In beinahe jedem Monat seiner Amtszeit lieferte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) Stoff für die Titelseiten der Tageszeitungen. Aber kann der Minister mehr, als nur Schlagzeilen produzieren? Wir sprechen mit Verkehrsexperte Christian Externest und prüfen Scheuers Arbeitsbilanz von sauberer Mobilität bis Deutsche-Bahn-Problematik.
Das Verkehrsministerium unter
Jetzt auch noch das: Jüngst klagten die Grünen wegen der Maut gegen Scheuer, sie wollen ihn juristisch zwingen, die Verträge mit den vorgesehenen Betreiberfirmen offenzulegen.
Unter dem Strich erweckte das Ministerium in der Öffentlichkeit immer wieder den Eindruck von Überlastung und Planlosigkeit. Stimmt der Eindruck oder hat Scheuer eine passable Bilanz vorzuweisen? Wir machen den Check.
Auf Stimmenfang mit dem Verkehrsministerium
Rechtsanwalt Christian Externest ist Fahrlehrer und Dozent für Verkehrsrecht. Er sagt: "Dass das Verkehrsministerium schon so lange CSU-geführt ist - Ramsauer, Dobrindt, Scheuer - ist unglücklich." Denn die Partei nutze das Ministerium, um auf Stimmenfang zu gehen. "Mit dem Verkehrsministerium kann man den Nerv der Bevölkerung treffen", urteilt Externest. Bei vielen Vorstößen habe er den Eindruck, es gehe nur darum, Öffentlichkeit herzustellen.
PKW-Maut: Zum Scheitern verurteilt?
Dabei fällt ihm sofort das eigentliche Prestige-Projekt der CSU ein: Die Pkw-Maut. "Sie war von Anfang an zum Scheitern verurteilt", meint der Experte. Als er gehört habe, dass geplant sei, deutsche Autohalter könnten sich die Kosten für die Jahresvignette über die Kfz-Steuer zurückholen, habe er gedacht: "Man muss kein Jurist sein, um zu erkennen, dass der EuGh die Maut mit Verweis auf den Gleichheitsgrundsatz ablehnen wird." Es sei unprofessionell gewesen keine Ausstiegsklausel mit den vorgesehenen Betreiberfirmen zu vereinbaren.
Ausfallkosten in dreistelliger Millionenhöhe
Das Resultat ist mittlerweile ein echtes Maut-Debakel: Nach der Absage des Europäischen Gerichtshofs (EuGh) werden statt 400 Millionen Euro an geplanten Einnahmen, nun Ausfallkosten im dreistelligen Millionenbereich an die Vertragspartner fällig. Ebenfalls sind bereits 54 Millionen Euro an Planungskosten entstanden und Fahrzeuge zur Mautüberwachung angeschafft worden.
"Da nützt es auch nichts, wenn Scheuer nun meint, er hätte schon direkt Firmen an der Hand haben müssen", so Externest. Zugegeben: Das Konzept geht auf Kollege Dobrindt (CSU) zurück - 2014 stellte er das Konzept für die Pkw-Maut vor.
"Gut möglich, dass die Maut ohnehin ein Minusgeschäft gewesen wäre, weil Kontrolle und Errichtung so teuer sind", wirft Externest ein. Nun müssten deutsche Autohalter eine Pkw-Maut fürchten, bei der sie ebenfalls zur Kasse gebeten werden.
Arbeitsplätze vs. Klare politische Kante
Wofür Scheuer ebenfalls heftig in der Kritik stand: Der Diesel-Skandal, bei dem Autohersteller illegale Manipulationen zur Umgehung von Abgas-Grenzwerten vornahmen.
Stephan Kühn, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, sieht in Scheuer einen "Schutzpatron der Autolobby" statt einen "Anwalt der Verbraucher". Klare Kante hat Scheuer gegenüber der Industrie nicht gezeigt. "Man muss ihm aber zugutehalten, dass nicht die Politik den Dieselskandal verbockt hat, sondern die Autoindustrie", meint Externest. Bei der ohnehin schwierigen Problemlösung habe Scheuer Wirtschaft und Politik ausbalancieren müssen.
"Politisch wäre es in Deutschland nicht durchsetzbar gewesen, den VW-Konzern sehenden Auges in eine Krise zu stürzen und Arbeitsplätze zu riskieren", so Externest. Zwar machte Scheuer den Weg für Nachrüstungen frei, viele Bürger empfanden das aber immer noch als Hohn.
