Mitten im Wahlkampf in Brandenburg löst der CDU-Landesinnenminister mit einem harten Kurs in der Migrationspolitik Streit aus. Er plädiert dafür, das Recht auf Asyl im Grundgesetz zu streichen.
Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) spricht sich wenige Tage vor der Landtagswahl dafür aus, das Recht auf Asyl abzuschaffen und löst damit eine Kontroverse aus.
"Das individuelle Recht auf Asyl ist im Grundgesetz nicht mehr nötig, weil wir nach den Regeln der Genfer Flüchtlingskonvention ohnehin Menschen, die verfolgt werden, Schutz gewähren", sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK) dem "Handelsblatt". "Deshalb befürworte ich, im Grundgesetz die Genfer Flüchtlingskonvention als Institutsgarantie zu verankern."
Grüne und Linke reagieren empört auf den Vorstoß Stübgens kurz vor der Landtagswahl am Sonntag, die auch im Zeichen eines möglichen AfD-Siegs steht. Im Grundgesetz-Artikel 16a heißt es: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht."
Stübgen für Einführung von Aufnahmekontingenten
Der CDU-Innenpolitiker sagte der Zeitung, ohne das Asylrecht wäre es möglich, Flüchtlingskontingente einzuführen. "Wir entscheiden dann, wer in unser Land kommt. Und wir können festlegen, in welchem Ausmaß wir Migranten aufnehmen und integrieren können."
Aus der Union waren bereits ähnliche Vorschläge laut geworden. Die Chancen auf eine Grundgesetzänderung schätzt Stübgen aber anscheinend nicht als hoch ein: "Deshalb konzentrieren wir uns jetzt auf das Machbare."
Kritik der AfD-Nähe
Grünen-Chefin
Dadurch erreiche man keine Ordnung in der Migrationspolitik, sondern nur Chaos und menschliches Leid. Die Linke warf Stübgen vor, AfD-Forderungen zu verbreiten. "Das Asylrecht abzuschaffen – das kennt man sonst von braun-blauen Wahlplakaten", sagte Linke-Vorsitzende Janine Wissler der Deutschen Presse-Agentur.
Die brandenburgischen Grünen, die seit 2019 mit SPD und CDU in dem Bundesland regieren, riefen Ministerpräsident
Ministerpräsident Woidke betonte, dass er dringenden Handlungsbedarf in der Migrationspolitik in Deutschland sehe. "Wir haben in den letzten zehn Jahren im Bereich der Migration zugelassen, dass viele Regeln europaweit außer Kraft gesetzt worden sind. Viele Menschen haben die Sorge, dass der Staat keine Kontrolle mehr über die Migration hat.
Der Druck ist größer geworden, weil auch viele Staaten in Europa ihre Migrations- und Asylpolitik deutlich verändert haben", sagte der SPD-Politiker der "Welt". Die Bevölkerung erwarte eine Begrenzung der irregulären Migration. Zum Vorstoß Stübgens äußerte sich Woidke bislang nicht.
FDP-Bundesvize zeigt sich aufgeschlossen für Vorschlag
FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki zeigt sich offen für die Forderung des CDU-Innenministers. "Ich halte diesen Vorschlag jedenfalls nicht von vornherein für falsch oder indiskutabel. Wir haben immer gesagt, dass wir über sachdienliche Vorschläge, die nur mit einer Verfassungsänderung umsetzbar sind, diskutieren werden", sagte er dem "Handelsblatt".
Stübgen: Erstmal nationale Notlage feststellen
Minister Stübgen forderte, eine nationale Notlage auszurufen, damit Schutzsuchende an den Grenzen zurückgewiesen werden könnten. Er sei überzeugt, dass dies rechtlich möglich ist, auch wenn die Zahlen der Neuankömmlinge derzeit rückläufig seien, sagte er der Zeitung. "Die Belastungen sind nicht mehr zu stemmen." Damit die Zurückweisungen erfolgreich sind, müssten Verhandlungen mit den Nachbarländern geführt werden.
"Ich würde empfehlen, dass Außenministerin (Annalena) Baerbock etwas weniger nach Israel fliegt und etwas mehr mit unseren Nachbarländern darüber redet, wie damit umgegangen wird, wenn wir eine Notlage erklären", sagte er mit Blick auf die Grünen-Politikerin. Aus Polen und Österreich war bereits scharfe Kritik an möglichen Zurückweisungen von Asylbewerbern an deren Grenzen zu Deutschland geübt worden, die die Union seit längerem fordert.
Stübgen für diplomatische Beziehungen zu Syrien
Bisher war die Praxis, dass bei Asylbewerbern an den Grenzen festgestellt wird, ob sie bereits in einem anderen EU-Land einen entsprechenden Antrag gestellt haben oder hätten stellen können. Nach dem sogenannten Dublin-Verfahren könnten sie dann mit Einverständnis dieses Landes dorthin zurückgeführt werden. Allerdings wird diese notwendige Zustimmung häufig nicht erteilt, und die Schutzsuchenden bleiben in Deutschland.
Mit Blick auf diplomatische Beziehungen zu Syrien forderte Stübgen einen Neustart. "Wenn Frau Baerbock der Meinung ist, dass wir nur noch Botschaften in blühenden Rechtsstaaten betreiben sollen, dann können wir 80 Prozent aller Botschaften schließen." (dpa/ bearbeitet von lla)
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