Berlin/Erfurt (dpa) - Sollte sich die AfD weiter radikalisieren, hält der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Georg Maier, ein Verbot der Partei für möglich.
Thüringens wegen rechtsextremer Positionen umstrittener AfD-Landeschef
"Die gesamte Partei entwickelt sich in eine rechtsextremistische Richtung", sagte Thüringens Innenminister Maier dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag). Er fügte hinzu, auch ein Verbotsverfahren sei nicht mehr auszuschließen.
Über AfD-Abgeordnete waren am Mittwoch bei der Abstimmung über das Infektionsschutzgesetz Besucher ins Reichstagsgebäude gelangt, die dort anschließend Gesetzesbefürworter unter den Politikern belästigten, filmten und teils beleidigten. Besucher drangen auch in Abgeordnetenbüros ein. Rund um das Regierungsviertel hatten Tausende Menschen gegen das Gesetz demonstriert. Am Freitag stellten sich dann die anderen Fraktionen in einer Aktuellen Stunde geschlossen gegen die AfD und brandmarkten ihre Politiker als "Demokratiefeinde".
Georg Maier sagte dem RND mit Blick auf die Störungen im Bundestag: "Es wird immer offensichtlicher, wie sehr die AfD als parlamentarischer Arm der Rechtsextremisten fungiert und versucht, die parlamentarische Demokratie von innen auszuhöhlen." Aufgabe des Verfassungsschutzes sei es, gerichtsfestes Material zu sammeln, um geeignete Mittel für den Umgang mit der AfD zu finden. "Ein Verbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht ist dabei das allerletzte Mittel. Aber auch das ist nicht mehr auszuschließen, wenn die Partei sich weiter radikalisiert." Es bleibe aber vor allem eine politische und gesellschaftliche Aufgabe, mit dieser antidemokratischen Kraft umzugehen und sie zurückzudrängen.
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte dem RND, die Verfassungsschutzbehörden sollten alsbald ihre Informationen zusammentragen und insbesondere prüfen, "ob die gesamte Partei als festgestellte Bestrebung bewertet und damit künftig auch mit
nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden kann". Dazu zählt beispielsweise das Anwerben von Informanten, sogenannten V-Leuten. Reul ergänzte: "Ein Verbot wäre dann immer das allerletzte Mittel."
Die FDP hält nicht von einem Verbot. Ihr Generalsekretär Volker Wissing schrieb auf Twitter: "Es trägt zur Demaskierung der Rechten bei, wenn die Bürgerinnen und Bürgern deren moralisch-politisches Totalversagen miterleben, wie zuletzt im Deutschen Bundestag." Seine Partei setze im Umgang mit der AfD auf politische Konfrontation.
"Der Vorstoß des SPD-Ministers Maier ist der verzweifelte Versuch, die letzte wahre Oppositionspartei zu diskreditieren", sagte der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla der Deutschen Presse-Agentur. Maier wolle damit wohl "von den wirklichen Sorgen und Nöten der Bürger" und der Einschränkung von Grundrechten in der Corona-Pandemie ablenken.
Höcke nannte die Äußerung Maiers "dämlich". Er sagte beim Landesparteitag in Pfiffelbach: "Anscheinend ist dieser Mann nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte."
Für den Bundesvorstand der Partei hat Höcke bisher nicht kandidiert, auch wenn er mehrfach erklärt hat, er behalte sich dies vor. Angesichts der Tatsache, dass der Verfassungsschutz die von Höcke begründete Strömung in der Partei inzwischen als rechtsextrem einstuft, sind manche in der AfD ganz froh, wenn er in Thüringen bleibt. Denn sollte Höcke in der Zukunft eine herausgehobene Rolle an der Spitze der Partei einnehmen, könnte dadurch für die AfD das Risiko steigen, als Gesamtpartei in den Blick des Verfassungsschutzes zu geraten.
Höcke schließt eine Kandidatur für den Bundestag weiterhin nicht aus. "Ich wäre kein Politiker, wenn ich mir das nicht offenhalten würde. Ich sehe aber keine Notwendigkeit, derzeit nach Berlin zu gehen", sagte Höcke am Rande des Parteitags der dpa.
Auf einem Landesparteitag in Idar-Oberstein sagte der rheinland-pfälzische AfD-Vorsitzende Michael Frisch, aus der Corona-Krise sei eine "ernste Krise unserer Demokratie und unseres Rechtsstaats" geworden. Die Verantwortlichen hätten mit ihren rigiden Verboten die Verhältnismäßigkeit aus dem Blick verloren. Diese Politik habe gravierende und langfristige Nachteile für Wirtschaft und Bürger zur Folge, sagte Frisch vor rund 330 Parteimitgliedern.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte der "Passauer Neuen Presse" (Samstag): "Die Biedermänner in der AfD haben den Brandstiftern längst das Feld überlassen". Sowohl der Missbrauch der Geschichte, die Verächtlichmachung des Parlaments und der politischen Institutionen, die Geschichtsfälschung und -vergessenheit sowie der Vergleich des Infektionsschutzgesetzes mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933 zeigten, "dass die AfD mit der Fackel durchs Heu gehen will, um Emotionen zu entzünden und Aggressionen zu schüren". Dobrindt sagte: "Damit ist die AfD auf dem direkten Weg, zur neuen NPD zu werden."
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