• Weitere geheime Dokumente sind bei Joe Biden gefunden worden.
  • Der US-Justizminister setzt einen Sonderermittler ein.
  • Diese Vorfälle könnten Auswirkungen auf die Wahlchancen der Demokraten haben.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Michael Freckmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

"Der Aktenfund ist peinlich, weil Biden letztes Jahr Trump scharf dafür kritisiert hat, Regierungsakten privat zu lagern", sagt Dominik Tolksdorf von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. "Und eines von Bidens Versprechen ist es, als Präsident verantwortlicher als Trump zu handeln." Dabei ist die Frage zentral, warum der Aktenfund erst jetzt bekannt wurde.

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Erst vor einigen Wochen wurde bekannt, dass schon im November und Dezember vergangenen Jahres Akten aus der Zeit von Joe Bidens Vizepräsidentschaft gefunden wurden. Die Dokumente stammen aus einer Zeit, als der heutige US-Präsident von 2009 bis 2017 Stellvertreter von Präsident Obama war. Nun sind noch einmal sechs Seiten aufgetaucht, erklärte der Rechtsberater des US-Präsidenten, Richard Sauber. Ursprünglich hatten Bidens Anwälte nur eine neue Seite in seinem Anwesen gefunden. Da die Anwälte aber keine Sicherheitsfreigabe hatten, ist der Rechtsberater hinzugezogen worden. Dieser stieß dann auf die weiteren Seiten.

Über den Inhalt ist bisher nichts bekannt. Einzelne Dokumente hatten sogar die höchste Geheimhaltungsstufe, wie die dpa meldet. Biden selbst erklärte, er sei überrascht gewesen, dass man bei ihm solche Dokumente gefunden habe. Die Regierung Biden hat nun selbst einen Sonderermittler eingesetzt, um die Vorfälle aufzuklären. Eigentlich müssen solche Dokumente in das US-Nationalarchiv überführt werden, sobald eine Person aus einem öffentlichen Amt ausscheidet.

Republikaner wollen Vorfälle im Kongress aufarbeiten

Tolksdorf weist darauf hin, dass, wenn der Fall vor den Zwischenwahlen bekannt geworden wäre, es den Republikanern in die Hände gespielt hätte. Der Experte erinnert an den "E-Mail-Skandal" um Hillary Clinton vor der Wahl 2016. Die ehemalige Außenministerin hatte in ihrer Amtszeit von privaten E-Mail-Konten aus agiert. Die Republikaner hatten diese Affäre während Clintons Wahlkampagne um die Präsidentschaft gegen sie ausgespielt.

Vor allem viele Republikaner sehen in den Aktenfunden bei Joe Biden ein gefundenes Fressen. Hilft es ihnen doch, den Fokus der Aufmerksamkeit weg von den bei Ex-Präsident Donald Trump gefundenen Akten zu lenken. Die Auseinandersetzungen über diese Vorgänge haben in Washington gerade erst begonnen. "Für die Republikaner ist die Einsetzung eines Sonderermittlers nicht ausreichend, sondern auch eine Untersuchung durch den Kongress notwendig," sagt Tolksdorf.

Dies könne dazu führen, dass der Fall nun über Monate hin in der Öffentlichkeit bleibe. Außerdem, so mutmaßt der Experte, würden die Republikaner versuchen, die Untersuchungen auf Bidens Sohn auszuweiten. Hunter Bidens Geschäftsbeziehungen in die Ukraine wollen die Republikaner schon länger einer öffentlichen Untersuchung unterziehen.

Bisher waren Geheimdokumente, die fälschlicherweise privat gelagert wurden, nur mit Trump in Verbindung gebracht worden. Erst im vergangenen Jahr hatte das FBI dessen Anwesen in Florida durchsucht. Manch ein Demokrat befürchtet nun, dass sich die Ereignisse rund um Biden gegen die Demokraten wenden und von den Skandalen rund um Donald Trump ablenken könnten. Doch Tolksdorf ist bei der Bewertung vorsichtiger: "Der große Unterschied ist, dass Trump sich dagegen gewehrt hat, Akten an das Nationalarchiv herauszugeben. Laut Biden handelt es sich um ein Versehen, und er betont, dass er bei der Aufarbeitung des Falls mit den Behörden zusammenarbeitet."

Dokumentenfunde heizen Diskussion um erneute Kandidatur Bidens an

Abzuwarten bleibt, wie diese Entwicklung weitergeht. "Solange Biden glaubhaft macht, dass die Akten nur versehentlich bei ihm gelagert waren, glaube ich nicht, dass der Fall für seine Präsidentschaft gefährlich wird. Der Fall heizt aber die Diskussion darüber an, ob Biden der richtige Kandidat der Demokraten für die Wahlen 2024 ist", sagt Tolksdorf. Auch vor dem Bekanntwerden der gefundenen Dokumente gab es in den USA und auch innerhalb der Demokraten Debatten darüber, ob Joe Biden aufgrund seines hohen Alters der Richtige für eine erneute Kandidatur wäre.

Umso mehr dürften jetzt vor allem die demokratischen Wahlkampfstrategen daran arbeiten, dass sich diese Ereignisse nicht auf den kommenden Wahlkampf auswirken. "Unter dem Fall leidet vor allem Bidens Glaubwürdigkeit", sagt Tolksdorf. "Ich glaube aber, dass es den meisten Wählerinnen und Wählern - und insbesondere den Wechselwählern - in knapp zwei Jahren vor allem wichtig sein wird, ob es unter einer demokratischen Administration einen Aufschwung gab."

Die Regierung Biden hat mehrere Gesetze zur Verringerung der Inflation, zum Ausbau der Infrastruktur und zur Verbesserung des Arbeitsmarkes erlassen. Wenn diese Gesetze ihre Wirkung entfalten sollten und die USA sich im Herbst 2024 in einer guten wirtschaftlichen Lage befinden sollte, würden die Wahlchancen für die Demokraten steigen, sagt Tolksdorf. "Dann wird dieser Skandal keine große Rolle mehr spielen." Doch der Experte fügt eine Bedingung hinzu: "Sollte er sich nicht noch weiter ausweiten."

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Dominik Tolksdorf, Research Fellow in der Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik mit dem Fachbereich USA/Transatlantische Beziehungen
  • tagesschau.de: Geheimdokumente in Bidens Haus: "Die Regierung war nicht transparent"
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