Die Bauern bringen ihren Protest flächendeckend auf die Straße. Den nächsten Schritt zu weniger Agrardiesel-Subventionen können sie aber nicht verhindern.
Lange Konvois von Traktoren und Lastwagen ziehen sich durch zahlreiche Städte, zig Autobahnauffahrten sind bundesweit zeitweise blockiert: Die Aktionswoche der Bauern gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung hat am Montag in Deutschland für Aufsehen gesorgt. Gemessen an den Teilnehmerzahlen fanden vor allem in Großstädten größere Demonstrationen statt. Hunderte Traktoren und andere Zugmaschinen sorgten aufgrund ihrer Größe für beeindruckende Bilder, viel Aufmerksamkeit - und etliche Verkehrsbehinderungen.
Am Brandenburger Tor in Berlin wurden fast 700 Fahrzeuge gezählt, in Erfurt sprach die Polizei von mehr als 2000 Traktoren und anderen Zugmaschinen. Im VW-Werk Emden wurde die Produktion gestoppt, weil die Beschäftigten nicht zur Arbeit kommen konnten. In einigen Städten erhielten die Bauern Unterstützung - etwa von Lastwagenfahrern und Handwerkern. Nach Angaben des Innenministeriums in Stuttgart nahmen in Baden-Württemberg etwa 25.000 Fahrzeuge an 270 Aktionen teil.
Zu Unterstützern gehörten mancherorts auch Personen aus dem extremen Spektrum, die in der Vergangenheit beispielsweise auch bei Demos gegen Corona-Maßnahmen oder sogenannten Montagsspaziergängen aufgefallen waren. Bundeswirtschaftsminister
"Es kursieren Aufrufe mit Umsturzfantasien. Extremistische Gruppen formieren sich, völkisch nationalistische Symbole werden offen gezeigt. Es wird sichtbar, dass in den letzten Jahren etwas ins Rutschen geraten ist, was den legitimen demokratischen Protest und die freie Meinungsäußerung entgrenzt", sagte der Grünen-Politiker in einem auf sozialen Medien verbreiteten Video. Darin forderte er auch eine Debatte über einen Wandel der Landwirtschaft. Die rechtsextreme Partei "Freie Sachsen" legte eine Demonstration in Dresden auf denselben Tag. Mehrere tausend Menschen nahmen nach Polizeiangaben daran teil. Auf Bannern wurden das Ende der Regierung sowie eine Neuwahl gefordert. Bauernverbände gingen vorab auf Distanz zu solchen Aktionen aus dem rechten Spektrum. Aktionswoche läuft noch bis 15. Januar
Die Proteste sollen in den kommenden Tagen fortgesetzt werden, wenn auch nicht in dem Ausmaß von Montag. Der Bauernverband hat zu einer Aktionswoche aufgerufen, die am kommenden Montag in einer großen Demonstration in Berlin gipfeln soll. Dafür wurden 10 000 Teilnehmer angemeldet, die aller Voraussicht nach auch mit Tausenden Traktoren in die Hauptstadt kommen werden.
Die Proteste richten sich gegen die Pläne der Ampel-Regierung, die Steuervergünstigung für Agrardiesel auslaufen zu lassen. Die Subvention soll schrittweise wegfallen und ab 2026 gar nicht mehr gezahlt werden. Die Bundesregierung brachte diese Pläne am Montag auf den Weg. Sie ging dabei aber bereits auf die Landwirte zu. Ursprünglich sollte das Ende der Agrardiesel-Subvention in einem Schritt kommen. Auch die Idee, die Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Maschinen zu kippen, ist vom Tisch.
Bauernverband sieht Zukunftsfähigkeit der Betriebe in Gefahr
Nach Ansicht des Bauernverbands nehmen die Kürzungen beim Agrardiesel der Landwirtschaft die Zukunftsfähigkeit. Die Zugeständnisse genügten nicht. "Das heißt ja am Ende Sterben auf Raten", sagte der Präsident Joachim Rukwied am Montag bei der Klausurtagung der CSU-Bundestagsabgeordneten im Kloster Seeon. "Das ist inakzeptabel. Das muss zurückgenommen werden." Die von der Ampel geplanten Subventionskürzungen seien eine Steuererhöhung von einer Milliarde Euro.
Ein Wegfall der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel bedeutet laut Bundesregierung im Schnitt Mehrkosten von etwa 3000 Euro im Jahr pro Betrieb. Die generelle Ertragslage der Landwirtschaft hatte sich nach Branchenangaben zuletzt weiter verbessert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) machte am Montag klar: "Die Bundesregierung steht dazu." Die Subventionen seien schon seit vielen Jahren kritisiert worden.
Im Ende Juni abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2022/23 stieg der durchschnittliche Gewinn der Betriebe auf das Rekordniveau von 115 400 Euro - ein Plus von 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Davon sind aber unter anderem noch Investitionen zu bezahlen. Angesichts sinkender Preise etwa bei Getreide und Milch hatte der Bauernverband sich bereits vor Bekanntwerden der Ampel-Pläne pessimistisch zu den weiteren Geschäftsaussichten geäußert.
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Angestauter Frust bei Landwirten
Zusätzliche Auflagen für die Produktion und eine ungewisse Finanzierung für einen Umbau der Tierhaltung sorgen seit Jahren für Frust unter Landwirten. Um für mehr Wertschätzung zu demonstrieren, hatte es auch Ende 2019 bundesweit Bauernproteste gegeben.
Unterstützung erhielten die Landwirte am Montag von mehreren Ministerpräsidenten. Niedersachsens Landeschef Stephan Weil (SPD) forderte die Bundesregierung auf, die Kürzungen zurückzunehmen. Die zusätzlichen Belastungen beim Diesel seien "keine Peanuts", sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). "Es ist eine Menge Geld, das da in Rede steht, und deswegen kann ich das nachvollziehen, dass dort protestiert wird." Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) warf der Ampel-Koalition mangelnde Bereitschaft zum Dialog vor.
Auch Lkw-Fahrer unzufrieden
Nach Angaben des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) waren bei den Protesten einige Tausend Lkw-Fahrer dabei. Der BGL schätzt die Zusatzkosten durch den CO2-Aufschlag auf die Lkw-Maut zum 1. Dezember 2023 auf etwa 3,75 Milliarden Euro im laufenden Jahr. Hinzu kämen geschätzt 1,44 Milliarden Euro durch die Erhöhung der CO2-Abgabe zum Jahreswechsel von 30 auf 45 Euro je Tonne Kohlendioxid, die sich beim Tanken bemerkbar macht.
Ab Mittwoch Streik im Bahn-Personenverkehr
Ab Mittwoch kommt es für viele Pendler unter Umständen ganz dick: Dann will die Lokführergewerkschaft GDL unter anderem bei der Deutschen Bahn streiken. Der Ausstand soll von Mittwoch, 2.00 Uhr, bis Freitag, 18.00 Uhr, dauern. Er wird damit vielerorts mit Protestaktionen der Landwirte zusammenfallen. Die Bahn hat einen Eilantrag beim Arbeitsgericht in Frankfurt eingereicht, um den Streik noch kurzfristig abzuwenden.(dpa/jst)
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