Wie geht es weiter nach dem Ende der Sondierungsgespräche? Läuft es auf Neuwahlen hinaus? Gibt sich die SPD doch noch einen Ruck? Oder kommt eine schwarz-grüne Minderheitsregierung? Angela Merkel und die grünen Verhandlungsführer, das haben die vergangenen Wochen gezeigt, können gut miteinander. Würde das für ein Regierungsbündnis ausreichen?

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Solange der Bundespräsident Gespräche mit den Parteien führt, solange der Versuch einer Kanzlerwahl nicht in drei Wahlgängen gescheitert ist – so lange ist alles offen.

Erst danach muss die Entscheidung fallen: Kommt die SPD mit ins Boot, gibt es Neuwahlen – oder versucht Angela Merkel es mit einer Minderheitsregierung aus Union und Grünen?

"Angela Merkel ist nicht glaubwürdig für ökologische Belange"

Einer, der eine schwarz-grüne Zusammenarbeit für nahezu unvorstellbar hält, ist der Politik-Wissenschaftler Prof. Peter Grottian von der Universität Berlin. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören auch "neue soziale Bewegungen".

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Zwar seien die Grünen "keine neue Bewegung mehr", doch hätten sie "eine Menge in die traditionellen Parteien eingebracht – vom Atomausstieg bis zur gesunden Ernährung".

Angela Merkel sei offen für solche Positionen, vertrete sie aber nicht glaubwürdig: "Sie rät zu Veränderungen, tut aber politisch nichts dafür. Sie ist keine glaubwürdige Bundeskanzlerin für ökologische Belange."

Noch schwieriger aber würde es für die Grünen mit der CSU: "Ich glaube, dass die Partei sehr viel Breitfeuer schießen wird gegen ökologische Vorstellungen. Bei der CSU sitzen nach wie vor die Grünen-Hasser, die Ökologie-Hasser", meint Grottian.

Auch in den abgebrochenen Sondierungsverhandlungen sei nicht klar geworden, "dass die Grünen da etwas Substanzielles durchsetzen können." Deshalb gebe es in der Partei Widerstand: Der Berliner Abgeordnete Hans-Christian Ströbele etwa, aber auch viele weitere Grünen-Vertreter seien "gegen eine Koalition, weil sie unter diesen Bedingungen eigentlich keinen Blumentopf gewinnen können. Selbst wenn sie das Umweltministerium und das Landwirtschaftsministerium kriegen".

"Die Grünen sind bürgerlich geworden"

Der Münchner Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld sieht das anders: "Die Grünen sind nicht mehr die Partei von 1982. Sie sind bürgerlich geworden! Die würden mitmachen", glaubt er.

Der Widerstand aus der CSU gegen die Grünen werde überschätzt. Derzeit habe die Partei andere Probleme: "Seehofers Partei ist mit einem komplizierten internen Kampf beschäftigt – bei denen geht es im Moment viel mehr um die eigene Machtarchitektur als um externe Bündnisse."

Für entscheidend hält Weidenfeld, dass Angela Merkel die Grünen schätzt: "Die würde das sofort machen, wenn das Wahlergebnis danach wäre", ist er sicher.

Großer Vorteil für die Union aus seiner Sicht: "Ein schwarz-grünes Bündnis hätte den Zauber eines Neubeginns. Die Jamaika-Sondierungen hatten absolut nichts Perspektivisches, von denen ging überhaupt keine Vision aus."

Die Grünen aber hätten eine solche Vision zu bieten: "Die Partei hat eine Aufbruchsthematik: Eine neue Energiepolitik, um die Welt zu bewahren." Das wäre, meint Weidenfeld, "eine perfekte Ergänzung für die Kanzlerin."

"Eine Mehrheit gibt’s dafür nicht"

Allerdings räumt Weidenfeld Schwarz-Grün keine realistischen Chancen ein: "Eine Mehrheit gibt’s dafür nicht." Deshalb werde Angela Merkel nicht für diese Option kämpfen. Sie werde weiterhin sehr zurückhaltend und moderierend agieren.

Wegen dieses Verhaltens wird der Kanzlerin vielfach mangelnde Initiative vorgeworfen – Weidenfeld sieht darin eher "ein Zeichen von Stärke im Krisenmanagement: Merkel hat sich wegen ihrer klugen Zurückhaltung bisher nicht verschlissen, sie lässt die anderen ihre Inszenierungen machen und erst wenn's ernst wird sagt sie ein paar Sätze".

Angela Merkel kann sich in Ruhe umsehen

Aus dieser sicheren Position heraus werde die Kanzlerin auch weiterhin erfolgreich agieren können. Sie sitze fest im Sattel, habe ihre Kontrahenten ausgeschaltet. "Es gibt keine Alternative zu Angela Merkel, es ist kein Nachfolger in Sicht."

So könne sie sich in Ruhe nach weiteren Optionen umsehen. Eine davon könnte auch die Neuauflage der Großen Koalition sein: "Das Tischtuch zwischen Union und SPD wird nicht zerschnitten bleiben", meint Weidenfeld.

Vor allem nicht in der nun beginnenden neuen Phase: "Jetzt geht es darum, eine wirkliche Systemkrise zu verhindern. Es handelt nicht mehr nur um Prozentzahlen. Die SPD hat sich völlig zu recht zum Regenerieren in die Opposition zurückgezogen – aber dabei kann es nun nicht mehr bleiben."

Vor allem, wenn der Bundespräsident verstärkt Anstrengungen mit dem Ziel einer raschen Regierungsbildung fordert, wird der Druck auf Martin Schulz weiter wachsen.

Gut möglich auch, dass bei den Sozialdemokraten diejenigen die Oberhand gewinnen, die bei Neuwahlen einen weiteren Verlust an Wählerstimmen befürchten.

"Neuwahlen sind für alle riskant", sagt der Berliner Peter Grottian und tippt daher auf neue Verhandlungen mit den Liberalen. "Meine Prognose ist: Es wird eine CDU/FDP-Minderheitsregierung geben."

Werner Weidenfeld in München möchte keine Prognose wagen. Schwarz-Grün jedenfalls hält er nicht für wahrscheinlich: "Diese Spekulation hört sich schön an, ist aber von der Realität weit weg."

Die Grünen, Jamaika, Union, SPD, CDU, Angela merkel

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