- Wenn die Corona-Infektionszahlen wie erwartet stark steigen, könnten die zuverlässigen PCR-Testkapazitäten knapp werden.
- Ärzte-Funktionärin Susanne Johna befürchtet, dass die Laborkapazitäten an ihre Grenzen kommen.
- Das Bundesgesundheitsministerium sieht derzeit keinen Grund zur Besorgnis, will Engpässe aber nicht ausschließen – und sucht nach Alternativen.
Die Omikron-Welle scheint Deutschland zu erfassen: Das Land rüstet sich für höhere Infektionszahlen. Folgen haben könnte diese Welle nicht nur für weite Teile des öffentlichen Lebens, wenn sehr viele Arbeitskräfte sich krankmelden müssen. Auch die Infrastruktur für PCR-Tests könnte unter Druck geraten. Schon Anfang Dezember kamen Labore an Kapazitätsgrenzen. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Warum sind PCR-Tests so wichtig?
Das Bundesgesundheitsministerium bezeichnet PCR-Tests als "Goldstandard" unter den Corona-Tests. Sie sind die zuverlässigste Art, eine Coronavirus-Infektion nachzuweisen oder auszuschließen. Sie kommen bisher zum Einsatz, wenn Menschen Symptome zeigen, Kontakt zu einer infizierten Person hatten, einen positiven Schnelltest oder eine Warnung über die Corona-App bekommen haben.
Da PCR-Tests im Gegensatz zu Schnelltests aber nur in bestimmten Forschungseinrichtungen und Laboren ausgewertet werden können, sind sie aufwendiger. Wer derzeit einen PCR-Test macht, wartet in der Regel 24 bis 48 Stunden auf das Ergebnis.
Wie groß sind die Testkapazitäten in Deutschland?
Einer Übersicht des Robert-Koch-Instituts zufolge können in Deutschland derzeit im Schnitt 2,4 Millionen PCR-Tests pro Woche ausgewertet werden. In der vorletzten Woche des Jahres 2021 verzeichnete das RKI etwa 1,2 Millionen Tests, in der letzten Woche rund 947.000. In der Zeit zwischen den Jahren ließen sich aber wegen der Feiertage deutlich weniger Menschen testen.
Auf den ersten Blick wäre also noch Luft für etwa doppelt so viele Tests wie Ende 2021. Allerdings verzeichnete das RKI in der 47. Kalenderwoche 2021 – zum Höhepunkt der vierten Welle – schon einmal 1,95 Millionen durchgeführte PCR-Tests. Da war die Kapazitätsgrenze von 2,4 Millionen nicht mehr weit. Das RKI mahnte Anfang Dezember an, PCR-Tests nur noch sparsam einzusetzen.
Weil die Omikron-Variante als ansteckender gilt, erwarten Expertinnen und Experten, dass die Infektionszahlen deutlich steigen werden, sich vielleicht sogar vervielfachen. Zudem können auch Labore von Ausfällen an Arbeitskräften betroffen sein, wenn sich viele Menschen mit Corona infizieren.
Das Bundesgesundheitsministerium sieht derzeit bisher keinen Grund zur Beunruhigung. Deutschland habe eine "breite Infrastruktur der Labore", sagte ein Sprecher des Ministeriums am Freitag in der Bundespressekonferenz. "Wir sehen derzeit ausreichend Kapazitäten."
Wo liegen die Probleme?
Die Ärzte-Gewerkschaft Marburger Bund sieht die Sache anders. Es sei damit zu rechnen, dass PCR-Tests bald nicht mehr ausreichend zur Verfügung stehen, sagte die Vorsitzende Susanne Johna dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".
Problematisch wird es aus Johnas Sicht besonders, wenn die Labore so viele Tests zu bearbeiten haben, dass Ergebnisse lange auf sich warten lassen. In Krankenhäusern sollten idealerweise PCR-Tests verwendet werden, sagte Johna. "Aber wenn wir das Ergebnis erst nach vier Tagen haben, ist ein PCR-Test für den Klinikalltag nicht mehr sinnvoll."
Der Grünen-Politiker Janosch Dahmen forderte im ZDF, PCR-Tests bei Engpässen zunächst für den medizinischen Bereich zu reservieren.
