Verurteilung der israelischen Siedlungspolitik, Ausweisung russischer Diplomaten, Verbot von Ölbohrungen: In den letzten Wochen seiner Amtszeit lässt US-Präsident Barack Obama keine Gelegenheit ungenutzt, um seinem Nachfolger Donald Trump eins auszuwischen. Ob die Maßnahmen Bestand haben werden, ist ungewiss.

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Nach dem ersten Treffen zwischen US-Präsident Barack Obama und seinem frisch gewählten Nachfolger Donald Trump Mitte November gaben sich beide Politiker betont versöhnlich. Beide sprachen von einer "smooth transition", einem sanften Machtwechsel. Doch mit der guten Stimmung ist es mittlerweile vorbei. Obama hat in den vergangenen Wochen keine Gelegenheit ausgelassen, um Trump das Leben so schwer wie möglich zu machen.

Er verwies als Reaktion auf die mutmaßlichen russischen Hacker-Angriffe 35 Diplomaten bzw. Geheimdienst-Agenten Wladimir Putins des Landes. Er trug erstmals eine UN-Resolution mit, die die israelische Siedlungspolitik verurteilt. Außerdem ließ Obama gemeinsam mit Kanadas Premierminister Justin Trudeau Millionen Hektar in der Arktis und vor der nordamerikanischen Atlantik-Küste für Öl-Bohrungen sperren.

Obama versucht verzweifelt, sein politisches Erbe zu sichern. Nur: Wird ihm das auch gelingen? Welche seiner Last-Minute-Entscheidungen könnten Bestand haben. Welche wird Trump einkassieren?

So leicht, wie Trump die Umkehr von Obamas Politik immer darstellt, wird das in den Mühlen des politischen Prozesses vermutlich kaum umsetzbar sein. Ja, die Republikaner verfügen in den beiden Kammern des Kongresses, dem Senat und dem Repräsentantenhaus, über eine komfortable Mehrheit. Das Problem für Trump? Viele seiner eigenen Parteigenossen sehen seine Politik skeptisch.

Zum Beispiel seine russlandfreundliche Haltung. So stieß die harte Reaktion Obamas gegen die 35 russischen Staatsbürger parteiübergreifend und auch in der Bevölkerung auf Zustimmung. Trump kritisierte das Durchgreifen dagegen. Zudem hat er in Aussicht gestellt, die Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu lockern. Die einflussreichen US-Senatoren John McCain und Lindsey Graham haben deutlich gemacht, dass sie auf Distanz zu Wladimir Putin bleiben wollen. Sie könnten weitere Republikaner auf ihre Seite ziehen.

Die zweite jüngere außenpolitische Entscheidung Obamas mit noch unklaren Konsequenzen betrifft den engsten Verbündeten der USA im Nahen Osten. Washington legte gegen eine UN-Resolution, die die umstrittene Siedlungspolitik Israels verurteilte, erstmals kein Veto ein. Ein Bruch mit alten Traditionen: Die USA gelten als Schutzmacht des jüdischen Staates. Trump kündigte nach seiner Amtsübernahme bereits einen Politikwechsel an und sagte dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu seine volle Unterstützung zu. Allerdings ist die Resolution der Vereinten Nationen beschlossene Sache.

Was könnte Trump tun? Zum einen wäre es den USA als größter Geldgeber möglich, der Uno die finanziellen Mittel zu kürzen. Zum anderen könnte die neue Regierung Banken und Unternehmen, die Israel boykottieren, die Geschäftsgrundlage mit den USA entziehen. Die UN-Resolution fordert für den Fall, dass neue Siedlungen gebaut werden, Boykotte.

Obama setzt Trump unter Druck

Schließlich hat Obama auch in Sachen Umweltschutz vollendete Tatsachen geschaffen. Er ließ Gebiete vor Alaska und im Atlantik für Ölbohrungen sperren sowie zwei Areale in den Bundesstatten Nevada und Utah zu "Nationalen Naturschutzgebieten" erklären. Beide Entscheidungen beruhen auf Gesetzen, die bisher von allen US-Präsidenten unangefochten in Anspruch genommen wurden.

Unter Juristen ist umstritten, ob der künftige Präsident bzw. der Kongress die Maßnahmen zurücknehmen könnte. Nichts lieber würde Trump tun. Er hat angekündigt, die Regulierungen für die Erschließung neuer Ölfelder in den USA zu streichen, den Bau von Pipelines zu beschleunigen und das umstrittene Fracking zu fördern. Auch der Aufschwung des Braunkohleabbaus gehört zu seiner Agenda. Der 70-Jährige gilt als Skeptiker des Klimawandels.

Obama setzt nicht nur beim Thema Umweltschutz darauf, Druck auf seinen Nachfolger aufzubauen. Auch bei den Russland-Sanktionen vertritt der Noch-Präsident die populärere Sichtweise. Sein Kalkül besteht offenbar darin, dass Trump nicht alle seine Maßnahmen wird zurücknehmen können, ohne sich vollends unbeliebt zu machen. Zudem bestehen Absprachen mit internationalen Partnern. Beim Thema Umweltschutz mit Kanada oder beim Iran-Atomabkommen mit den vier UN-Vetomächten China, Russland, Frankreich, Großbritannien sowie Deutschland.

Expertin: Große Reformen dauern Jahre

Folglich wird es Trump nicht einfach haben, Obamas Politik in Windeseile umzukehren. Selbst die Aufhebung der Präsidialerlasse (engl. "Executive Orders"), die er im Gegensatz zu Gesetzen theoretisch an Tag eins nach der Machtübernahme vom Tisch wischen könnte, gestaltet sich schwierig. Obama hatte in den letzten Jahren seiner Amtszeit zentrale Entscheidungen per Erlass getroffen, darunter Bestimmungen zum Umweltschutz oder Teile der umstrittenen Gesundheitsreform.

Susan Dudley, eine frühere hochrangige Mitarbeiterin von Obamas Vorgänger George W. Bush, sagte dem Fernsehsender CNN, die Lücke zwischen dem theoretisch Möglichen und realistisch Umsetzbaren sei groß. "Es wäre nicht ratsam, die vorherigen Executive Orders mit einem Schwung zu beseitigen. Denn das hätte enorme Konsequenzen", so Dudley. "Es könnte große Reformen geben, besonders in der Zusammenarbeit mit dem Kongress, aber das wird Jahre dauern und nicht 100 Tage."

Trump wird einen langen Atem für die Umsetzung seiner politischen Ideen brauchen. Und Obama dürfte sich klammheimlich freuen, dass er seinem Nachfolger noch ein paar Steine in den Weg legen konnte.

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