Vorstöße für mehr Fahrradsicherheit
Besser punkten konnte Scheuer mit Vorstößen für mehr Fahrradsicherheit: Generelles Halteverbot auf Radwegen, Grünpfeil zum Abbiegen für Radfahrer, Mindestabstand bei Überholmanövern.
"Generell gute Ideen, denn es sterben viel zu viele Radfahrer im Straßenverkehr", sagt Externest. 2018 kamen 445 Fahrradfahrer ums Leben. Ob die Maßnahmen tatsächlich mehr Sicherheit bringen, werde man im Verkehrsalltag sehen.
Als einen "unglaublichen - inzwischen aber abgelehnten - Vorstoß" bezeichnet Externest Scheuers Idee, dass Autofahrer ohne Zusatzprüfung ein Leichtkraftrad fahren dürfen. "Das ist das Gegenteil von mehr Sicherheit im Straßenverkehr", ärgert sich der Experte.
Deutsche Bahn: Weiterhin Sorgenkind
Weiterhin Sorgenkind bleibt auch die Deutsche Bahn. Zugausfälle und Verspätungen sind weiter an der Tagesordnung: Noch immer sind nur etwa 70 Prozent der Züge im Fernverkehr pünktlich. Außerdem ist die Bahn mit 20 Milliarden Euro hoch verschuldet.
Noch Ende 2018 sagte Scheuer der Nachrichtenagentur "dpa": "Wir brauchen eine Bürgerbahn, die den Namen verdient - nämlich, dass wir pünktlicher werden, dass wir besseren Service anbieten." Dieses Ziel hat er nicht erreicht.
"Es muss eine höhere Priorität haben, die Menschen zu mehr Bahnfahren zu bewegen. So lässt sich der Straßenverkehr am einfachsten entlasten", meint auch Externest. Was Scheuer getan hat: Am 23. Mai 2019 wurde das Deutsche Zentrum für Schienenverkehrsforschung (DZSF) gegründet, es soll den Schienenverkehr durch anwendungs- und lösungsorientierte Forschung nach vorne bringen.
Andreas Scheuer: Gründen löst noch keine Probleme
Auch die Gründung des Fernstraßenbundesamtes in Leipzig, der Infrastrukturgesellschaft in Berlin und der Nationalen Plattform "Zukunft der Mobilität" liegen in Scheuers Amtszeit. Allein mit dem Gründen neuer Institutionen sind die Probleme aber nicht gelöst.
In Rahmen der Plattform "Zukunft der Mobilität" wurden etwa Wege zur Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehrssektor bis 2030 erarbeitet. Erst kürzlich legte Scheuer ein Gesetzesvorhaben vor, mittels dem er Elektromobilität mit mehr Ladestationen zum Durchbruch verhelfen will.
Auf sein Konto gehen auch die Verlängerung des Umweltbonus für Elektroautos, zudem setzte er das "Sofortprogramm Saubere Luft" fort - ein Paket, welches Maßnahmen für die Elektrifizierung des urbanen Verkehrs, Errichtung von Ladeinfrastruktur und Digitalisierung von Verkehrssystemen zum Gegenstand hat.
Mangelnder Enthusiasmus bei sauberer Mobilität
"Ich habe nicht den Eindruck, dass Scheuer in Sachen sauberer Mobilität viele eigene Ideen und Enthusiasmus mitbringt", so Externest. Eher käme es ihm so vor, als springe Scheuer auf Züge aus dem Ausland auf, so etwa beim E-Scooter. "Nachdem es die Vermietstationen im Ausland gab, hat Scheuer nachgezogen und die E-Scooter auch in Deutschland zugelassen", sagt der Experte.
"Nur wenige werden von Auto auf E-Scooter umsteigen. Man hat eher mehr Enge durch ein zusätzliches Verkehrsmittel geschaffen", urteilt Externest. Ob Elektro die Antriebsart der Zukunft sei, bezweifelt er außerdem. "Angesichts der Reichweiten könnte ich mir auch vorstellen, dass es sinnvoller wäre, auf Wasserstoff zu setzen."
Quellen:
- Tagesschau.de
- Merkur.de
- Diesel-Skandal
- Handelsblatt.com
- Verkehrspolitischer Sprecher der Grünen - Stephan Kühn
- Plattform Zukunft der Mobilität
- ADAC
- Die Zeit
- BMVI
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