Umweltschützer freuen sich, viele Landwirte sind sauer, die Bundesregierung erleichtert: Nach jahrelangem Hin und Her kommen strengere Düngeregeln. Ist das Wasser damit sicher vor zu viel Nitrat - und der Dauerstreit mit der EU vom Tisch?
Zum Schutz des Grundwassers müssen Bauern in Deutschland künftig ihre Felder weniger düngen. Nach mühsamen Verhandlungen stimmte der Bundesrat am Freitag in Berlin Plänen der Bundesregierung zu - damit entgeht Deutschland wohl vorerst einem weiteren EU-Verfahren und Strafzahlungen von bis zu 850.000 Euro am Tag.
Weil an vielen Orten das Grundwasser zu stark mit Nitrat belastet ist, macht die EU schon seit Jahren Druck. Umweltschützer zeigten sich zufrieden, der Bauernverband kritisierte den Beschluss. Für die Umsetzung wichtiger Teile der Verordnung bekommen Bauern und Länder wegen der Corona-Krise nun mehr Zeit als zunächst geplant.
Für Umstellung gibt es Fördermittel vom Bund
Das Ja der Länder stand bis zuletzt auf der Kippe. Und in einer Entschließung machte der Bundesrat klar, dass er nur wegen drohender Sanktionen aus Brüssel zustimmte - und verwies nachdrücklich auf fachliche, rechtliche und praktische Unzulänglichkeiten.
"Das war ein echter Kraftakt", sagte Bundesumweltministerin
Um den Höfen bei der Umstellung zu helfen, gebe es Fördermittel vom Bund. Für Verbraucher seien die neuen Regeln eine Entlastung: "Denn je sauberer das Grundwasser wird, desto weniger kostet die Trinkwasseraufbereitung, die jeder einzelne Haushalt bezahlen muss." Für das Agrarministerium von Julia Klöckner (CDU) sagte Staatssekretärin Beate Kasch, man werde vor allem Investitionen in Lagerung, Ausbringungs-Technik und Aufbereitung von Gülle fördern.
Der Bauernverband hält die neuen Regeln dennoch für falsch: Sie würden "Qualität und Erntemenge negativ beeinflussen und letztendlich die gesamte Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung schwächen", kritisierte Bauernpräsident Joachim Rukwied. Ein Grund für Groll ist dabei auch, dass Düngeregeln erst 2017 schon einmal verschärft worden waren. Die FDP im Bundestag sprach von "unsachliche Restriktionen".
Ärger mit der EU vorerst vom Tisch
Unter anderem wird die Zeit beschränkt, in der überhaupt gedüngt werden darf, und ein größerer Abstand zu Gewässern vorgeschrieben. Für manche Flächen werden Obergrenzen festgelegt, in besonders belasteten Gebieten sollen Betriebe auf ihren Flächen insgesamt 20 Prozent weniger düngen.
Ist der Ärger mit der EU jetzt vom Tisch? Vorerst wohl ja - davon geht die Bundesregierung aus. Eine Sprecherin der EU-Kommission begrüßte die Abstimmung zwar. Sie sagte aber auch, man werde sich die Ergänzungen genau anschauen, und mahnte eine schnelle Umsetzung an.
Um diese Umsetzung geht es nun in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Sie soll Kriterien erarbeiten, nach denen Gebiete mit besonders hoher Nitrat- und Phosphatbelastung ausgewiesen werden. Bis zum Jahreswechsel müssen die Gebiete feststehen, dann gelten dort besonders strenge Dünge-Vorschriften. Eigentlich hätten die Länder nur sechs Monate Zeit gehabt, wegen der Corona-Krise stimmte die EU-Kommission aber einer Verlängerung zu.
Umweltverbände sehen Problem nicht auf Dauer gelöst
Erst wenn die Kommission mit diesen sogenannten roten Gebieten zufrieden ist, ist ein weiteres Verfahren wohl endgültig abgewendet. Wie das neue Düngerecht wirkt und ob dadurch alle Grenzwerte eingehalten werden, zeigt sich erst viel später, denn ins Grundwasser gelangt das Nitrat mit Verzögerung.
Aus Dünger wie etwa Gülle gelangt Nitrat in den Boden, das wichtig fürs Pflanzenwachstum ist und Menschen erstmal nicht schadet. Zu viel davon kann die Natur aber aus dem Gleichgewicht bringen. Zudem können aus Nitrat gesundheitsgefährdende Nitrite entstehen.
Umweltverbände begrüßten deswegen, dass die Verordnung die letzte Hürde nahm - sehen das Problem damit aber auch nicht auf Dauer gelöst. "Dafür braucht es strukturelle Lösungen jenseits des Düngerechts", sagte BUND-Chef Olaf Bandt - etwa, die Zahl der Tiere pro Hof an dessen Fläche zu koppeln.
Kritisch äußerten sich auch die Wasserversorger. "Weitere Verlängerungen durch die Hintertür darf es nicht geben", forderte der Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Der Wasserwirtschafts-Verband BDEW mahnte, die neuen Düngeregeln seien eigentlich schon veraltet und schützten das Grundwasser nicht ausreichend.
Grünen-Chef Robert Habeck griff diejenigen unions- und FDP-regierten Ländern an, die nicht zugestimmt hatten: Sie weigerten sich, Verantwortung zu übernehmen, sagte er der dpa. "Für einige Bäuerinnen und Bauern sind die Regeln wirklich scharf", räumte er ein. Proteste sollten sich aber nicht gegen Umweltschutz richten, sondern gegen Politik, die sie allein lasse und auf "Wachse-oder-Weiche" setze. © dpa
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