Am Sonntag läuft das Ultimatum aus, dass der Iran den Europäern, China und Russland zur Umsetzung des Atomabkommens gesetzt hat. Präsentieren die nach dem Ausstieg der USA verbliebenen Partner keiner Lösung, will Teheran die Urananreicherung hochfahren. Macht das Land seine Drohungen wahr, wäre der Schritt bis zum waffenfähigen Uran nur noch klein.

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Fast auf den Tag genau vor vier Jahren feierte die internationale Gemeinschaft das Atomabkommen mit dem Iran als diplomatischen Triumph. Nach dem Ausscheiden der USA unter Präsident Donald Trump aus der Vereinbarung 2018 ist kaum mehr etwas von den damaligen Hoffnungen geblieben.

Die Europäer - Deutschland, Großbritannien und Frankreich - versuchen zwar vieles, um das Abkommen zu retten, können dem Iran die versprochenen wirtschaftlichen Vorteile aber nicht mehr bieten.

Der Iran hat inzwischen seinerseits eine Bestimmung der Vereinbarung verletzt, indem er mehr als 300 Kilogramm Uran lagert. Jetzt droht Teheran am Sonntag sogar mit dem Beginn einer Urananreicherung über die erlaubten 3,67 Prozent hinaus. Das Schicksal des Deals, der die Islamische Republik am Bau einer Atombombe hindern und die Annäherung an den Westen fördern sollte, hängt am seidenen Faden. Fragen und Antworten.

Wie ist die Position des Irans?

Teheran sagt, der Iran bewege sich weiter auf dem Boden der Vereinbarung. Die sehe vor, dass sich die andere Seite im Falle von Verletzungen der Auflagen ebenfalls teilweise aus dem Deal zurückziehen darf. Die Logik des Irans: Die USA haben sich aus dem Abkommen zurückgezogen und Sanktionen verhängt, jetzt dürfen wir mit einem Teil-Ausstieg antworten. Dieses Prinzip "less-for-less" ("weniger für weniger") lehnen die Europäer ab.

Wie werden die Europäer auf einen Bruch des Abkommens bei der Urananreicherung reagieren?

Sie können dann zunächst einen im Abkommen festgelegten Mechanismus zur Streitschlichtung auslösen. Dann würden zunächst Experten 15 Tage lang versuchen, den Konflikt zu lösen. Scheitern sie, haben die Minister weitere 15 Tage Zeit, zu einer Lösung zu kommen.

Gibt es auch dann kein Ergebnis, ist der UN-Sicherheitsrat an der Reihe. Kann auch er den Streit zwischen den Vertragspartnern nicht schlichten, treten die Sanktionen der Vereinten Nationen automatisch wieder in Kraft. Damit wäre das Abkommen faktisch tot.

Was haben die Europäer getan, um das Abkommen zu retten?

Der große Köder, den Iran zur radikalen Einschränkung seines Atomprogramms zu veranlassen, war die Aussicht auf eine Ankurbelung der Wirtschaft durch das Beenden von Sanktionen. Die Islamische Republik unter dem reformorientierten Präsidenten Hassan Ruhani wollte die Lebensbedingungen der 80 Millionen Perser erleichtern.

Tatsächlich betrug das Wirtschaftswachstum 2016 rund zwölf Prozent. Nach dem Ausstieg der USA und den neuen US-Sanktionen haben viele Firmen aber Angst, mit dem Iran Geschäfte zu machen. Deutschland, Großbritannien und Frankreich haben versucht, mit der Gründung einer Gesellschaft zur Absicherung des Zahlungsverkehrs (Instex) gegenzusteuern. Bisher blieb dieses Instrument aber wirkungslos.

Wie gefährlich wäre der neue Eskalationsschritt des Irans?

Sehr gefährlich. Sollte der Iran tatsächlich die Anreicherung des Urans wie angedroht und von ihm technisch beherrscht auf bis zu 20 Prozent hochfahren, ist der Schritt bis zum waffenfähigen Uran nur noch klein. "Wer auf 20 Prozent angereichert hat, hat 90 Prozent der Arbeitsschritte bis zum waffenfähigen Uran hinter sich", sagt der Experte für Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Oliver Meier.

Der Bruch des Abkommens in dieser heiklen Frage würde es den verbliebenen Partnern schwer machen, eine Antwort zu finden, die den Deal noch rettet. Im Raum stünden als Reaktion neue Sanktionen - was den Sinn des Ganzen weiter untergraben würde.

Kann der Iran eine Atombombe bauen?

Der Iran hatte laut der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) ein geheimes Forschungsprogramm zur Entwicklung eigener Atomwaffen, das spätestens 2009 eingestellt wurde. Kurz vor dem Bau einer Nuklearwaffe stand die Islamische Republik nie.

Durch das Abkommen musste Teheran unter anderem Tausende von Zentrifugen abbauen und seine Uranvorräte drastisch kürzen. Die internationale Gemeinschaft wollte sicherstellen, dass der Iran in jedem Fall mindestens ein Jahr brauchen würde, um genug Spaltmaterial für den Bau einer Atomwaffe zu produzieren. Das gilt auch aktuell. Teheran betont stets, nie eine Atomwaffe angestrebt zu haben. Auch jetzt nicht.

Was sind die Motive für ein Festhalten am Abkommen?

Die Atomvereinbarung, an der auch China und Russland noch festhalten, befasst sich nur mit dem Nuklearprogramm. Die politischen Ziele des Abkommens gingen aber deutlich über die Frage einer Atombombe hinaus.

Den USA unter dem damaligen Präsidenten Barack Obama und den anderen Partnern ging es darum, die Region zu stabilisieren, ein etwaiges Wettrüsten der verfeindeten Nachbarn zu verhindern, die Islamische Republik durch Wirtschaftskooperation wieder näher an den Westen zu rücken. Ein Scheitern des Abkommens hinterließe einen politischen Scherbenhaufen mit unkalkulierbaren Folgen. (dpa/mcf)

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