservativem Utah

Das konservative Utah ist traditionell in republikanischer Hand, die sechs Wahlmänner dürfte Trumps Wahlkampfteam also bereits eingebucht haben. Gewinnt McMullin den Bundestaat, könnte dieser Verlust der Wahlmänner die Waage zugunsten von Hillary Clinton ausschlagen lassen - Evan McMullin hätte erreicht, was er wollte.

Doch wie könnte er noch mehr erreichen und an Trump und Clinton vorbei zum neuen Präsidenten der USA gewählt werden?

Das praktisch aussichtslose, aber theoretisch nicht unmögliche Szenario sieht so aus: McMullin gewinnt Utah und wird damit zum Kandidaten mit den drittmeisten Wahlmänner-Stimmen und Hillary Clinton schafft es nicht, die unentschiedenen Bundesstaaten für sich zu gewinnen.

Daraus könnte sich zwischen Clinton und Trump eine Patt-Situation ergeben, in der keiner der beiden die nötigen 270 Stimmen im "Electoral College" auf sich vereinen kann. Es wäre der kritischste Moment im US-Wahlkampf. Denn ein Patt wäre die Voraussetzung, die den Weg frei machen würde für einen historischen Coup und die größte Sensation in der Geschichte der US-Wahlen.

Hillary ohne Rückendeckung, Trump ohne Rückhalt - McMullin mit Chancen

Denn bei einem Unentschieden zwischen Trump und Clinton würde die Wahl an das Repräsentantenhaus übertragen werden, wo über die drei verbliebenen Präsidentschaftskandidaten entschieden würde.

Da hier die Republikaner dominieren, hätte die Demokratin Clinton schlechte Aussichten und die Republikaner die unerwartete Chance, den eigenen unliebsamen Kandidaten Donald Trump doch noch loszuwerden: mit der Wahl Evan McMullins ins Weiße Haus.

Zugegeben, ein unwahrscheinliches Szenario. Weitaus wahrscheinlicher bleibt aber ein Sieg McMullins in Utah, was durchaus einen entscheidenden Einfluss auf den Ausgang einer engen Wahl haben könnte - zu Ungunsten Donald Trumps, dem der Underdog dadurch sechs wertvolle Wahlmänner "klauen" würde.

Sollte es darüber hinaus tatsächlich zur historischen Sensation kommen, würde sich die republikanische Partei bei diesem unerwarteten 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten wohl an den ersten in der Geschichte der USA erinnern - an die republikanische Lichtgestalt Abraham Lincoln und dessen Feststellung: "Je schwerer etwas fällt, desto größer die Freude, wenn es uns gelingt."

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