Kinder sind keine kleinen Erwachsenen – sie haben besondere Bedürfnisse. Um denen gerecht zu werden, gibt es Kinderrechte. Seit Verabschiedung einer entsprechenden UN-Konvention hat sich viel getan. Doch Deutschland hinkt in vielen Punkten noch immer hinterher.

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In diesem Herbst jährt sich nicht nur der Mauerfall zum 25. Mal, auch ein anderes 25-jähriges Jubiläum steht an: Am 20. November 1989 verabschiedeten die Vereinten Nationen (UN) die internationale Kinderrechtskonvention. Bis auf Somalia, Südsudan und die USA haben sie inzwischen alle Länder der Welt ratifiziert. In Deutschland trat sie 1992 in Kraft.

"Die Konvention war ein Meilenstein", sagt Jörg Maywald, Professor für Internationale Kinderrechte an der Fachhochschule Potsdam. Die UN-Konvention legt unter anderem das Recht auf Bildung, Gleichheit und angemessene Lebensbedingungen fest. In Deutschland hat sich die Gesetzgebung in den folgenden Jahren stark von ihr beeinflussen lassen. So gibt es seit dem Jahr 2000 ein Recht auf gewaltfreie Erziehung.

Kinderrechte in Deutschland nicht ausreichend rechtlich verankert

Trotz einiger Fortschritte und obwohl es Kindern in Deutschland im Vergleich zu vielen ärmeren Ländern verhältnismäßig gut geht, sehen Experten wie Maywald hierzulande noch immer großen Nachholbedarf. Auch das UN-Kinderhilfswerk Unicef bemängelt immer wieder, dass die Kinderrechte in Deutschland noch nicht vollständig umgesetzt seien.

Zum einen sind die Kinderrechte laut Maywald noch nicht ausreichend rechtlich verankert. Seit Jahren tobt ein Streit darum, ob sie in das Grundgesetz aufgenommen werden sollen. Bislang werden dort Kinder zwar erwähnt, aber nur als Objekte. Experten wie Maywald fordern, das zu ändern: "Kinder sind keine kleine Erwachsenen. Sie haben besondere Bedürfnisse, zum Beispiel in punkto Bildung und Schutz."

Einem Säugling nutze es wenig, wenn die allgemeine Meinungsfreiheit für ihn gelte, er sich aber nicht entsprechend äußern könne. Hier legt die UN-Kinderrechtskonvention zum Beispiel fest, dass der Wille eines Kindes angemessen berücksichtigt werden muss, auch wenn er nur über die Körpersprache ausgedrückt wird.

Auch in anderen rechtlichen Bereichen klaffen noch Lücken. So haben Flüchtlingskinder nicht die gleichen Rechte wie deutsche Kinder, zum Beispiel wenn es um den Anspruch auf therapeutische Hilfe geht – ein Verstoß gegen die UN-Konvention. Und auch Pflegekinder könnten laut Maywald zu leicht von ihren leiblichen Eltern aus Pflegefamilien zurückgeholt werden, obwohl sie dort seit Jahren verwurzelt sind.

Ungleiche Chancenverteilung für Kinder in Deutschland

Der zweite große Bereich, bei dem es noch hapert, ist die Umsetzung festgelegter Kinderrechte. So gibt es laut der UN-Konvention ein Recht auf angemessene Lebensbedingungen. "In Deutschland ist aber das Risiko, in Armut aufzuwachsen, für ein Kind deutlicher höher als für einen Erwachsenen", sagt Maywald. Zudem seien Nachhilfemöglichkeiten sehr ungleich verteilt oder das Besuchen von Musikschulen oder Sportvereinen zu oft vom Einkommen der Eltern abhängig. Seine Forderung: Der Staat sollte statt einer allgemeinen Familienförderung lieber in Dinge investieren, die den Kindern direkt zugute kommen.

Des Weiteren wissen viele Kinder gar nicht, welche Rechte ihnen zustehen, in Kitas und Schulen ist das kaum ein Thema. Das muss sich ändern, fordert Maywald: "Ein Kind, das weiß, dass es Rechte hat und ermutigt wird, seine Meinung zu sagen, ist allein dadurch schon besser geschützt." Überhaupt sollte die Mitsprache von Kindern und Jugendlichen verbessert werden, vor allem in den Schulen. "Kinder, die sich einbringen können, sind die besseren, neugierigeren Lerner", sagt Maywald.

Prof. Dr. Jörg Maywald, Jahrgang 1955, hat Soziologie, Psychologie und Pädagogik in Berlin, Amsterdam und Paris studiert. Er ist Professor für Internationale Kinderrechte an der Fachhochschule Potsdam und Geschäftsführer der Deutschen Liga für das Kind. Seit 2002 ist er zudem Sprecher der National Coalition Deutschland - Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention.
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