Welche Vorbilder gibt es im Ausland?
Viel beachtet ist die Aktion "Alles gurgelt", die es nach Wien inzwischen auch in anderen Bundesländern Österreichs gibt. Dort können sich Menschen regelmäßig kostenlose PCR-Gurgeltests abholen, die Tests zu Hause selbst vornehmen und sie dann über Geschäfte oder Tankstellen einschicken und auswerten lassen. Bei Abgabe vor 9 Uhr erhält man das Ergebnis in Wien in der Regel innerhalb von 24 Stunden per Mail.
Wären diese Tests auch in Deutschland möglich?
Für flächendeckende regelmäßige PCR-Tests reichen die Laborkapazitäten hierzulande offenbar nicht aus. In Bayern hat das Gesundheitsministerium der Idee bereits eine Absage erteilt. Schon jetzt seien die Labore dort an der Belastungsgrenze und könnten noch mehr PCR-Tests nicht zeitgerecht auswerten, berichtete der Bayerische Rundfunk Anfang dieser Woche.
Auch das Bundesgesundheitsministerium sieht in Deutschland derzeit offenbar keine Kapazitäten, um flächendeckende PCR-Tests anzubieten. "Eine nennenswerte Steigerung kann nicht zuletzt aufgrund des auch in diesem Bereich zu erwartenden Personalmangels nicht erreicht werden", teilt das Ministerium auf Anfrage unserer Redaktion mit. Man prüfe derzeit Optionen.
Gibt es eine Alternative zu PCR-Tests?
Auch wenn es offiziell gerade keinen Grund zur Panik sieht: Das Bundesgesundheitsministerium räumt ein, dass Engpässe bei PCR-Tests in Zukunft möglich sind. "Bei sehr hohen Fallzahlen wird man gegebenenfalls dazu übergehen müssen, eine Diagnose rein symptom- beziehungsweise antigenschnelltest-basiert zu stellen, also auf eine PCR-Diagnostik bei bestimmten Personengruppen zu verzichten", teilt das Ministerium mit.
Ärzte-Funktionärin Susanne Johna hat vorgeschlagen, auf andere Tests auszuweichen. Das "Freitesten" aus Isolation oder Quarantäne könne in Zukunft zum Beispiel auch mit zwei Antigen-Tests passieren.
Das Bundesgesundheitsministerium bringt "laborbasierte Antigentests" ins Spiel. Im Gegensatz zu den üblichen Schnelltests werden diese in Laboren ausgewertet. Aus Sicht des Gesundheitsministeriums sind sie leistungsfähiger und genauer als die Schnelltests.
Welche neuen Regeln sollen für das "Freitesten" gelten?
Infizierte und Kontaktpersonen sollen sich künftig nach sieben Tagen aus Isolation oder Quarantäne freitesten können. Möglich ist das entweder durch einen PCR-Test - oder aber einen zertifizierten Antigen-Schnelltest. Darauf haben sich Bund und Länder am Freitag geeinigt. Damit soll auch die Arbeitsfähigkeit in der kritischen Infrastruktur gesichert werden, also etwa im Gesundheitswesen, bei Polizei oder Feuerwehr.
Trotzdem könnte diese Regelung ein Risiko birgen. Denn Schnelltests sind weniger zuverlässig, in rund 20 Prozent der Fälle erkennen sie eine Infektion nicht. Bundeskanzler Olaf Scholz sah darin auf der Pressekonferenz am Freitag aber kein Problem: "Wir glauben, dass die Schnelltests auch eine ausreichende Sicherheit bieten", sagte er.
Verwendete Quellen:
- Regierungs-Pressekonferenz in der Bundespressekonferenz
- Bundesgesundheitsministerium, Pressestelle
- Robert-Koch-Institut: Tabellen zu Testzahlen, Testkapazitäten und Probenrückstau pro Woche (6.1.2022)
- BR.de: Labore überlastet – Keine PCR-Gurgeltests in Bayern
- RND.de: Ärzteverband warnt vor PCR-Engpässen: Genügen auch Schnelltests zum Freitesten?
- Allesgurgelt.at
- ZDF.de: PCR-Tests: Grünen-Experte für Priorisierung
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