Heidi Klum ist in Folge zwei von "Germany's next Topmodel" noch immer auf deutschen Straßen unterwegs, um Ehefrauen für die deutsche Nationalmannschaft zu casten. Doch mit dem Fortschreiten der Show wird man den Eindruck nicht los, dass es hier weniger um ein Modelcasting geht als um eine zweistündige Werbeveranstaltung für Reisebusse.

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"Guten Morgen ihr Lieben!", sagt Heidi Klum mit dieser schrillen Stimme, die einem die kleinen Härchen am Unterarm rasiert, und "Guten Morgen!" quietscht die Jungmodel-Horde bei "Germany's next Topmodel" unisono zurück. Ganz wie in der Schule. Doch wo jetzt Goethes Faust auf dem Programm stünde, da wird sich bei Mama Klum erst mal ausgezogen. Logisch, in der ersten Sendung wurde es immer und immer wieder angekündigt. Schließlich ist "der Bikini Walk am Wichtigsten", wie es die Jury nicht müde wird zu erwähnen. Junge Mädchen im Bikini sind nie verkehrt. Zumindest für die Einschaltquoten. Aber keine Sorge, alles geht ganz seriös vor sich, denn: "Bildet euch ein, ihr seid nicht nackt, ihr tragt eure wunderschöne Haut". Sagt zumindest Wolfgang Joop. Und dann muss es ja stimmen.

Also sieht man gefühlte zwei Stunden Mädchen in knappen Stofffetzen über den Laufsteg stöckeln, die kaum ihre langen Gliedmaßen unter Kontrolle haben, geschweige denn die astronomisch hohen Absätze. Damit das den Voyeur von Niveau nicht langweilt, cremen und ölen sich die blutjungen Dinger immer wieder die Körper ein. Laura, 16 Jahre, grinst freudig in die Kamera. Sie ist schließlich nicht nackt, sie trägt ihre wunderschöne Haut.

Germany's next Top-7,5-Tonner

Davor, danach und irgendwie auch dazwischen tauchen immer wieder Heidi Klum und Thomas Hayo in ihrem neuen Reisebus auf, mit dem sie quer durch Deutschland touren. Sie singen lustige Lieder auf den Busfahrer, bei denen jedes Zwerchfell freiwillig in Frührente gehen würde, schauen ungeschminkt aus den Schlafkojen und sind überhaupt verdammt gut drauf. Fast scheint es, als suche man keine Models, sondern Deutschlands schönsten 7,5-Tonner.

"Spontan" hält das Jurorenduo auf Marktplätzen und vor Schulen, und "spontan" steht da schon immer eine kreischende Menge bereit, in der sich "spontan" eine Bewerberin für die Show findet. Die Teenies drängen sich um die Mädchen, die in der Menge einen Gang über den Laufsteg simulieren. Aber keine Sorge, das peinliche Unterfangen bekommt niemand mit. Nur die Kameras von ProSieben und Dutzende Smartphones, die sich ihnen entgegen recken.

Der Lohn für diese Schinderei? Die Mädchen müssen noch einmal im Studio von ProSieben auf den Laufsteg, wo Klum, Joop und Hayo am Ende thronen und sie bewerten wie auf dem Viehmarkt. "Tolle Haare", "tolle Beine", "super Haut", "super Hupen". In etwa so. Dazwischen schießt Wolfgang Joop Sätze, die wohl nur einem so strammgezurrten Gesicht wie seinem entfleuchen können: "Sind die Beine ganz grade oder bist du viel geritten?" Vielleicht ist das der eigentliche Grund, warum er in der letzten Staffel zum Zuschauerliebling wurde. Eine weitere Kostprobe gefällig? Nun gut: "Bist du wandelbar und kannst die Dinge erfüllen, die wir uns wünschen?" Übersetzt für die Modebranche könnte das auch heißen: hungern, koksen und auf der Besetzungscouch landen.

"Ich bin einfach so, wie ich bin"

Man könnte nun sagen: Diese armen Mädchen, sie wissen nicht, was sie tun. Und man hätte sogar recht. Doch zu ihrem eigenen Glück bekommen sie das gar nicht mit. Eine zum Beispiel hält sich für einen YouTube-Star. Ihren Fans brennt dabei eine Frage auf den Nägeln: Wie sie das so macht, dass sie so ist, wie sie eben ist. Ihre Antwort: "Ich bin einfach so, wie ich bin." Das hat fast schon philosophische Züge. Eine andere ist schneller zufrieden: "Ich will Model werden, ich bin nicht zum Arbeiten geboren." Zumindest hat sie das Grundkonzept dieses inoffiziellen Ehefrauencastings der deutschen Nationalmannschaft verstanden. Das kann man nicht von allen behaupten. Viele scheitern schon am Grundsätzlichen: "Ich habe mir noch Videos angeschaut, wie man gescheit lauft." Hätte sie sich doch lieber Videos angeschaut, wie man gescheit spricht.

So plätschert das Format über zwei zähe Stunden vor sich hin. Heidi Klum quietscht und Wolfgang Joop erzählt seltsame Anekdoten, zum Beispiel, wie man in der Antike die schönste Frau ermittelte. Die Mädchen schauen dabei so leer, wie man nur schauen kann, wenn einer dieser lustigen Sträucher aus dem Wilden Westen in dem Hohlraum zwischen den Ohren hin und her weht. Alles vor Justin Bieber ist für sie graue Vorzeit. Auch egal. "Ich überleg nicht viel, was ich auf der Bühne mache", sagt eine von ihnen. Das trifft sich gut. Die Macher dieser Show auch nicht.

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